Gehwegunfall: Keine Haftung der Stadt

Trotz der grundsätzlichen Verkehrssicherungspflicht müssen Fußgänger auch im innerstädtischen Bereich unter Umständen mit Hindernissen auf Gehwegen rechnen. Kommt es zu einem Unfall, ist die Haftungsfrage nicht eindeutig.

Ein Mann war mit seiner zu Fuß Ehefrau in der Innenstadt von Lübeck unterwegs und stürzte. Ursache für den Sturz soll eine mittig herausstehende Kante einer Gehwegplatte gewesen sein, an der er mit seinem linken Fuß hängengeblieben war. Der Niveauunterschied der Gehwegplatte betrug zwischen  1,0 und 2,5 Zentimeter im Vergleich zu den umliegenden Gehwegplatten.

Gehwegplatte weder wahrnehm- noch erwartbar für Fußgänger?

Der Mann machte geltend, die Stadt Lübeck habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Schwelle auf dem Gehweg habe er weder wahrnehmen noch erwarten können. Zudem argumentierte er, dass im Bereich des Unfallorts hohe Anforderungen in puncto Verkehrssicherungspflicht zu stellen seien, weil dieser Bereich als Haupteinfallstor zum Innenstadtbereich der Stadt Lübeck stark frequentiert sei. Von der Stadt forderte er knapp 11.000 Euro.

Gericht: Stadt haftet nicht für den Unfall des Fußgängers

Das Landgericht Lübeck sah keine Haftung der Stadt, dem Mann steht kein Schadensersatzanspruch zu. Der behauptete Unfall sei nicht auf eine Pflichtverletzung der beklagten Stadt zurückzuführen.

Zwar sei die Stadt als Trägerin der Straßenbaulast für die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflichten in dem Bereich des Unfallorts zuständig. Die Straße habe sich aber nicht in einem pflichtwidrigen Zustand befunden. Die vom Kläger beschriebene Situation des Gehwegs stelle an der konkreten Stelle keinen Zustand dar, der dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis nicht genüge.

Aus diesen Gründen verneinte das Gericht eine Haftung der Stadt:

  • Auf Gehwegen im Allgemeinen würden Niveauunterschiede von circa zwei bis drei Zentimeter regelmäßig akzeptiert (OLG Koblenz, 26.07.2018, 1 U 149/18).
  • Entscheidend sei, inwieweit Gehwegschäden für den Fußgängerverkehr mit Blick auf die örtlichen Begleitumstände erkennbar und ein Überqueren vermeidbar sei.
  • Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflichtverletzung könne erst angenommen werden, wenn auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei.

Fußgänger konnte gebotene Sorgfalt nicht nachweisen

Da ein Höhenunterschied von 2,5 Zentimeter auf einem Fußgängerweg noch hinnehmbar sei, hätte es am Kläger gelegen, weitere Anhaltspunkte hervorzubringen, aus denen sich ein Überraschungsmoment oder ein anderer Umstand ergab, aufgrund dessen er den Niveauunterschied bei der gebotenen Sorgfalt nicht hätte feststellen können. Das sei dem Kläger nicht gelungen. Deshalb habe er keinen Schadensersatzanspruch gegen die Stadt.

(LG Lübeck, Urteil v. 06.09.2024, 10 O 240/23)


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