Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Begriff "außer Ansatz bleiben" in Abs. 3 des § 9 KStG ist der gleiche wie der in Abs. 1. 2. Das Ausser-Ansatz-Bleiben von Gewinnanteilen auf Schachtelbeteiligungen ist eine sachliche Steuerbefreiung. Unter Aufgabe der im Urteil I 189/59 S vom 15. November 1960 (BStBl 1961 III S. 80, Slg. Bd. 72 S. 210) vertretenen Auffassung kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß schachtelbegünstigte Einnahmen den abzugsfähigen Verlust der Obergesellschaft nicht mindern.
Die Nachsteuer des § 9 Abs. 3 KStG ist eine Ergänzung der von der Untergesellschaft gezahlten ermäßigten Körperschaftsteuer.
Normenkette
KStG § 9 Abs. 1, 3
Tatbestand
Die steuerpflichtige AG ist an dem Grundkapital der X.-AG und an dem Stammkapital der Z.-GmbH seit Beginn des Wirtschaftsjahres 1958 ununterbrochen mit 33 1/3 bzw. mit 100% beteiligt. Aus diesen Beteiligungen sind ihr im Wirtschaftsjahr 1958 für das Jahr 1957 Schachtelgewinne in Höhe von insgesamt 400 000 DM zugeflossen. Sie hat im Streitjahr 1958 einen diesen Betrag übersteigenden steuerlichen Verlust. Das Finanzamt hat gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KStG 1958 die Schachtelgewinne zu einer "Nachsteuer" von 15% (§ 24 Abs. 3 KStG 1958, § 19 Abs. 4 KStG 1955) herangezogen.
Gegen die Heranziehung zur Nachsteuer hat die Steuerpflichtige Einspruch eingelegt. Sie will zwar ihren Betriebsverlust mit den oben angegebenen Schachtelgewinnen verrechnen, den Betriebsverlust also um diese Schachtelgewinne mindern, ist aber der Ansicht, daß bei dieser Handhabung eine Nachsteuerpflicht entfalle, da sich die Steuerfreiheit der Schachtelgewinne hier infolge der Minderung ihres Verlustes um diese Schachteleinnahmen nicht habe auswirken können und daher die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Nachsteuer nicht gegeben seien.
Nach erfolglosem Einspruch hat das Finanzgericht der Berufung stattgegeben. Die Vorentscheidung geht mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 189/59 S. vom 15. November 1960 (BStBl 1961 III S. 80, Slg. Bd. 72 S.210) davon aus, daß Schachteldividenden nicht etwa so behandelt werden dürfen, als habe sie die Steuerpflichtige nicht bezogen, daß sie vielmehr nur im Jahr des Zuflusses "außer Ansatz bleiben", sich also nur auf den steuerpflichtigen Gewinn des Jahres des Zuflusses auswirken dürfen, und daß es bei dieser Auslegung des Gesetzes folgerichtig sei, daß steuerfreie Schachteleinnahmen im Jahre des Zuflusses den in den nächsten Jahren abzugsfähigen Verlustabzug mindern, weil sich sonst ihr "außer Ansatz bleiben" auch in den folgenden Jahren steuerlich auswirken würde. Infolge dieser Handhabung sei aber das Schachtelprivileg beim Verlustabzug nicht zum Zuge gekommen. Damit seien die Schachteleinnahmen im Streitjahr nicht "außer Ansatz" geblieben. Durch die Verlustminderung seien sie vielmehr in Ansatz gekommen, da die Verlustminderung den Verlustvortrag mindere. Blieben aber Schachteleinnahmen nicht außer Ansatz, dann liege kein Grund für eine Nachsteuer vor.
Der Vorsteher des Finanzamts hat Rb. eingelegt. Er verbleibt bei der Ansicht, daß die Nachsteuer des § 9 Abs. 3 KStG und die Auswirkung oder Nichtauswirkung des Schachtelprivilegs nichts miteinander zu tun haben. Im § 9 Abs. 1 KStG sei lediglich gesagt, daß Schachtelgewinne in jedem Fall begrifflich "außer Ansatz" bleiben, ohne daß dies im konkreten Fall sich auswirken müsse. Die Regelung der Nachsteuer im Abs. 3 der Vorschrift knüpfe allein an diese begriffliche Regelung an, ohne sich auch ihrerseits um die Auswirkung des Schachtelprivilegs zu kümmern. Zuflüsse an schachtelbeteiligte Kapitalgesellschaften, die von diesen nicht ausgeschüttet werden, sollten nach dem Willen des Gesetzgebers mit der vollen Tarifsteuer belastet sein. Daß dies in Verlustjahren zu einer scheinbaren Härte führe, hänge allein mit der Auffassung des Schachtelprivilegs als einer nur für das Zuflußjahr gedachten Vergünstigung zusammen, die sich nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht auch in den Folgejahren über die Möglichkeit des Verlustabzugs auswirken solle. Diese Auswirkung stehe aber in keinem Zusammenhang mit der in den §§ 19 Abs. 3, 9 Abs. 3 KStG 1955 (1958) zum Ausdruck gekommenen Absicht des Gesetzgebers, Erträge aus Kapitalgesellschaften, solange sie in der Sphäre anderer Körperschaften verbleiben, im Endergebnis mit der vollen Tarifsteuer zu belasten.
Der Bundesminister der Finanzen ist in dem Verfahren beigetreten und führt im wesentlichen folgendes aus:
"Zur Frage der Bedeutung des Begriffs "außer Ansatz bleiben" sagt der BFH im Urteil I 46/50 U vom 16. 1. 1951 (BStBl 1951 III S. 63, Slg. Bd. 55 S. 166):
"Wenn nach § 9 Abs. 1 KStG 1934 die Schachteldividenden "außer Ansatz bleiben", so ist damit ausgesprochen, daß sie zu keiner Steuererhöhung im Jahre ihres Ansatzes (ihrer Bilanzierung) beitragen dürfen. Die Vergünstigung kann nicht über den Verlustabzug auf spätere Jahre verlagert werden".
Geht man von dieser Auslegung des Begriffs "außer Ansatz bleiben" aus, so ist die für die Erhebung der Nachsteuer in § 9 Abs. 3 KStG geforderte Voraussetzung immer erfüllt, wenn die Schachteldividenden im Jahr ihres Zuflusses nicht zu einem höheren steuerpflichtigen Einkommen ( zu keiner höheren Steuerbelastung ) der schachtelbegünstigten Obergesellschaft führen. Das wird aber immer der Fall sein, gleichgültig, ob die Steuerbilanz der Obergesellschaft mit einem positiven oder negativem Ergebnis abschließt.
Ist demnach die Auffassung der Rechtsbeschwerde, daß die Schachteldividenden der Nachsteuer auch insoweit unterliegen, als die Schachteldividenden eine Kürzung des Verlustabzuges bewirken, durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt, so bleibt noch zu prüfen, ob die Erhebung der Nachsteuer in diesen Fällen etwa als Verstoß gegen den Sinn und Zweck des Gesetzes zu werten ist. Hierzu darf ich folgendes bemerken:
Die Nachsteuer ist durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. 12. 1954 eingeführt worden. Als durch das Gesetz zur änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24. 6. 1953 die Körperschaftsteuer für die sog. berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen ermäßigt wurde, waren von dieser Vergünstigung ausdrücklich die Ausschüttungen ausgenommen, die bei den Gesellschaften nach § 9 Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben. Diese Ausnahme war darin begründet, daß die Ermäßigung der Körperschaftsteuer für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen als eine Maßnahme zur Förderung des Kapitalmarkts geschaffen worden war, und die Förderungswürdigkeit der Ausschüttungen an schachtelbegünstigte Obergesellschaften bei dieser Zielsetzung fragwürdig erschien, außerdem die Ermäßigung der Körperschaftsteuer für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen an schachtelbegünstigte Obergesellschaften zu einer doppelten Vergünstigung (ermäßigte Körperschaftsteuer und Schachtelprivileg) geführt hätte.
Es zeigte sich jedoch bald, daß mit dieser Ausnahmeregelung auch eine Reihe von unerwünschten Folgen verbunden war. Eine dieser unerwünschten Folgen bestand darin, daß auch die nicht schachtelbegünstigten Gesellschafter durch diese Regelung insofern beeinträchtigt wurden, als die von der ausschüttenden Untergesellschaft insgesamt zu entrichtende höhere Körperschaftsteuer auch zu ihren Lasten ging. Sie erhielten unter Umständen eine geringere Dividende, als sie sie erhalten hätten, wenn auch die Ausschüttungen an schachtelbegünstigte Obergesellschaften zu einer Ermäßigung der Körperschaftsteuer geführt hätten. Ein weiterer wesentlicher Nachteil der Regelung von 1953 bestand darin, daß mit ihr für die schachtelbegünstigte Obergesellschaft selbst keinerlei steuerlicher Anreiz für eine Weiterausschüttung der ihr zugeflossenen Schachteldividenden verbunden war. Als dann im Zuge der Beratungen des Steuerneuordnungsgesetzes 1954, nach dem der Finanzausschuss des Bundestages zunächst dem Plenum die Wiedereinführung eines einheitlichen Körperschaftsteuersatzes vorgeschlagen hatte, schließlich doch an dem gespaltenen Körperschaftsteuersatz festgehalten wurde, wurde versucht, diese Nachteile, die mit der Regelung von 1953 verbunden waren, zu beseitigen. Das ist dann in der Weise geschehen, daß zwar auf der einen Seite auch für die Ausschüttungen an schachtelbegünstigte Obergesellschaften die Steuerermäßigung für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen gewährt wurde, daß aber die so von der Untergesellschaft gesparte Körperschaftsteuer auf der anderen Seite von der Muttergesellschaft zu entrichten war ( so u. a. auch Blümich- Klein-Steinbring § 9 Anm. 9). Demgemäß besteht der Sinn und Zweck der Nachsteuer auch darin, daß die von der ausschüttenden Untergesellschaft auf Grund der Steuerermäßigung für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen gesparte Körperschaftsteuer der schachtelbegünstigten Obergesellschaft angelastet wird. Dieser Ausgleich tritt nur dann ein, wenn die Berechnungsgrundlage für die Steuerermäßigung bei der ausschüttenden Untergesellschaft und die Berechnungsgrundlage für die Nachsteuer der schachtelbegünstigten Obergesellschaft gleich hoch sind. Das ist aber nur der Fall, wenn die der schachtelbegünstigten Obergesellschaft zufließenden Schachteldividenden ohne jeden Abzug der Nachsteuer unterworfen werden.
Tatsächlich gibt es hinsichtlich der Tragweite der neuen Vorschriften auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß sie - wenn man von den Auswirkungen der Senkung des allgemeinen Körperschaftsteuersatzes (45 v. H.) und der Möglichkeit der Vermeidung der Nachsteuer durch Weiterausschüttung der Schachteldividenden absieht - eine Verringerung der nach dem Rechtszustand von 1953 eintretenden Gesamtsteuerbelastung der von der Untergesellschaft ausgeschütteten Gewinne bewirken sollten. Zu § 19 Abs. 2 Satz 2 KStG 1953 ist aber nie die Auffassung vertreten worden, daß die Steuerermäßigung für die Ausschüttungen nur insoweit wegfallen sollte, als die Schachtelvergünstigung sich bei der Obergesellschaft auch tatsächlich auswirkt. Erfolgten Ausschüttungen an einen in § 9 Abs. 1 KStG bezeichneten Gesellschafter, so wurde der ausschüttenden Untergesellschaft die Steuerermäßigung für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen auch dann versagt, wenn die schachtelbegünstigte Obergesellschaft mit diesen Schachteldividenden etwa in vollem Umfang ihre Betriebsausgaben deckte. Hält man den Ausgangspunkt der im Körperschaftsteuergesetz 1953 enthaltenen Regelung für richtig, daß Ausschüttungen an schachtelbegünstigte Obergesellschaften nicht durch die geschaffene Steuerermäßigung für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen begünstigt werden sollten, so ist auch nicht einzusehen, warum dies nur dann gelten sollte, wenn die schachtelbegünstigte Obergesellschaft hinsichtlich der Deckung ihrer Betriebsausgaben nicht auf die ihr zufließenden Schachteldividenden angewiesen ist. Da dieser Grundsatz aber auch für die Regelung im Rahmen des Steuerneuordnungsgesetzes 1954 seine volle Gültigkeit behielt, gab es für den Gesetzgeber keinen Grund, im Zusammenhang mit der rein technischen Umgestaltung des Verfahrens die Gesamtbelastung der an schachtelbegünstigte Gesellschafter ausgeschütteten Gewinne zu verringern.
Der Hinweis der Bg., daß der Gesetzgeber davon ausgegangen sie, daß mit der Einfügung der Verweisung auf § 5 KStG ( § 9 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz) der Forderung, beim Verlustausgleich keine Nachsteuer zu erheben, Genüge getan sei, ist nicht zutreffend. Die Bedeutung dieser Verweisung erschöpft sich darin, daß damit geklärt werden soll, in welchem Veranlagungszeitraum die Nachsteuer zu veranlagen ist".
Zur Unterstützung der Vorentscheidung führt die Bgin. unter anderem aus, die Erhebung der Nachsteuer sei in § 9 Abs. 3 KStG eindeutig nicht darauf abgestellt, ob die zugeflossenen Einnahmen bei der Obergesellschaft zu einer Steuer geführt hätten oder nicht, sondern darauf, ob sie "außer Ansatz geblieben" seien. Es komme also darauf an, aus welchem Grunde keine Steuer angefallen sei - ob aus den Gründen des § 9 Abs. 1 KStG oder aus einem anderen Grund. Man dürfe nicht daran vorbeigehen, daß § 9 Abs. 3 eben an § 9 Abs. 1 anknüpfe, und gerade nicht daran, daß aus irgendwelchen anderen Gründen die Einnahmen bei der Obergesellschaft nicht zu einer Steuer führen. Diese Anknüpfung könne nur bedeuten, daß § 9 Abs. 3 nur anzuwenden sei, wo § 9 Abs. 1 zum Zuge komme. Es sei aber auch nicht denkbar, daß infolge der Schachtelbegünstigung des § 9 KStG mehr Steuer anfalle, als wenn keine Schachtelbegünstigung bestände. Im vorliegenden Fall sei es offensichtlich, daß die Steuerpflichtige keine Nachsteuer zu bezahlen hätte, aber auch weder bei ihr selbst in diesem Jahr oder künftigen Jahren noch bei der Untergesellschaft mehr Steuer zu zahlen wäre, wenn keine Schachtelbeteiligung bestünde.
In der mündlichen Verhandlung äußerten sich die Beteiligten auf Anregung des Senatsvorsitzenden auch zu der Frage, ob die im Urteil des Senats I 189/59 S vom 15. November 1960 (a. a. O.) vertretene Rechtsansicht geteilt werde, daß schachtelbegünstigte Einnahmen einen abzugsfähigen Verlust mindern. Der Vertreter des Bundesministers der Finanzen meinte, dieser Rechtsspruch sei nicht bedenkenfrei und es entspreche dem Sinn und Wortlaut des Gesetzes mehr, die Schachtelbegünstigung als sachliche Steuerbefreiung zu behandeln, und den Verlustabzug ungemindert zu lassen. Die Bgin. war dagegen der Ansicht, es sei begründet anzunehmen, daß der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs, daß Schachtelgewinne den Verlustabzug mindern, in seinen Willen aufgenommen habe, um so mehr, als verschiedene Unternehmen sich hierauf und auf den daraus zu folgernden Wegfall der Nachsteuer eingestellt hätten. Im übrigen erkannte der Vertreter der Bgin. in der mündlichen Verhandlung an, daß gegen die Nachsteuer Bedenken nicht zu erheben seien, wenn der Schachtelgewinn entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht mehr mit Verlusten verrechnet würde, sondern auch bei Berechnung des Verlustabzugs voll zur Auswirkung käme.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt, wenn auch aus anderen als den vom Bf. und Bundesminister der Finanzen angeführten Gründen, zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Berufung als unbegründet.
I. Für die Auslegung des § 9 Abs. 3 KStG sind, wie der Bundesminister der Finanzen mit Recht betont, die Stellung dieser Vorschrift im Rahmen des KStG und die Umstände ihrer Entstehung von Bedeutung. Der § 9 Abs. 3 KStG hängt mit dem sog. gespaltenen Körperschaftsteuersatz, d. h. der Regelung zusammen, wonach berücksichtigungsfähige Ausschüttungen im Sinn den § 19 Abs. 3 Satz 2 a. a. O. einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft einem geringeren Steuersatz unterliegen als das übrige Einkommen dieser Gesellschaft. Diese Sonderbehandlung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen wurde in der Bundesrepublik zum erstenmal durch das Gesetz zur änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24. Juni 1953 (BGBl 1953 I S. 413) eingeführt, wobei allerdings Ausschüttungen ausgenommen waren, die bei den empfangenden Gesellschaftern nach § 9 außer Ansatz blieben. Hierdurch wurde in erster Linie eine Förderung des Kapitalmarktes erstrebt: Durch die Steuerbegünstigung sollte eine Erhöhung der Ausschüttungen an die Aktionäre oder an andere Gesellschafter und damit eine Belebung des Aktienmarktes und eine Mehrung der Kapitalerhöhungen erreicht werden. Wie besonders bei dem späteren Ausbau dieser Regelung durch das Gesetz zur änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 (BGBl 1958 I S. 473, BStBl 1958 I S. 412, Zweiter Abschnitt Körperschaftsteuer Artikel 7) in der Begründung zum Ausdruck gekommen ist, war zugleich mit der Förderung des Aktienmarktes eine gewisse Einschränkung der Selbstfinanzierung bei Kapitalgesellschaften beabsichtigt.
Es war klar, daß diese Ziele durch eine Begünstigung der Ausschüttung von Kapitalgesellschaften an beteiligte Obergesellschaften, insbesondere von Tochtergesellschaften an Muttergesellschaften, in vielen Fällen nicht erreicht worden wären. Da zudem die Ausschüttungen an Kapitalgesellschaften, bei denen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 KStG (Schachtelprivileg) gegeben waren, bei deren Körperschaftsteuer außer Ansatz blieben, also anders als bei Ausschüttungen an natürliche Personen oder auch Kapitalgesellschaften, die die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 KStG nicht erfüllten - beim Empfänger eine Steuer nicht entstand, sah das Gesetz vom 24. Juni 1953, wie bereits erwähnt, von einer Ermäßigung der Körperschaftsteuer auf berücksichtigungsfähige Ausschüttungen an Schachtelobergesellschaften ab. Zur Vermeidung von Härten, insbesondere von Nachteilen anderer an der ausschüttenden Gesellschaft Beteiligter, für die sich die Nichtbegünstigung der Ausschüttungen an Schachtelobergesellschaften ungünstig auswirkte, wurde dann durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 eine neue Regelung eingeführt, wonach bei der Körperschaftsteuer der ausschüttenden Gesellschaft die Ausschüttungen auch dann begünstigt wurden, wenn der empfangenden Gesellschaft das Schachtelprivileg zustand. Dafür hatten aber die empfangenden Gesellschaften nach dem neueingeführten § 9 Abs. 3 KStG eine besondere Nachsteuer auf die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen unter Anwendung eines Steuersatzes zu zahlen, der dem Unterschied zwischen dem allgemeinen Körperschaftsteuersatz und dem geringeren auf die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen anwendbaren Körperschaftsteuersatz entsprach. Diese Nachsteuer hat den Charakter einer Ergänzung der von der Untergesellschaft gezahlten ermäßigten Körperschaftsteuer. Sie ist jedoch insoweit nicht zu erheben, als eine Weiterausschüttung erfolgt. In dem neuen Gesetz lag also eine Verfeinerung der durch sie abgelösten Vorschriften des Gesetzes vom 24. Juni 1953. Es blieb aber dabei, daß im Ergebnis die von einer Obergesellschaft empfangenen Schachtelgewinne durch die Einführung der ergänzenden Nachsteuer grundsätzlich insgesamt mit der vollen Körperschaftsteuer belastet wurden, wenn sie nicht bei der nächsten Gewinnverteilung weiter ausgeschüttet wurden.
Diese Absicht des Gesetzgebers kommt darin zum Ausdruck, daß der neueingeführte Abs. 3 des § 9 KStG, der die Voraussetzungen der Nachsteuer regelt, seinem Wortlaut nach die gleichen Gewinnanteile betrifft, die nach § 9 Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben.
Für die Auslegung des § 9 Abs. 3 KStG ist der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 2 BvH 2/52 vom 21. Mai 1952, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 1 S. 299; 1 BvL 10/55 vom 15. Dezember 1959, BVerfGE Bd. 10 S. 234, 244; 2 BvL 11/59, 11/60 vom 17. Mai 1960, BVerfGE Bd. 11 S. 126, 130; Bundesfinanzhof unter anderem in den Urteilen VI 162/55 U vom 14. Februar 1958, BStBl 1958 III S.207, Slg. Bd. 66 S. 539; I 208/60 S vom 27. Februar 1962, BStBl 1962 III S. 244, Slg. Bd. 74 S. 662). Auf Grund der Fassung in Abs. 3 a. a. O. - "die nach Absatz 1 außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile" - ist bei der sinngemäßen und wörtlichen Bezugnahme des Abs. 3 auf Abs. 1 mit der Bgin. anzunehmen, daß der Begriff "außer Ansatz bleiben" in Abs. 3 nicht anders zu verstehen ist, als in Abs. 1. Der Ansicht des Bf., daß Abs. 1 und Abs. 3 des § 9 KStG "nichts miteinander zu tun haben", kann also nicht gefolgt werden. Dieser Auslegung des Gesetzes können auch äußerungen in einem Ausschuß des Bundestages nicht als entscheidend entgegengehalten werden, da sie ja im Gesetz keinen Niederschlag gefunden haben.
II. Im vorliegenden Fall ist die Frage von Bedeutung, ob die Nachsteuer auch in den Fällen zu erheben ist, in denen die Anwendung des § 9 Abs. 1 KStG, wonach die Schachtelgewinne für die Besteuerung der Obergesellschaft außer Ansatz bleiben, letzten Endes nicht zu einem steuerlichen Vorteil der Obergesellschaft und einer Verringerung der Mehrfachbelastung führt. Der Wortlaut des § 9 Abs. 3 KStG bietet jedoch keine Handhabe, Ausnahmen von der Nachsteuer zuzulassen, wenn die Schachtelgewinne nach Abs. 1 zwar außer Ansatz geblieben sind, sich jedoch letztlich steuerlich nicht oder nicht voll ausgewirkt haben. Es kann nicht übersehen werden, daß auch die Vorschrift des § 9 Abs. 3 KStG, obgleich sie gegenüber der früheren Regelung eine Verfeinerung enthält, doch nach wie vor - wohl aus praktischen Gründen - eine sehr allgemeine und rohe Regelung darstellt, die auf die Gestaltung der Verhältnisse im einzelnen keine Rücksicht nimmt. Bei ihrer Anwendung ergeben sich übrigens noch eine Anzahl anderer Härtefälle, z. B. wenn die Obergesellschaft keine Möglichkeit hat, der Nachsteuer durch Gewinnausschüttung auszuweichen, weil sie dazu finanziell nicht in der Lage ist.
Der wichtigste Fall dieser Art ergibt sich aus der bisherigen Auslegung des § 9 Abs. 1 KStG durch den Bundesfinanzhof bei Vorliegen von Verlusten bei der Obergesellschaft (Zusammentreffen von Schachtelprivileg und Verlustvortrag). Wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend ausführt, hat der Bundesfinanzhof im Urteil I 46/50 U vom 16. Januar 1951 (BStBl 1951 III S. 63, Slg. Bd. 55 S. 166) - dem Urteil des Reichsfinanzhofs I A 104/31 vom 29. September 1931 (RStBl 1931 S. 862) folgend - die Worte "außer Ansatz bleiben" in § 9 Abs. 1 KStG so ausgelegt, daß die Schachteldividenden zwar zu einer Steuererhöhung im Jahre ihres Ansatzes nicht beitragen dürfen, daß aber die Vergünstigung nicht über den Verlustabzug auf spätere Jahre verlagert werden könne. Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat zuletzt im Urteil I 189/59 vom 15. November 1960 (a. a. O.) angeschlossen. Er ist dabei der Ansicht, gefolgt, daß Schachteleinnahmen nicht schlechthin steuerfrei seien, "also nicht etwa so behandelt werden dürfen, als habe sie der Steuerpflichtige nicht bezogen"; darum minderten steuerfreie Schachteleinnahmen im Jahre des Zuflusses den in den nächsten Jahren abzugsfähigen Verlustabzug.
Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich bei Vorliegen von Verlusten der Obergesellschaft durchaus, daß das Schachtelprivileg die Körperschaftsteuer derselben praktisch nicht mindert, § 9 Abs. 1 KStG also letzten Endes insoweit nicht zu einer steuerlichen Auswirkung gelangt. Besonders in dem Urteil vom 16. Januar 1951 kommt aber klar zum Ausdruck, daß nach Auffassung des Bundesfinanzhofs auch in diesen Fällen die Schachtelgewinne bei der Obergesellschaft - eben mit Beschränkung auf das Jahr des Anfallens - außer Ansatz bleiben. Folgt man dieser Auslegung des Bundesfinanzhofs und der oben dargelegten Auffassung, daß der Begriff "außer Ansatz bleiben" in § 9 Abs. 3 KStG der gleiche ist, wie in § 9 Abs. 1, so ergibt sich, daß die Nachsteuer bei der Obergesellschaft auch in diesen Fällen erhoben werden müßte. Es besteht allerdings kein Zweifel, daß sich aus dieser wörtlichen Auslegung gerade in vielen Fällen dieser Art erhebliche Härten ergeben würden. Außerdem würde beim Vorliegen von Verlusten neben Schachtelgewinnen bei der Obergesellschaft die Erhebung der Nachsteuer regelmäßig zu einer höheren Steuer nach dem KStG führen, als wenn § 9 KStG, z. B. bei einer Beteiligung der Obergesellschaft mit nur 24 v. H. des Kapitals, nicht zur Anwendung käme.
III. Eine Entscheidung über die Frage der Auslegung des § 9 Abs. 3 KStG bei Vorliegen von Verlusten neben Schachtelgewinnen unter Berücksichtigung der vom Reichsfinanzhof und von Bundesfinanzhof in den genannten Urteilen vertretenen Rechtsauffassung braucht aber im vorliegenden Fall nicht gefällt zu werden, da der Senat diese Rechtsprechung nach erneuter überprüfung nicht mehr aufrechterhält. Der Senat hat bereits im Urteil I 189/59 S (a. a. O.) erklärt, daß sich gewichtige Einwendungen gegen die vom Reichsfinanzhof und vom Bundesfinanzhof in ihren früheren Urteilen vertretene Rechtsansicht erheben lassen. Die Gründe, die den Senat bewogen haben, dennoch nicht von der Rechtsprechung abzugehen, hält der erkennende Senat nach erneuter Prüfung nicht mehr für zwingend. Da diese Fragen für die Auslegung des § 9 Abs. 3 KStG im vorliegenden Fall bedeutsam sind, war über sie zu entscheiden, obgleich im Veranlagungsjahr 1958 ein Verlustabzug, auf den sich ein Schachtelgewinn auswirken könnte, nicht gegeben ist.
Die sachlichen Gründe, die für eine änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und eine Berücksichtigung des Schachtelprivilegs auch im Rahmen des Verlustabzugs sprechen, sind im Schrifttum im Laufe der Jahre immer erneut vertreten und begründet worden (vgl. zuletzt den im Dezember 1962 veröffentlichten "Grünen Brief" Nr. 49 des Instituts "Finanzen und Steuern" e. V., Bonn, und die dort aufgeführte Literatur). In diesem Zusammenhang wird besonders auch auf die Ausführungen von Hoffmann in der Finanz-Rundschau 1961 S.184 verwiesen, in denen es als außerordentlich naheliegend bezeichnet wird, die Grundsätze des Urteils I 41/58 S vom 28. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 366, Slg. Bd. 69 S. 275), in dem der Bundesfinanzhof die Verrechnung der steuerfreien Zinsen nach § 3 a EStG mit abzugsfähigen Verlusten abgelehnt hat, auch auf die Schachtelvergünstigung auszudehnen.
Für eine änderung der Rechtsprechung in diesem Sinne sprechen vor allem folgende Gründe: Wenn Abs. 1 des § 9 KStG von "außer Ansatz bleiben" spricht, so liegt die Auslegung nahe, daß Schachteldividenden das Einkommen der Obergesellschaft nicht erhöhen dürfen. Insoweit läßt sich aus dem Wortlaut ein Unterschied gegenüber einer sachlichen Befreiung nicht feststellen. Insbesondere läßt sich aus dem Wortlaut des § 9 KStG nichts dafür entnehmen, daß sich die Schachteleinnahmen nur auf den steuerpflichtigen Gewinn im Jahre des Zuflusses auswirken dürfen und folglich den in den nächsten Jahren zu berücksichtigenden Verlustabzug mindern müßten.
Aber auch aus dem Zweck des Schachtelprivilegs ist - entgegen der Auffassung im Urteil des Bundesfinanzhofs I 46/50 U vom 16. Januar 1951 (BStBl III S. 63, Slg. Bd. 55 S. 166), wonach hier wie in anderen Fällen Befreiungen mit Verlusten zu verrechnen seien - eine solche einschränkende Auslegung nicht zu entnehmen. Das Schachtelprivileg soll in bestimmten Fällen bei Bestehen einer wesentlichen Beteiligung einer inländischen Kapitalgesellschaft an einer anderen die Drei- (und ggf. Mehrfach-) Besteuerung derselben Einkünfte verhindern, die ohne eine solche Regelung bei der Untergesellschaft, der Obergesellschaft und bei deren Gesellschaftern, ggf. noch bei anderen zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften entstehen würde. Findet aber eine Verrechnung der Schachteldividende mit den Verlusten der Obergesellschaft statt, so wird die Schachteldividende im Jahre der Vornahme des Verlustabzugs praktisch nachträglich von der Steuer erfaßt. Die Drei- oder Mehrfachbesteuerung, die das Schachtelprivileg verhindern soll, würde damit wieder herbeigeführt.
Gegen eine solche Handhabung spricht vor allem auch das Gebot einer gleichmäßigen Anwendung der Vergünstigung. Durch sie würden Obergesellschaften, die Verluste haben, gegenüber Obergesellschaften, die Gewinne erzielen, stark benachteiligt. Denn die mit Gewinn abschließenden Obergesellschaften kämen voll in den Genuß des Schachtelprivilegs, während der Vorteil für Obergesellschaften verlorenginge, die einen Verlust ausweisen. Eine solche Benachteiligung einer Gruppe von Obergesellschaften ist weder durch den Wortlaut noch den Zweck des Gesetzes gedeckt und auch nicht zwingend zu begründen.
In diesem Zusammenhang wird im übrigen auf die Ausführungen von Hoffmann, a. a. O., hingewiesen, wonach die Gründe, die für die Anerkennung der Schachtelvergünstigung auch im Rahmen des Verlustvortrags nach dem Zweck des Schachtelprivilegs sprächen, nicht ohne weiteres auch für die Behandlung anderer steuerbefreiter Einnahmen, insbesondere des Sanierungsgewinns maßgebend sein könnten.
Zu dem im Urteil I 189/59 S vorgebrachten Bedenken gegen die änderung der Rechtsprechung hat der Senat folgendes erwogen:
Es ist zwar richtig, daß sich die Verhältnisse und überlegungen, die zur Einführung des Schachtelprivilegs geführt haben, nicht in der Richtung geändert haben, daß eine Ausdehnung der Vorschrift geboten erscheint. Der Senat glaubt aber, daß die angeführten Gründe für seine Auslegung des § 9 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 10 d EStG nach Wortlaut und vor allem auch Zweck des Schachtelprivilegs so beachtenswert sind, daß es nicht mehr vertretbar erscheint, die bisherige einschränkende Auslegung aufrechtzuerhalten. Die Tatsache, daß dadurch in bestimmten, bisher benachteiligten Fällen der Anwendung des Schachtelprivilegs, nämlich bei Verlusten der Obergesellschaft, für diese günstige steuerliche Folgen entstehen können, kann einer Auslegung nicht entgegenstehen, die als dem Sinn des Gesetzes entsprechend erkannt ist. Gesetzliche Grundsätze oder Auslegungsregeln, die gegen eine solche änderung der Rechtsprechung sprächen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere besteht kein Anhalt zu der Annahme, daß in der Bundesrepublik eine Abschaffung oder grundsätzliche Einschränkung des Schachtelprivilegs auf gesetzlichem Wege bevorstehe. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, daß z. B. in dem Bericht des Steuer- und Finanzausschusses der EWG-Kommission (des sog. Neumark-Ausschusses) für die EWG-Staaten und den EWG-Raum vorgeschlagen wird, auch in Zukunft grundsätzlich das Schachtelprivileg zur Anwendung zu bringen, das nach Ansicht der Gutachter für den Fall der allgemeinen Einführung eines "gespaltenen" Körperschaftsteuersatzes durch eine durch Weiterausschüttung der Schachtelgewinne abwendbare Nachsteuer ergänzt werden müßte.
In einigen Punkten, auf die das Urteil des Bundesfinanzhofs I 189/59 S nicht eingegangen ist, hat sich im übrigen die Lage seit den früheren Erkenntnissen geändert. So sind seit Erlaß des Urteils des Reichsfinanzhofs I A 104/31 vom 29. September 1931 (a. a. O.) die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften in einem wichtigen Punkte geändert worden. Der Reichsfinanzhof sagt in seiner Entscheidung I A 104/31 unter anderem folgendes:
"Der Ausgangspunkt für die Feststellung der Grundsätze, nach denen bei Körperschaftsteuerpflichtigen der vortragsfähige, steuerfrei abzudeckende Verlust zu ermitteln ist, muß § 15 Abs. 2 KStG in der neuen Fassung sein. § 15 Abs. 2 nennt als anwendbare Vorschriften des KStG die § 14 bis 16 und 17 Nrn. 1 bis 3. Als anwendbar ist also die Vorschrift über das Schachtelprivileg des § 11 Nr. 3 nicht mitaufgezählt".
In der Tat regelte § 15 Abs. 2 KStG in der Fassung vom Jahre 1929 die Anwendung des Verlustabzugs (Verlustvortrags) bei Ermittlung des Einkommens von Körperschaften. Während auf andere näher aufgezählte Bestimmungen des KStG Bezug genommen wurde, die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen waren, fehlte eine Verweisung auf § 11 Ziff. 3 KStG, der das Schachtelprivileg zum Inhalt hatte. Der wenigstens zum Teil sein Urteil tragende Schluß des Reichsfinanzhofs, der Wortlaut des Gesetzes gebiete hiernach eine Verrechnung von Schachteldividenden und abzugsfähigem (vortragsfähigem) Verlust, war darum damals begründet.
In dem für den vorliegenden Fall maßgebenden § 15 KStDV 1958, der im wesentlichen schon in den KStDV 1949 enthalten war, ist unter den bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer anzuwendenden Vorschriften des EStG in Ziff. 1 der § 10d (früher § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG) über den Verlustabzug aufgeführt. Weder eine Vorschrift des KStG noch § 15 Ziff. 1 KStDV noch § 10 d EStG enthalten aber irgendeine Einschränkung in bezug auf das Schachtelprivileg, wie sie der Reichsfinanzhof aus der Bestimmung des § 15 Abs. 2 KStG 1929 entnehmen konnte. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich also für die Verrechnung von Schachteldividenden und abzugsfähigen Verlusten keine Handhabe mehr.
Eine andere wichtige änderung der Gesetzgebung nicht nur gegenüber dem Urteil des Reichsfinanzhofs, sondern auch gegenüber dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 46/50 U ist die Einfügung des § 9 Abs. 3 KStG durch das Gesetz von 1954. Denn erst hierdurch konnte sich bei Beibehaltung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs die Möglichkeit einer beträchtlichen Härte in den Fällen ergeben, in denen das Schachtelprivileg infolge der Verrechnung mit Verlusten nicht zur vollen Auswirkung kam, aber streng genommen dennoch eine Nachsteuer hätte erhoben werden müssen (vgl. oben II).
Auch an der Auffassung im Urteil I 189/59 S (a. a. O.), der Gesetzgeber habe die Rechtsprechung zur Frage Verlustvortrag und Schachteldividende in seinen Willen aufgenommen, da er bei einer änderung der Gesetzesmaterie die streitige Frage nicht besonders geregelt habe, hält der Senat für den vorliegenden Fall nicht fest. Er geht vielmehr davon aus, daß, auch wenn der Gesetzgeber ein Gesetz zum Teil ändert, die ständige Rechtsprechung eines oberen Bundesgerichts zu einer im wesentlichen unverändert gebliebenen Vorschrift nicht ohne weiteres als gesetzlich bestätigt und damit durch die Rechtsprechung nicht mehr nachprüfbar gelten kann, wenn ein hierauf gerichteter Wille des Gesetzgebers nicht in irgendeiner Form zum Ausdruck gekommen ist. Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß der Gesetzgeber in solchen Fällen eine Auslegungsfrage nach wie vor der Rechtsprechung überlassen will. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers aber, sich festzulegen, kann regelmäßig nicht als gegeben angesehen werden. Infolgedessen werden aus einem bloßen Schweigen oder Unterlassen des Gesetzgebers - schon im Hinblick darauf, daß dieser (Bundestag und Bundesrat) sich nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland nur in den bestimmten Formen des Gesetzgebungsverfahrens wirksam äußern kann - regelmäßig keine Schlüsse gezogen werden können. Jedenfalls läßt sich im vorliegenden Falle ein Schluß in der Richtung, daß die bisherige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs in der Frage des Verlustvortrags in Verbindung mit dem Schachtelprivileg nach dem Willen des Gesetzgebers aufrechterhalten werden solle, weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus der Neufassung des § 9 KStG einwandfrei ziehen. Es wäre vielleicht gerechtfertigt, wenn die Anregung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages, bei Verlusten der Obergesellschaften von der Nachsteuer des § 9 Abs. 3 KStG abzusehen, sich durchgesetzt und im Gesetz ihren Niederschlag gefunden hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Es bedarf unter diesen Umständen auch keines Eingehens auf die Frage, ob von einer ständigen Rechtsprechung schon dann gesprochen werden muß, wenn, wie im vorliegenden Fall, außer dem letzten Urteil des Bundesfinanzhof I 189/59 S vom 15. November 1960 (a. a. O.) nur zwei Rechtssprüche vorlagen, von denen das Urteil des Reichsfinanzhofs I A 104/31 vom 29. September 1931 (a. a. O.) auf einer inzwischen geänderten Vorschrift beruhte, dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 46/50 U vom 16. Januar 1951 (a. a. O.) als U- Urteil aber keine grundsätzliche Bedeutung zukam.
Schließlich hat der Senat gegen eine änderung der Rechtsprechung auch nicht deshalb Bedenken, weil die bisherige Rechtsprechung die Grundlage von wesentlichen Dispositionen der beteiligten Kreise gebildet habe (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 84/60 U vom 24. Februar 1961, BStBl III S. 188, Slg. Bd. 72 S. 515). Es mag Fälle geben, in denen der Wegfall der Nachsteuer für die Steuerpflichtigen jedenfalls zeitweise günstigere Wirkungen haben würde als die volle Gewährung des Schachtelprivilegs auch in Verlustfällen. Die Steuerpflichtigen konnten sich aber angesichts der Rechtslage und der Verwaltungsübung, die in den KStR 1958 Ziff. 40 Abs. 4 klar zum Ausdruck kamen, keinesfalls darauf einstellen und berufen, daß bei Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Erhebung einer Nachsteuer nicht zu erwarten sei.
IV. Nach alledem ist § 9 KStG so auszulegen, wie es sein Wortlaut und Zweck gebieten, um so mehr als diese Auslegung keineswegs zu einem unverständlichen oder widersinnigen Ergebnis führt, im Gegenteil eine gleichmäßige Anwendung des Gesetzes gewährleistet. Dieser Auslegung entspricht, daß Schachteldividenden Verluste der Obergesellschaften nicht mindern und auch insoweit außer Ansatz bleiben, daß also § 9 Abs. 1 KStG die Schachteleinnahmen von der Besteuerung ausnimmt und als sachliche Steuerbefreiung wirkt, die im Falle eines Verlustes der Obergesellschaften über den Verlustabzug auch spätere Veranlagungszeiträume berührt.
Bleiben in Abweichung von dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 189/59 S (a. a. O.) die auf die Schachtelbeteiligung entfallenden Gewinnanteile auch insoweit außer Ansatz, als sie den Verlust der Obergesellschaft (Bgin.) nicht mindern, so sind die Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 KStG für die Erhebung der Nachsteuer unstreitig erfüllt. Gegen die Höhe der Nachsteuer sind keine Bedenken erhoben worden; Mängel der Veranlagung sind nicht erkennbar. Da die Körperschaftsteuer im Streitjahr mit 0 DM festgestellt ist, die Ausführungen unter II. auf die Höhe der Steuer des Streitjahres also keinen Einfluß haben, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410867 |
BStBl III 1963, 464 |
BFHE 1964, 394 |
BFHE 77, 394 |
BB 1963, 1165 |
DB 1963, 1417 |
DStR 1962/63, 713 |