Leitsatz (amtlich)
Haben die Parteien das Recht, die Barleistungen des Altenteils "bei wesentlicher Änderung der wirtschaftlichen oder geldlichen Verhältnisse" "im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Hofes" durch das Landwirtschaftsgericht neu festsetzen zu lassen, können die Geldzahlungen nicht als Leibrente i. S. von § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG beurteilt werden.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 1, Nr. 1 Buchst. a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Eltern der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) - ihr Vater war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes - setzten sich durch gemeinsames Testament gegenseitig als Alleinerben ein, ohne den Längstlebenden in der Verfügung über seinen Nachlaß zu binden. Nach dem Tode des Vaters bestimmte die Mutter der Klägerin durch Testament vom 9. Mai 1947 daß die - seinerzeit erstmals - verwitwete und auf den elterlichen Hof zurückgekehrte Klägerin ein lebenslängliches Altenteil unter Berücksichtigung eines zuvor erhaltenen Barbetrages erhalten solle, daß sie aber jederzeit Barablösung verlangen könne. Am 11. Juni 1950 ordnete die Mutter in einem handschriftlichen Testament an, daß ihr bisher als Erbe eingesetzter Sohn die Hälfte des Nachlasses erhalten und die andere Hälfte zu 1/3 ihrem anderen Sohn und zu 2/3 der Klägerin zufallen solle. Nach dem Tode der Mutter schloß die Klägerin am 18. November 1950 mit ihren beiden Brüdern vor dem Höfegericht einen Erbauseinandersetzungsvertrag, durch den der eine Bruder der Klägerin als Hoferbe anerkannt und der Klägerin Altenteilsleistungen mit einem monatlichen Taschengeld von 150 DM zugesichert wurden. Außerdem erhielt die Klägerin das Recht, anstelle der Naturalleistungen jederzeit die Zahlung von monatlich 100 DM in bar, also 250 DM insgesamt, monatlich zu wählen. Im Falle der Wiederverheiratung hatte die Klägerin wahlweise das Recht, eine Barabfindung der Altenteilsleistungen in acht Jahresraten zu verlangen. Der Auseinandersetzungsvertrag erhält sodann folgende Klausel:
"Bei wesentlicher Änderung der wirtschaftlichen oder geldlichen Verhältnisse haben die Parteien das Recht, die Barleistungen des Altenteils und den Kapitalbetrag der Barabfindung durch das Landwirtschaftsgericht in A im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Hofes neu festsetzen zu lassen."
Die Klägerin machte nach ihrer Wiederverheiratung von der Möglichkeit, eine Barabfindung zu verlangen, keinen Gebrauch, sondern wählte die Geldrente. Im September 1966 schlossen die Klägerin und der Hoferbe vor dem Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - A einen Vergleich, in dem sie übereinkamen, ab 1. Januar 1965 den Betrag zur Abgeltung der Naturalien auf 125 DM und die Geldrente auf 200 DM monatlich zu erhöhen. Die Leistungen wurden in der Folgezeit - einvernehmlich - um 45 DM ab 1. Oktober 1970 und um weitere 10 DM ab 1. Januar 1973 heraufgesetzt.
Bei den erstmaligen Veranlagungen für die Streitjahre 1972 und 1973 schloß sich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) der vom FA A vertretenen Auffassung, die von dem Hoferben erbrachten Leistungen seien als dauernde Last in voller Höhe als Sonderausgaben abziehbar, an und erfaßte infolgedessen die streitigen Bezüge (1972: 4 440 DM und 1973: 4 560 DM) als dauernde Last in voller Höhe.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Klage führte zur Herabsetzung der Steuerfestsetzungen. Das Finanzgericht (FG) beurteilte die wiederkehrenden Leistungen als Leibrente und unterwarf sie daher nur mit dem Ertragsanteil der Besteuerung (§ 22 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Zur Begründung führt es aus, der Begriff "Leibrente" entspreche dem des bürgerlichen Rechts. Habe der Verpflichtete die Einzelleistungen von wirtschaftlichen Voraussetzungen abhängig gemacht, so fehle dem Rentenversprechen der Leibrentencharakter. Daraus folge umgekehrt, "daß ein Leibrentenversprechen vorliegt, sofern die Einzelleistungen nicht an künftige wirtschaftliche Voraussetzungen geknüpft sind".
Die Vereinbarungen des Hoferben mit der Klägerin ergäben, "daß die Rentenbezüge der Klägerin mangels Abhängigkeit von wirtschaftlichen Voraussetzungen dem Grunde nach aus einem Rentenstammrecht" flössen, mithin als Leibrente anzusehen seien. Alleinige Rechtsgrundlage für die streitigen Bezüge sei der Auseinandersetzungsvertrag vom 18. November 1950. Es sei damals eine Versorgungsrente vereinbart worden. Die Zukunft der Klägerin habe durch die Einräumung des Alten teils, d. h. des monatlichen Taschengeldes von 150 DM und - für den Fall ihres Wegzugs vom Hofe - des Anspruchs auf Zahlung von 100 DM anstelle der Naturalleistungen unter allen Umständen wirtschaftlich gesichert werden sollen, und zwar unabhängig von etwaiger Bedürftigkeit bis an ihr Lebensende. Sei die Rente der Klägerin aber allein auf ihre Lebenszeit gestellt, so habe sie "ein Rentenstammrecht erworben und der Hoferbe sich mit einer einheitlichen Kapitalschuld belastet, die durch Erbringung monatlicher Teilleistungen aufgezehrt" werde. Die "Besserungsklausel" habe die Leistungen nicht von der "Leistungsfähigkeit des Hofes abhängig gemacht. "Der Senat versteht diese Klausel dahin, daß die Leistungsfähigkeit des Hofes den Rahmen für die Anpassung der Bezüge nach oben abgesteckt, eine Anpassung nach unten indes wegen des dem gesamten Vertragswerk innewohnenden Zwecks der lebenslänglichen Sicherstellung der Klägerin ausgeschlossen sein sollte . Der Sachverhalt entspreche daher demjenigen, über den der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 1. August 1975 VI R 168/73 (BFHE 116, 505, BStBl II 1975, 882) entschieden habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des § 22 Nr. 1 EStG gerügt wird.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die vom FG zugelassene Revision ist begründet. Die wiederkehrenden Bezüge, die die Klägerin in den Jahren 1972 und 1973 erhalten hat, unterliegen als wiederkehrende Bezüge, die keine Leibrente sind, mit dem vollen Betrag der Einkommensteuer (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG).
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Begriff Leibrente dem bürgerlichen Recht entnommen ist und daß die Entscheidung, ob eine Leibrente vorliegt, somit nach bürgerlichem Recht zu treffen ist (BFH-Urteile vom 18. März 1980 VIII R 69/78, BFH 130, 446, BStBl II 1980, 501, und vom 20. Mai 1980 VI R 108/77, BFHE 130, 520, BStBl II 1980, 573).
Irrig ist zwar bereits die Auffassung des FG, ein Leibrentenversprechen läge bereits immer dann vor, sofern die Einzelleistungen bei einer Rente nicht an künftige wirtschaftliche Voraussetzungen geknüpft seien. Der Senat kann es im vorliegenden Fall dahinstehen lassen, ob die Leistungen, zu denen der Hoferbe verpflichtet ist, einheitlich auf einem Altenteil beruhen, wie es von den Eltern der Klägerin, von ihr selbst und ihrem Bruder immer wieder ausgedrückt wird, oder ob die Verpflichtung ungeachtet der Ausdrucksweise eine Leibrente sein könnte. Denn einer Beurteilung als Leibrente steht jedenfalls entgegen, daß die Klägerin und der Hoferbe hinsichtlich der Höhe der Leistungen im Erbauseinandersetzungsvertrag vereinbart haben, "bei wesentlicher Änderung der wirtschaftlichen oder geldlichen Verhältnisse" sollten die Barleistungen des Altenteils und der Kapitalbetrag der Barabfindung durch das Landwirtschaftsgericht in A "im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Hofes" neu festgesetzt werden. Es trifft zwar zu, daß die Ansprüche der Klägerin nicht gegenständlich auf die Erträgnisse des Hofes beschränkt worden sind. Die Klausel, die die Klägerin und der Verpflichtete vereinbart haben, ist indes entgegen der Auffassung des FG nicht eine Vereinbarung, die ausschließlich eine Anpassung der Bezüge nach oben sichern soll, wie das im Sachverhalt des Urteils in BFHE 116, 505, BStBl II 1975, 882 vorgesehen war. Sie bezweckt vielmehr eine Anpassung der Vereinbarungen an veränderte Verhältnisse, die sich zur Zeit des Vertragsschlusses nicht vorhersehen ließen (vgl. dazu Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. Mai 1965 10 WLw 73/64, Recht der Landwirtschaft 1965 S. 322). Eine Neufestsetzung ist dabei nicht etwa nur zur Aufrechterhaltung der Gleichmäßigkeit der Leistungen vorgesehen wie bei einer Wertsicherungsklausel. Eine Abänderung der Verpflichtung kann vielmehr auch verlangt werden, wenn es die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten gebietet. Eine Abänderung der Zahlungspflicht ist also unter ähnlichen Voraussetzungen möglich, unter denen nach § 323 der Zivilprozeßordnung bei der Verurteilung zu künftig fällig werdenden Leistungen eine Abänderungsklage erhoben werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 1973 VIII R 77/69, BFHE 111, 37, BStBl II 1974, 103). Die Vereinbarung einer solchen Abänderungsmöglichkeit ist mit der Begründung einer Leibrente unvereinbar (vgl. auch BFHE 130, 520, BStBl II 1980, 573).
Die Vorentscheidung, die mit diesen Grundsätzen nicht übereinstimmt, war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage erweist sich als nicht begründet.
Fundstellen
Haufe-Index 413511 |
BStBl II 1981, 263 |
BFHE 1981, 270 |