Leitsatz (amtlich)
Die Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (Einfamilienhaus-Verordnung) ist frühestens ab Bezugsfertigkeit des Gebäudes anwendbar. Vor der Bezugsfertigkeit des Gebäudes kann kein Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus (§ 21 Abs. 2 EStG) angesetzt werden.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2, § 29 Abs. 3; EinfHausVO § 2
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für einen sogenannten Raumteiler nach § 7 b EStG abschreibungsbegünstigt und Schuldzinsen vor Bezugsfertigkeit eines Einfamilienhauses als Werbungskosten abziehbar sind.
Die Kläger, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionskläger (Kläger) errichteten 1969/70 ein Einfamilienhaus, das sie am 1. Februar 1970 bezogen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen. Es fehlte noch eine ordnungsgemäße Haustür, im Hausflur waren die Fußbodenarbeiten noch nicht abgeschlossen, die Installationen im Bad und in der Toilette waren – jedenfalls zum Teil – noch nicht angebracht und Malerarbeiten mußten noch durchgeführt werden, diese Restarbeiten wurden im wesentlichen von den Klägern selbst durchgeführt.
In der Einkommensteuererklärung für 1970 gaben die Kläger Schuldzinsen bis zur Bezugsfertigkeit des Hauses in Höhe von 2 377,90 DM an und erklärten, das Haus sei am 18. August 1970 bezugsfertig geworden. Bei den Herstellungskosten machten sie 5 013,40 DM für eine Schranktrennwand (sogenannter Raumteiler) zwischen Küche und Eßzimmer geltend.
Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) erkannte bei der Veranlagung die geltend gemachten Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an, rechnete jedoch den Aufwand für die Schranktrennwand nicht zu den nach § 7 b EStG begünstigten Herstellungskosten. Der Einspruch dagegen führte zu einer höheren Steuerfestsetzung, weil das FA zwar die Kosten für die Tür in der Schranktrennwand als Herstellungskosten ansah, gleichzeitig aber die Schuldzinsen – mangels genauer Angaben der Kläger – auf einen geschätzten Betrag von 300 DM herabsetzte.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:
Die Aufwendungen für die Schranktrennwand gehörten zu den nach § 7 b EStG begünstigten Herstellungskosten. Es handele sich um eine Einrichtung, die bei der Herstellung eines Wohngebäudes üblich sei. Unerheblich sei, daß der Raumteiler gleichzeitig Schränke enthalte. Höhere als die vom FA anerkannten Schuldzinsen bis zum 19. August 1970 könnten nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Es könne offenbleiben, ob ein Bewohnen des Hauses bereits am 1. Februar 1970 zumutbar gewesen sei – mit der Folge, daß wegen der Anwendbarkeit der Einfamilienhaus-Verordnung (EinfHaus-VO) ein Schuldzinsenabzug von diesem Zeitpunkt an zu versagen wäre – oder ob dies nicht der Fall gewesen sei. Sollte die Einfamilienhaus-Verordnung nicht anwendbar sein, so sei den Klägern gemäß § 21 Abs. 2 EStG ein Nutzungswert für das Wohnen im eigenen Haus vom 1. Februar bis zum 18. August 1970 zuzurechnen. Gehe man von den geltend gemachten Werbungskosten – 2 077 DM – aus, so ergebe sich nach der gebotenen Schätzung ein monatlicher Nutzungswert von 340 DM, was einem als angemessen anzusehenden Quadratmeterpreis von 2,60 DM entspreche. Dabei gleiche sich ein anfänglich geringerer Nutzungswert durch einen höheren Wert nach Fortgang der Bauarbeiten aus.
Mit der – vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen – Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von § 7 b EStG und macht geltend, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 11. Dezember 1973 VIII R 207/71 (BFHE 112, 247, BStBl II 1974, 477) könne von den Kosten für eine Schranktrennwand eine Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 b EStG nicht vorgenommen werden.
Das FA beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung.
Die Kläger machen demgegenüber – in ihrem nach Ablauf der Revisions- und Revisionsbegründungsfrist beim BFH eingegangenen Schriftsatz – geltend: Entgegen der Auffassung im BFH-Urteil VIII R 207/71 müßten Aufwendungen für eine Schranktrennwand, ähnlich wie Kosten z. B. für Teppichböden, zu den nach § 7 b EStG abschreibungsbegünstigten Herstellungskosten gerechnet werden. Zu Unrecht habe das FG keinen höheren Schuldzinsenabzug zugelassen. Das FG habe den Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Hauses feststellen müssen. In der Zeit vor dem 18. August 1970 sei das Haus nicht derart bewohnbar gewesen, daß ein monatlicher Nutzungswert von 340 DM angesetzt werden könne.
Die Kläger beantragen – sinngemäß – Aufhebung der Vorentscheidung und Herabsetzung der Einkommensteuer unter Anerkennung der Aufwendungen für die Schranktrennwand und Berücksichtigung der geltend gemachten Schuldzinsen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Rechtsansicht des FG, daß die Aufwendungen der Kläger für die Schranktrennwand zu den nach § 7 b EStG abschreibungsfähigen Herstellungskosten gehören, kann nicht gefolgt werden. Wie der erkennende Senat in dem Urteil VIII R 207/71 entschieden hat, sind Ausgaben für ein derartiges Wirtschaftsgut keine nach § 7 b EStG abschreibungsbegünstigten Herstellungskosten, weil ein solches Wirtschaftsgut nicht der Herstellung eines Wohngebäudes dient, sondern in einem nicht nur unbedeutenden Umfange die Funktion der Wohnungseinrichtung erfüllt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe der vorgenannten Entscheidung verwiesen. Die dagegen gerichteten Einwendungen der Kläger geben keinen Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung des Senats abzugehen. Die Kläger übersehen, daß ein Teil der von ihnen aufgeführten Gegenstände – z. B. Teppichboden, nicht als Ersatz für lose Teppiche, sondern als Fußboden – als der Ausstattung eines zeitgemäßen Wohnansprüchen objektiv genügenden Gebäudes dienend angesehen werden, während andere Gegenstände – z. B. Besen- oder Schuhschränke – der Wohnungseinrichtung zuzurechnen sind (vgl. das Urteil des Senats vom 11. Dezember 1973 VIII R 11/71, BFHE 112, 244, BStBl II 1974, 476).
II.
Die Revision der Kläger führt ebenfalls zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Die Kläger konnten Revision einlegen und haben dies auch getan.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann der Revisionsbeklagte auch noch nach Ablauf der für die Einlegung und Begründung der Revision bestimmten Fristen (§ 120 FGO) eine unselbständige Anschlußrevision einlegen (vgl. Urteil vom 9. Juli 1969 I R 188/67, BFHE 96, 397, BStBl II 1969, 690). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Ohne als solche ausdrücklich bezeichnet zu sein, enthält der Schriftsatz der Kläger vom 17. Dezember 1974 alle Erfordernisse einer unselbständigen Anschlußrevision, mit der die Kläger unter Angabe von Rechtsrügen mehr beantragen als nur die Zurückweisung der Revision des FA.
2. Die Anschlußrevision ist auch begründet.
Das FG ist einem Rechtsirrtum unterlegen, wenn es bei der Entscheidung der Frage, ob die von den Klägern geltend gemachten Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können, offenließ, wann das Haus bezugsfertig geworden ist. Es ist zwar richtig, daß die Einfamilienhaus-Verordnung mit ihrem auf den Grundbetrag begrenzten Schuldzinsenabzug frühestens ab Bezugsfertigkeit des Gebäudes anwendbar ist (vgl. dazu die Urteile des Senats vom 21. Januar 1975 VIII R 101/70, BFHE 115, 209, BStBl II 1975, 503; vom 26. August 1975 VIII R 120/72, BFHE 117, 54, BStBl II 1976, 9). Dem FG kann aber nicht darin beigetreten werden, daß bereits vor Bezugsfertigkeit eines Gebäudes ein Nutzungswert nach § 21 Abs. 2 EStG angesetzt werden kann.
Nach § 21 Abs. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus. Aus der Verwendung des Begriffs „Wohnung” in dieser Vorschrift ist zu entnehmen, daß es sich um Räume handeln muß, die auch bewohnbar sind. Bewohnbar ist ein Gebäude oder der Teil eines Gebäudes dann, wenn Fertigstellung in dem Sinne gegeben ist, daß ein Beziehen der zu Wohnzwecken bestimmten Räume zumutbar ist (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 11. März 1975 VIII R 23/70, BFHE 115, 449, BStBl II 1975, 659, mit weiteren Nachweisen). § 21 Abs. 2 EStG ist demnach solange nicht anwendbar, als eine Wohnung im eigenen Haus nicht fertiggestellt ist.
III.
Nach Aufhebung der Vorentscheidung kann der Senat nicht selbst entscheiden, weil die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichen, den Zeitpunkt der Bewohnbarkeit und damit der Fertigstellung festzulegen. Die Streitsache geht deshalb an das FG zurück, das zur Frage der Bezugsfertigkeit des Hauses der Kläger die notwendigen Feststellungen treffen und diese beurteilen muß.
Fundstellen
Haufe-Index 510462 |
BFHE 1976, 573 |