Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ausschüttungen einer Realgemeinde sind bei den Empfängern auch insoweit Einkünfte aus Kapitalvermögen, als sie einen Erlös aus dem Verkauf von Grund und Boden enthalten.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 5, §§ 13, 20
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1956 die Einkommensteuerpflicht einer Gewinnausschüttung von 810 DM, die der Steuerpflichtige von einer Forstinteressentschaft aus dem Erlös eines Grundstücksverkaufs an die Bundesstraßenverwaltung zu Autobahnzwecken erhalten hat.
Der Steuerpflichtige bewirtschaftet einen rund 15 1/4 ha großen Halbspännerhof. Im Bestandsverzeichnis der Grundakten dieses Hofes ist unter Nr. 1 zusammen mit dem Halbspännerhof das Forstnutzungsrecht Nr. 3 der Genossenschaftsforst zu X eingetragen.
Die Genossenschaftsforst X ist eine auf dem Braunschweigischen Gesetz über die ungeteilten Genossenschaftsforsten vom 19. Mai 1890 (Gesetz- und Verordnungssammlung für die Herzoglich Braunschweigischen Lande 1890 S. 53 ff.) beruhende Forstinteressentschaft. Sie hat sich als Forstinteressentschaft der Gemeinde X am 28. Mai 1931 einstimmig ein vom 26. Juni 1931 vom zuständigen Landkreis genehmigtes Statut gegeben. Nach ihm erfolgt die Bewirtschaftung, Verwaltung und Benutzung der Interessentenforst nach Maßgabe des erwähnten braunschweigischen Gesetzes und des Statutes (ß 1 des Statutes). Nach den Grundakten des Forstgrundbuchs ist der Gemeinschaftsforst der Forstinteressentschaft rund 205 ha groß. Von den 47 Anteilen der Forstinteressentschaft besitzt der Steuerpflichtige zwei.
Dem Steuerpflichtigen sind im Veranlagungszeitraum 1956 neben der laufenden Nutzung (einschließlich eines nicht mehr streitigen Betrages von 240 DM) in Höhe von insgesamt 3 686 DM weitere 1 650 DM aus einem Grundstücksverkauf der Forstinteressentschaft an die Bundesstraßenverwaltung zu Autobahnzwecken, insgesamt 5 336 DM zugeflossen.
Das Finanzamt hat bei der Einkommensteuerveranlagung 1956 des Steuerpflichtigen, dessen landwirtschaftlicher Gewinn nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) vom 2. Juni 1949 erfaßt wird, die auf ihn entfallende Nutzung der Forstinteressentschaft im Gesamtbetrage von 5 336 DM unter den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft erfaßt.
Nach erfolglosem Einspruch führte die Berufung, mit der der Steuerpflichtige begehrte, den reinen Kaufpreis für den an die Bundesstraßenverwaltung übereigneten Grund und Boden in Höhe von nur 810 DM als nicht steuerpflichtig zu behandeln, zum Erfolg.
Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung wie folgt: Aus der Bejahung der eigenen Rechtspersönlichkeit der Forstinteressentschaft im KStG lasse sich für die Entscheidung der Frage nichts entnehmen, ob alle Ausschüttungen der Forstinteressentschaft Kapitaleinkünfte der Genossen seien. Im Gegensatz zu den eigentlichen Kapitalgesellschaften des Handelsrechts und des bürgerlichen Rechts und den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften beteilige sich die Forstinteressentschaft weder am allgemeinen Wirtschaftsverkehr noch verfolge sie eigenwirtschaftliche Interessen. Sie bewirtschafte, verwalte und benutze durch ihren von der Interessentschaftsversammlung gewählten Vorstand den wirtschaftlich im Gesamthandseigentum der Genossen verbleibenden Forst vielmehr auf deren Rechnung mit der Maßgabe, daß der Vorstand das jeweils anfallende Holz zu verwerten und den einzelnen Genossen die auf sie entfallenden Anteile an Holz oder Geld bekanntzugeben habe. Daraus folge, daß die den einzelnen Genossen zufließenden Beträge Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft seien. Diese aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des BGB stammenden Rechtsgebilde, die auf Rechtsgedanken fußten, die dem gegenwärtig geltenden Recht insbesondere dem Steuerrecht fremd seien, könnten den Erwerbsgesellschaften des heutigen deutschen Rechts nicht gleichgesetzt werden. Bei der Besteuerung der Erträge müsse daher versucht werden, eine den wirtschaftlichen Verhältnissen möglichst entsprechende Besteuerung zu finden. Selbst wenn man in der Forstinteressentschaft steuerlich ein selbständiges Rechtssubjekt erblicken wolle, so habe es aus der Verwaltung des Forstes nur Einkünfte aus Forstwirtschaft. Zu diesen Einkünften gehörten nach § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG nicht Betriebseinnahmen, die aus der Veräußerung forstlichen Grundbesitzes anfielen. Dies habe erst recht zu gelten, wenn eine solche Realgemeinde ihren wirtschaftlichen Ertrag nicht durch Bestandsvergleich, sondern durch überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittle. Nicht anders verhalte es sich mit den Einkünften, die den einzelnen Genossen aus der Forstinteressentschaft anfielen. An sich wäre es erforderlich gewesen, diese Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 215 Abs. 2 Ziff. 1 AO zu verteilen. Bei dieser einheitlichen Gewinnfeststellung hätte der Verkaufserlös von 810 DM für den Grund und Boden außer Ansatz bleiben müssen, und somit auch nicht auf den Steuerpflichtigen verteilt werden können. Es sei jedoch rechtlich unbedenklich, den Steuerpflichtigen trotz Fehlens der einheitlichen Gewinnfeststellung so zu behandeln, als ob eine solche Feststellung durchgeführt worden wäre. Das mit 9 485 DM veranlagte Einkommen des Steuerpflichtigen sei daher um den Verkaufserlös in Höhe von 810 DM auf 8 675 DM zu ermäßigen.
Mit der Rb. macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, daß die Gewinnausschüttungen aus der Forstinteressentschaft wesensmäßig Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellten, die nach § 20 Abs. 3 EStG im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassen seien. Für die Steuerpflicht der ausgeschütteten Beträge sei es unbeachtlich, daß sie aus Erlösen stammen, die durch die Veräußerung von Grund und Boden erzielt worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Wie im Urteil des erkennenden Senats IV 213/58 S vom 5. September 1963 (BStBl 1964 III S. 117, Slg. Bd. 78 S. 294) ausgeführt ist, ist aus der Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 5 KStG der Schluß zu ziehen, daß das Gesetz die Realgemeinden - um eine solche handelt es sich bei der Forstinteressentschaft X - als Körperschaften ansieht und daß daher die Ausschüttungen bei den Empfängern Ihrem Wesen nach Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 EStG vorliegen. Den korporativen Charakter dieser Realgemeinden hatte bereits der VI. Senat des Bundesfinanzhofs betont, der deshalb wie bei den Ausschüttungen der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (ß 20 Abs. 1 Ziff. 1 EStG) Kapitaleinkünfte angenommen hatte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 42/60 U vom 3. November 1961, BStBl 1962 III S. 7, Slg. Bd. 74 S. 15). Es können daher auch die Erträge der Genossen aus der Beteiligung an der Forstinteressentschaft ihrem Wesen nach nur zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (ß 20 EStG) gehören und nicht etwa einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zugerechnet werden, dessen Inhaber der Genosse ist. Im Streitfall gehören diese Erträge nur deshalb zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, weil die Mitgliedschaft des Steuerpflichtigen an der Forstinteressentschaft mit seinem land- und forstwirtschaftlichen VOL-Betrieb in engem Zusammenhang steht und ihm nach dem von Alters her überkommenen Zweck zu dienen bestimmt ist. Der Senat stimmt deshalb im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung, dem Finanzgericht darin zu, daß hier die Ausschüttungen der Forstinteressentschaft Einkünfte des Steuerpflichtigen aus Land- und Forstwirtschaft sind.
Dem Finanzgericht kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß es die Gewinnausschüttung von 810 DM, die der Steuerpflichtige von der Forstinteressentschaft aus dem Erlös eines Grundstücksverkaufs an die Bundesstraßenverwaltung zu Autobahnzwecken erhielt, von der Einkommensbesteuerung ausgenommen hat. Denn ihrem Charakter nach bleiben die Ausschüttungen auch dann Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn und soweit sie wegen ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Genossen nach § 20 Abs. 3 EStG lediglich der Art nach den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zugerechnet werden. Der erkennende Senat hat deshalb auch in dem genannten Urteil IV 213/58 S die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG 1950/52 auf derartige Einkünfte abgelehnt. Sind demnach die Ausschüttungen als Kapitaleinkünfte anzusehen, so kann folgerichtig auch § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG, der nur für die Einkunftsarten mit Gewinnermittlung gilt, nicht angewendet werden. Es muß daher auch der auf die Veräußerung von Grund und Boden der Forstinteressentschaft entfallende Anteil der Ausschüttung der Einkommensbesteuerung unterworfen werden.
Da die Vorentscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, war sie aufzuheben. Die Sache ist zur Entscheidung reif. Es muß die Berufung des Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung des Steuerausschusses beim Finanzamt, mit der er den Steuerpflichtigen zutreffend auch hinsichtlich des Betrages von 810 DM zur Einkommensteuer heranzog, als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 411564 |
BStBl III 1965, 319 |
BFHE 1965, 204 |
BFHE 82, 204 |