Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Auflösungsgewinn oder -verlust gemäß § 17 EStG
Leitsatz (NV)
Auflösungsgewinn i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten sowie seine Anschaffungskosten, einschließlich der als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu behandelnden Kosten, übersteigt.
Auflösungsverlust ist der Betrag, um den die genannten Kosten den Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1-2, 4
Verfahrensgang
Tatbestand
1979 gründete der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) mit Herrn Z eine GmbH. Am Stammkapital der GmbH in Höhe von 50000 DM waren Herr T und der Kläger mit je 24000 DM beteiligt. Die GmbH nahm ihren Geschäftsbetrieb im Dezember 1979 auf.
Ende 1979 nahmen die beiden Gesellschafter bei der A-Bank einen Mittelstandskredit in Höhe von 140000 DM auf. Die Kreditmittel wurden Anfang 1980 ausgezahlt. Der Kredit sollte zusammen mit den Eigenmitteln der GmbH deren Investitionsbedarf decken.
Der Kläger wurde am 8. Mai 1980 als Geschäftsführer der GmbH abberufen und nahm dann eine andere Tätigkeit auf.
Am 19. Januar 1982 stellt die X Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gegen die GmbH, der mangels Masse durch Beschluß vom 5. März 1982 zurückgewiesen wurde. Nach einem Gutachten des Rechtsanwalts Y vom 2. März 1982 war zu dieser Zeit mit einer Verteilung von Vermögen an die Gesellschafter nicht mehr zu rechnen. Im Juli 1982 wurde beim Registergericht die Gewerbetätigkeit abgemeldet. Am 30. März 1983 wurde die GmbH im Handelsregister gelöscht.
Mit Vertrag vom 27. Juni 1983 vereinbarte der Kläger mit den Mitgesellschaftern der GmbH, daß er von dem Darlehen der A-Bank einen Teilbetrag von 50000 DM am 30. Juni 1983 zurückzuzahlen habe und dafür von der gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme wegen des Restbetrages freigestellt werden sollte. Zur Finanzierung seiner Zahlungsverpflichtung nahm der Kläger bei der A-Bank einen Kredit von 30000 DM auf, der mit monatlichen Raten von 647 DM zurückzuzahlen war.
Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) für 1982 einen Verlust aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 24000 DM berücksichtigt hat, macht der Kläger für das Streitjahr 1983 einen Verlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 60334 DM geltend. In diesem Betrag ist enthalten die Rückzahlung von 50000 DM, Schuldzinsen aus dem Mittelstandskredit in Höhe von 4275 DM, Notarkosten in Höhe von 5285,05 DM und Schuldzinsen in Höhe von 774 DM für den persönlichen Kredit der A-Bank.
Das FA lehnte die Berücksichtigung dieser Aufwendungen ab. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führt das FG aus:
Der Bundesfinanzhof (BFH) habe entschieden, daß ein Gewinn oder Verlust gemäß § 17 EStG in dem Jahr zu erfassen sei, in dem das auf die wesentliche Beteiligung entfallende Vermögen der Gesellschaft verteilt werde. Dies sei im Streitfall durch den Vertrag zwischen dem Kläger und den anderen Gesellschaftern vom Juni 1983 geschehen. Erst in diesem Zeitpunkt habe festgestanden, wie und in welcher Höhe der Kläger für die Verpflichtungen aus dem Mittelstandskredit einzustehen habe. Entscheidend für die Bestimmung des Auflösungszeitpunktes sei, ob der Kläger nicht mehr mit der Zuweisung von Gesellschaftsvermögen habe rechnen können und ferner, ob ein Auflösungswille bestanden habe.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage als unbegründet (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen der Auffassung des FG hat der Kläger im Streitjahr 1983 keinen Verlust gemäß § 17 Abs. 2 und 4 EStG erlitten.
Auflösungsgewinn i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten sowie seine Anschaffungskosten, einschließlich der als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu behandelnden Kosten, übersteigt. Auflösungsverlust ist der Betrag, um den die genannten Kosten den Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.
Die Entstehung des Auflösungsgewinns oder -verlustes beim wesentlich beteiligten Gesellschafter der Kapitalgesellschaft setzt bei der Kapitalgesellschaft zunächst deren zivilrechtliche Auflösung voraus (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1989 VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361). Im Streitfall ist die GmbH durch die Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse aufgelöst worden (§ 107 Abs. 1 der Konkursordnung - KO -; § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 - LöschG -, RGBl I 1934, 914). Das geschah im Jahre 1982. In diesem Jahr ist auch ein möglicher Auflösungsverlust des Klägers entstanden.
Die Entstehung des Auflösungsgewinns/-verlustes gemäß § 17 Abs. 2 und 4 EStG setzt ferner zwar die zivilrechtliche Auflösung der Gesellschaft, nicht aber ihre Beendigung voraus. Nach der Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsgewinns oder -verlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (vgl. BFH-Urteile vom 17. Oktober 1957 IV 64/57 U, BFHE 65, 544, BStBl III 1957, 443, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs - RFH -; vom 30. Juni 1983 IV R 113/81, BFHE 138, 569, BStBl II 1983, 640; vom 21. September 1982 VIII R 140/79, BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289; vom 2. Oktober 1984 VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428; vom 19. Oktober 1978 VIII R 182/77, nicht veröffentlicht - NV -). Findet, wie im Streitfall, eine Liquidation mangels Masse nicht statt, kann bereits im Zeitpunkt der Auflösung der Kapitalgesellschaft feststehen, daß mit Zuteilungen und Rückzahlungen i.S. des § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu rechnen ist und ferner, ob und in welcher Höhe dem Gesellschafter nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige Aufwendungen, die im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen sind, entstanden sind. Der Auflösungsverlust ist dann zu diesem Zeitpunkt entstanden und kann nicht nur, sondern muß bereits auf diesen Zeitpunkt und nicht erst nach Beendigung der Liquidation oder der Gesellschaft ermittelt werden. Ein Wahlrecht hat der Steuerpflichtige insofern nicht. Wenn in der BFH-Entscheidung in BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428 davon die Rede ist, daß der Steuerpflichtige den Verlust i.S. des § 17 Abs. 2 EStG bereits in dem Jahr erfassen kann, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist, so soll damit nur zum Ausdruck gebracht werden, daß die Entstehung des Verlustes nicht dadurch verzögert wird, daß noch Aufwendungen in unwesentlicher Höhe entstehen könnten.
Im Streitfall standen die Voraussetzungen des Aufgabeverlustes gemäß § 17 Abs. 2 und 4 EStG bereits 1982 fest. Das FG hat festgestellt, daß nach einem Gutachten vom März 1982 bereits zu diesem Zeitpunkt feststand, daß mit einer Verteilung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter nicht mehr zu rechnen gewesen sei und die Konkurseröffnung im März 1982 mangels Masse abgelehnt worden sei. Damit stand 1982 auch fest, daß die GmbH ein ihr von den Gesellschaftern evtl. gewährtes Darlehen nicht mehr zurückzahlen konnte. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden; sie sind nicht durch zulässige und begründete Rügen angegriffen worden (§ 118 Abs. 2 FGO).
Entgegen der Auffassung des FG kommt es auf die 1983 getroffene Vereinbarung des Klägers mit den anderen Gesellschaftern als Auflösungsentscheidung nicht an. Das FG geht davon aus, daß für die Entstehung des Auflösungsverlustes neben der Tatsache, daß mit einer Zuweisung von Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen ist, ein Auflösungswille vorhanden bzw. eine Auflösungsentscheidung getroffen sein muß. Letzteres sei mit der Vereinbarung im Juni 1983 geschehen. Dabei übersieht das FG, daß die GmbH bereits 1982 durch die Entscheidung des Amtsgerichts aufgelöst worden ist, das Konkursverfahren mangels Masse nicht zu eröffnen. Für eine Auflösungsentscheidung war danach kein Raum mehr.
Es ist für die Entstehung des Auflösungsverlustes auch nicht entscheidend, ob der Kläger bis in das Streitjahr 1983 hinein mit einer Übernahme der Gesellschaftsanteile durch einen anderen Gesellschafter rechnete (Hinweis des FG auf das Schreiben des Klägers an den Mitgesellschafter Z vom 29. Dezember 1982). Danach war jedenfalls nicht die Rede von einem Entgelt für die evtl. Übernahme der Geschäftsanteile, so daß sich möglicherweise ein Veräußerungspreis hätte ergeben können (§ 17 Abs. 2 EStG).
Schließlich hat die Vereinbarung vom Juni 1983 auch im übrigen keine Bedeutung für die Entstehung des Auflösungsverlustes gemäß § 17 Abs. 2 und 4 EStG.
Eine Darlehensverpflichtung ist der Kläger bereits 1979 oder 1980 eingegangen, als er zusammen mit dem weiteren Hauptgesellschafter den sog. Mittelstandskredit in Höhe von 140000 DM bei der A-Bank aufnahm. Selbst wenn die Darlehensvaluta - was das FA bezweifelt - an die GmbH weitergeleitet und alsdann zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens der GmbH verwendet worden sein sollte, hätte das nicht zur Folge, daß der Auflösungsverlust erst 1983 entstanden ist.
Die Gesellschafter, die das Darlehen bei der A-Bank aufgenommen haben - darunter der Kläger -, haben die Valuta der GmbH jedenfalls nicht als Einlage, sondern wiederum darlehensweise überlassen.
Der Verlust der Darlehensforderung könnte beim Kläger als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung im Rahmen des § 17 Abs. 2 und 4 EStG zu berücksichtigen sein, wenn das Darlehen kapitalersetzenden Charakter hätte, d.h. wenn es durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt worden wäre (BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333). Ob die Voraussetzungen dafür im Streitfall gegeben waren, ist angesichts des Zeitpunkts der Darlehenshingabe sehr zweifelhaft, kann aber offenbleiben. Sollte das Darlehen kapitalersetzenden Charakter gehabt haben, hätte der Verlust der Darlehensforderung spätestens im Zeitpunkt der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens festgestanden, mithin im Jahre 1982.
Die Vereinbarung vom Juni 1983 setzte im Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern die Verpflichtung des Klägers auf 50000 DM herab. Dadurch wurde aber die Höhe des von ihm der GmbH gewährten Darlehens und entsprechend auch der Verlust dieser Darlehensforderung durch den Konkurs der GmbH nicht rückwirkend herabgesetzt. Die Vereinbarung vom Juni 1983 ist allenfalls ein späteres Ereignis, das den 1982 entstandenen Verlust nachträglich verändert (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -; dazu BFH-Urteil in BFHE 143, 304, 308, BStBl II 1985, 428).
Auch die 1983 im Zusammenhang mit der Aufnahme des Kredits von 30000 DM bei der A-Bank getätigten Aufwendungen können - sofern sie überhaupt im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen wären - im Streitjahr nicht steuermindernd geltend gemacht werden. Wie der BFH entschieden hat (Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654), gibt es nur einen Auflösungsgewinn/-verlust gemäß § 17 Abs. 2 EStG, der auf einen Zeitpunkt zu ermitteln ist. Die Berücksichtigung von Betriebsausgaben (Aufwand) außerhalb der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG ist nicht möglich, auch wenn nach den Grundsätzen der Gewinnermittlung gemäß den §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG die Voraussetzungen dafür gegeben wären. Eine laufende Gewinnermittlung ist in § 17 Abs. 2 EStG nicht vorgesehen. Daraus folgt, daß nachträgliche Aufwendungen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind (vgl. dazu BFH-Urteil vom 27. Oktober 1992 VIII R 87/89, BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340), lediglich den Auflösungsverlust nachträglich (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977) erhöhen können. Sie wirken sich nicht im Jahr ihrer Entstehung aus.
Diese Aufwendungen können auch nicht als nachträgliche Werbungskosen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§§ 9 Abs. 1, 20 EStG) berücksichtigt werden. Nachdem die GmbH aufgelöst ist und diese Kapitalanlage damit keine Erträge mehr bringt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH der Abzug von nachträglichen Werbungskosten nicht mehr möglich (vgl. z.B. Urteil vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29; zuletzt Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90, zu 3. b).
Eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) ist beim Kläger, der bereits im Mai 1980 als Geschäftsführer abberufen wurde, nicht möglich. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß er der GmbH ein Darlehen im Interesse seines Arbeitsplatzes gewährt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 64555 |
BFH/NV 1994, 459 |