Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerpflicht eines Schiffahrtsunternehmens mit ausländischem Manager oder Korrespondentreeder: Betriebsstätte, Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, steuerliche Behandlung einer Partenreederei
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Schiffahrtsunternehmen kann sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung in den Geschäftsräumen eines ausländischen Managers oder Korrespondentreeders befinden. Maßgeblich sind die vom FG festzustellenden tatsächlichen Umstände.
Orientierungssatz
1. Bei einem Schiffahrtsunternehmen können für die Frage des Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung die Bereederung durch den von einer Partenreederei bestellten Korrespondentreeder einerseits und durch den von einer KG beauftragten "Manager" andererseits bei gleicher Aufgabenstellung (steuerlich) nicht unterschiedlich behandelt werden (Ausführungen zu einzelnen für die Beurteilung maßgeblichen "tatsächlichen Umständen").
2. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird. Folglich kommt es darauf an, an welchem Ort alle für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Maßgebend sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Die insoweit für Kapitalgesellschaften geltenden Grundsätze (vgl. hierzu BFH-Rechtsprechung) sind grundsätzlich auch bei einer Personengesellschaft anzuwenden.
3. Bei einer Personengesellschaft wird sich der Mittelpunkt der Geschäftsleitung regelmäßig an dem Ort befinden, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende Geschäftsführertätigkeit entfalten. Die Verhältnisse bei den nicht zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschaftern sind nur dann bedeutsam, wenn sie die laufenden Geschäfte maßgebend beeinflussen. Der Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis auf einen Gesellschafter entspricht bei einer Partenreederei die Bestellung eines Korrespondentreeders.
4. Die Partenreederei ist steuerlich einer OHG gleichzustellen. Nach den Vorschriften des UmwG ist weder ein Formwechsel noch eine Verschmelzung unter Beteiligung einer Partenreederei vorgesehen.
5. Bei einer GmbH & Co. KG befindet sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung regelmäßig dort, wo der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH überwiegend die maßgebenden Entscheidungen für die KG trifft. Ist dieser verpflichtet, zu bestimmten Geschäften --im Sinne der "über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehenden" Handlungen im Sinne des § 164 HGB-- die Beschlußfassung der Kommanditisten einzuholen, so ist ein derartiger Vorbehalt dennoch nicht geeignet, den -- mehr durch das Tagesgeschäft als durch die gesellschaftsrechtlichen Kontroll- oder Weisungsbefugnisse bestimmten-- Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung vom geschäftsführenden Komplementär auf die Kommanditisten zu verlagern.
6. In den Geschäftsräumen des Korrespondentreeders, der die "Tagesgeschäfte" einer Partenreederei vornimmt, befindet sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, sofern nicht die Mitreeder ständig von ihrem in § 496 HGB vorgesehenen Recht Gebrauch machen, durch Beschlüsse leitend in die laufenden Reedereigeschäfte einzugreifen. Dabei kann es dem Grundsatz nach keinen Unterschied machen, ob der Korrespondentreeder (wie im Streitfall) zugleich Mitreeder ist oder nicht.
7. Der "Mittelpunkt" der geschäftlichen Oberleitung kann sich naturgemäß nur an einem Ort befinden. Werden die laufenden Geschäfte des Unternehmens von verschiedenen Personen ausgeführt, ist demnach zu gewichten.
Normenkette
AO 1977 §§ 10, 12 Sätze 1, 2 Nr. 1; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GewStG 1984 § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 5 Abs. 1 S. 3; UmwG § 191 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1 (Klägerin zu 1), eine mit Wirkung auf den 1. Januar 1990 aufgelöste und mittlerweile im Handelsregister gelöschte GmbH & Co. KG, und die mit Wirkung auf den 1. Januar 1990 gegründete Klägerin und Revisionsbeklagte zu 2 (Klägerin zu 2), eine Partenreederei, waren nacheinander Eigentümerinnen eines Motorschiffs. Gesellschafter der Klägerin zu 1 waren die Reederei X-GmbH als Komplementärin sowie die OHG X Reederei und Schiffahrtskontor (später X-GmbH & Co). und die Z-Lebensversicherungs AG als Kommanditisten. Mitreeder der Klägerin zu 2 waren die beiden vormaligen Kommanditistinnen.
Durch Gesellschafterbeschluß vom 1. Dezember 1987 hatte die Klägerin zu 1 die Aufgaben des Bereederers (Managers) mit Wirkung vom 1. Oktober 1987 auf die X. Ltd., Isle of Man (X-IOM), übertragen. Zu diesem Zwecke wurde ein Managementvertrag geschlossen, in dem die Pflichten des Bereederers aufgeführt waren. Allerdings war die Verpflichtung des Bereederers zur Befrachtung des Schiffes suspendiert, weil die Klägerin zu 1 diese Aufgabe bereits im Jahre 1986 dem U-Pool übertragen hatte. Beim U-Pool handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die aus zahlreichen Ein-Schiffs-Gesellschaften der X-Gruppe und der Y-Gruppe bestand. Verwaltet wird der Pool durch einen Pool-Sekretär, die U-GmbH mit Sitz in Hamburg, deren Gesellschafter die Reederei X-GmbH und eine Gesellschaft aus dem Bereich der Y-Gruppe sind. Der Pool schließt mit den Ladungsanbietern Verträge über die Befrachtung der im Pool befindlichen Schiffe. Der Pool hatte in erster Linie den Zweck, zu verhindern, daß die großen Befrachter die Frachtraten infolge der Konkurrenz drückten.
Im November 1989 wechselte das Management über das Schiff von X-IOM auf die Fa. L. Ltd., Limassol/Zypern, deren Alleingesellschafterin die X-GmbH & Co. war.
Nachdem das Eigentum am Motorschiff 1990 auf die Klägerin zu 2 übergegangen war, wurde die C. Ltd., Limassol, die Nachfolgefirma der L. Ltd., zum Korrespondentreeder bestellt. Zuvor war ihr eine Schiffspart übertragen worden.
Dem Manager bzw. ab 1990 dem Korrespondentreeder oblagen nach der Ausgliederung der Befrachtung alle übrigen mit dem Betrieb des Schiffes zusammenhängenden Aufgaben, wie die Sorge für technische Instandhaltung, Proviant und Treibstoff, der Verkehr mit Hafen- und Schiffahrtsbehörden und Versicherungen, die Personalverwaltung und die Buchführung. Auch die Abrechnung und der Zahlungsverkehr mit den Befrachtern lief über den Manager bzw. den Korrespondentreeder.
Die Gesellschafter- bzw. Reederversammlungen der Klägerinnen fanden ca. einmal jährlich in Hamburg statt. Auf diesen Versammlungen wurde auch über etwaige Einschüsse beschlossen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ für die Streitjahre Gewerbesteuermeßbetrags- und Gewerbesteuerbescheide. Hiergegen wandten sich die Klägerinnen nach erfolglosem Einspruch mit ihren Klagen, die das Finanzgericht (FG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden hat.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, sie seien nicht gewerbesteuerpflichtig, weil sie keine Betriebsstätte im Inland unterhielten. In Hamburg würden lediglich die notwendigen Gesellschafterbeschlüsse gefaßt. Alle Maßnahmen des laufenden Geschäftsverkehrs seien bis 1990 von den Managern, seitdem vom Korrespondentreeder vom Ausland aus vorgenommen worden. Dort befinde sich die Geschäftsleitung als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Die Manager bzw. der Korrespondentreeder hätten selbständig gehandelt, bzw. handelten selbständig. Sie unterhielten ein voll eingerichtetes Büro mit zahlreichem Personal und wickelten auch den gesamten Zahlungsverkehr mit den Banken ab. Daß ein Teil der Geschäftsleitung, nämlich die Befrachtung des Schiffes auf den im Inland tätigen Pool übertragen sei, führe nicht dazu, daß die Klägerinnen im Inland eine Betriebsstätte unterhielten. Der Pool werde auch nicht von den Klägerinnen aus im Inland gesteuert. Vielmehr liege die Befrachtungstätigkeit beim Pool-Sekretär, einer GmbH, zu deren Gesellschaftern auch der X-Gruppe nicht zugehörige Personen gehörten. Daß die Manager, bzw. jetzt der Korrespondentreeder sich eines Crewing-Managers zur Beschaffung der Besatzung, insbesondere der Mannschaftsdienstgrade, bedienten, sei nicht außergewöhnlich und sachgerecht, da die Mannschaften im wesentlichen aus Asiaten bestünden, so daß es erforderlich sei, einen asiatischen Crewing-Manager einzuschalten.
Das FG gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 1034 veröffentlichten Urteil statt.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.
Die Revisionsbegründung ist drei Tage nach Ablauf der (verlängerten) Revisionsbegründungsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Das FA hat daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und geltend gemacht, die Revisionsbegründung sei zusammen mit den Akten drei Tage vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zur Post gegeben worden. Es habe darauf vertraut, daß dieses Paket innerhalb der von der Post publizierten regulären Laufzeit (48 Stunden) --spätestens jedoch am dritten Tag nach Absendung-- den BFH erreichen werde.
Entscheidungsgründe
A. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist war dem FA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung wird auf das in der Parallelsache ergangene Zwischenurteil vom 7. Mai 1996 VIII R 60/95 (BFH/NV 1997, 34) Bezug genommen.
B. Die Revision ist indessen nicht begründet.
I. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klagen, insbesondere gegen die Klagebefugnis der beiden Klägerinnen.
1. Die Klägerin zu 1 ist klagebefugt, weil gegen sie (zulässigerweise) Gewerbesteuermeßbescheide und Gewerbesteuerbescheide ergangen sind. Die Klägerin zu 2 ist nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an ihre Stelle getreten. Nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (UmwG) ist weder eine Verschmelzung noch ein Formwechsel unter Beteiligung einer Partenreederei vorgesehen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 191 Abs. 2 UmwG; vgl. auch Schwarz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 1 UmwG Rdnr. 28).
2. Hinsichtlich der Streitjahre ab 1990 ist die Klägerin zu 2 als Steuerschuldnerin klagebefugt (§ 5 Abs. 1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--). Die Partenreederei ist steuerlich einer OHG gleichzustellen (BFH-Urteil vom 21. August 1961 I 32/61 U, BFHE 73, 643, BStBl III 1961, 500; vgl. auch Gosch in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 5 GewStG Rdnr. 47; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, § 5 Rdnr. 6).
II. In der Sache selbst ist die Entscheidung des FG, derzufolge die Klägerinnen in den Streitjahren nicht der deutschen Gewerbesteuerpflicht unterlagen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, sofern er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG).
Betriebsstätte ist gemäß § 12 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerinnen weder im Inland noch auf einem deutschen Seeschiff eine feste Geschäftseinrichtung i.S. des § 12 Satz 2 Nr. 2 bis 8 AO 1977 unterhalten haben (vgl. etwa Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 12 AO 1977 Tz. 3; Obermeier in Blümich, a.a.O., § 2 GewStG Rdnr. 861). Mithin kam es darauf an, wo sich die Stätte der Geschäftsleitung der Klägerinnen befand.
1. Nach § 10 AO 1977 ist die Geschäftsleitung definiert als der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung.
Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird (Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 23. Juni 1938 III 40/38, RStBl 1938, 949; BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 I R 22/90, BFHE 164, 164, BStBl II 1991, 554). Folglich kommt es darauf an, an welchem Ort alle für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden (RFH-Urteil vom 25. Juli 1935 III A 98/35, RStBl 1935, 1366; BFH-Urteile vom 17. Juli 1968 I 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695; vom 26. Mai 1970 II 29/65, BFHE 99, 553, BStBl II 1970, 759; Tipke/Kruse, a.a.O., § 10 AO 1977 Tz. 1; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 10 AO 1977 Rdnr. 14; Klein/ Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 10; Lechner in Festschrift für Stoll, 1990, 395, 397). Maßgebend sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls (einhellige Auffassung seit RFH-Urteil vom 16. Juni 1931 I A 462/30, RFHE 29, 78, RStBl 1931, 848; zuletzt BFH-Urteil vom 7. Dezember 1994 I K 1/93, BFHE 176, 253, BStBl II 1995, 175; Birk in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, a.a.O.; Tipke/Kruse, a.a.O.).
2. Im Streitfall ist zunächst zu klären, nach welchen Kriterien der Ort der geschäftlichen Oberleitung einer Personengesellschaft zu bestimmen ist.
a) Zu Kapitalgesellschaften vertritt der BFH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, für die Annahme einer Geschäftsleitung im Inland genüge es nicht, daß die inländischen Gesellschafter ihren gesellschaftsrechtlichen Einfluß auf die im Ausland befindlichen gesetzlichen Vertreter ausübten. Erforderlich sei vielmehr, daß die inländischen Gesellschafter die tatsächliche Geschäftsleitung dadurch völlig an sich zögen, daß sie den laufenden Geschäftsgang nicht nur beobachteten, kontrollierten und fallweise beeinflußten, sondern ständig in die Tagespolitik der Gesellschaft eingriffen und dauernd die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erforderlichen Entscheidungen von einigem Gewicht selbst träfen (BFH-Urteile in BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695, und in BFHE 99, 553, BStBl II 1970, 759). Zur laufenden Geschäftsführung gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, und solche organisatorischen Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören ("Tagesgeschäfte"). Zu ihnen gehören nicht die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Gesellschafter an ungewöhnlichen Maßnahmen bzw. an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung (BFH-Urteil in BFHE 176, 253, BStBl 1995, 175).
b) Bei einer Personengesellschaft gilt entgegen der Auffassung des FA nichts grundsätzlich anderes. Bei ihr wird sich der Mittelpunkt der Geschäftsleitung regelmäßig an dem Ort befinden, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende Geschäftsführertätigkeit entfalten.
aa) Bei einer OHG sind zwar grundsätzlich alle Gesellschafter vertretungsberechtigt, der Gesellschaftsvertrag kann jedoch etwas anderes bestimmen (§ 125 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches --HGB--). Ist letzteres der Fall, sind die Verhältnisse bei den nicht ermächtigten Gesellschaftern nur dann bedeutsam, wenn sie die laufenden Geschäfte maßgebend beeinflussen (BFH-Urteil vom 29. April 1987 X R 6/81, BFH/NV 1988, 63).
bb) Die Partenreederei ist --wie eingangs erwähnt-- steuerlich der OHG vergleichbar (BFH-Urteil in BFHE 73, 643, BStBl III 1961, 500). Der Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis auf einen Gesellschafter entspricht bei der Partenreederei die Bestellung eines Korrespondentreeders (§ 492 HGB). Sie ist heutzutage angesichts der zunehmend weit verstreut ansässigen und schiffahrtsunkundigen Mitreeder (Kapitalgeber) allgemein üblich (Ruhwedel, Die Partenreederei, 1973, 224). Die Vertretungsbefugnis des Korrespondentreeders (§ 493 HGB) bleibt allerdings hinter der des geschäftsführungsbefugten OHG-Gesellschafters (§ 125 HGB) zurück, da der erstgenannte mit Wirkung für die Gesellschaft nur solche Geschäfte vornehmen darf, die der Geschäftsbetrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt. Es kann jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß die "Tagesgeschäfte" vom Korrespondentreeder vorgenommen werden. Somit befindet sich in seinen Geschäftsräumen der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, sofern nicht die Mitreeder ständig von ihrem in § 496 HGB vorgesehenen (§ 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - -GmbHG-- vergleichbaren) Recht Gebrauch machen, durch Beschlüsse leitend in die laufenden Reedereigeschäfte einzugreifen (von der letztgenannten Fallgestaltung geht offenbar der Senatsbeschluß vom 12. November 1959 IV B 130/58, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1963, 70 aus). Dabei kann es dem Grundsatz nach keinen Unterschied machen, ob der Korrespondentreeder (wie im Streitfall) zugleich Mitreeder ist oder nicht. Er ist in jedem Fall Vertretungsorgan der Reederei (vgl. K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, 35).
cc) Bei einer GmbH & Co. KG wie der Klägerin zu 1, deren Geschäftsführerin die Komplementär-GmbH ist, kommt es regelmäßig darauf an, wo deren Geschäftsführer überwiegend die maßgebenden Entscheidungen für die KG trifft (Birk in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, a.a.O.; Schwarz, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 10 AO 1977 Rdnr. 4) Der Streitfall weist die Besonderheit auf, daß die Geschäftsführung mit Vertrag vom 10. November 1989 einer ausländischen Kapitalgesellschaft als "Manager" übertragen war. Die Aufgaben des Managers umfaßten folgende Aufgaben:
-
Abwicklung von Charterpartien oder anderer Verträge,
die die Beschäftigung des Schiffes betreffen,
-
Einstellung und Bereitstellung von Besatzungen sowie
die Sorge um alle Aspekte, die Disziplin,
Arbeitsbeziehungen und Wohlergehen der Besatzung und
Arbeitsklima betreffen,
-
Verproviantierung und Ausrüstung,
-
Abschluß von Bunker- und Schmierölverträgen,
-
Ernennung von Schiffsagenten,
-
Abwicklung des Ladens und Löschens sowie anderer durch
den Handel des Schiffes erforderlichen Dienste,
-
Abschließen sämtlicher Schiffsversicherungen in
Abstimmung mit den Weisungen der Eigner,
-
Aufnahme des Schiffs in "Protecting and
Indemnity-Defense-Clubs
(Schutzgemeinschaften) in Abstimmung mit den Weisungen
der Eigner,
-
Bearbeitung aller Versicherungen, Havarien, Bergungen,
-
Inkasso aller Frachteinnahmen und anderer mit dem
Schiff zusammenhängenden Erträge im Namen des Eigners,
-
Zahlung aller Aufwendungen, die durch die
Bereitstellung der obigen Dienste und der vernünftigen
und effizienten Schiffsbereederung entstehen.
Dieser Aufgabenkatalog entspricht --abgesehen davon,
daß er möglicherweise die Befrachtung nicht umfaßte--
im wesentlichen der in § 493 Abs. 2 HGB enthaltenen
Aufstellung der typischen Aufgaben eines
Korrespondentreeders. Daher sind auch für die
Beantwortung der Frage, wo sich der Mittelpunkt der
geschäftlichen Oberleitung befindet, dieselben
Erwägungen maßgeblich, die für die Bestimmung des
Ortes der Geschäftsleitung bei Bestellung eines
Korrespondentreeders zu beachten sind (s.o. B. II. 2.
b bb). Es ist also nicht bereits wegen des im Recht
der Personengesellschaften geltenden Grundsatzes der
Selbstorganschaft von vornherein ausgeschlossen, daß
sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung in
den Büroräumen des gesellschaftsfremden Managers oder
Bereederers befindet. Da es in diesem Zusammenhang auf
die tatsächlichen Gegebenheiten ankommt, können die
Bereederung durch den von einer Partenreederei
bestellten Korrespondentreeder einerseits und durch
den von einer KG beauftragten "Manager" andererseits
bei gleicher Aufgabenstellung (steuerlich) nicht
unterschiedlich behandelt werden (Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 10 AO 1977 Tz. 1 a.E.; Birk in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 10 AO 1977 Rdnr.
24; a.A. möglicherweise FG Hamburg, Urteil vom 24.
Oktober 1986 I 170/83, EFG 1987, 413, rkr.).
3. Es kommt demnach für die Beurteilung des Ortes der
Geschäftsleitung beider Klägerinnen darauf an, ob
tatsächlich einer der in Hamburg ansässigen
Gesellschafter, nämlich die Reederei X-GmbH (bei der
Klägerin zu 1) oder die X-GmbH & Co. die laufenden
Geschäfte maßgeblich beeinflußt haben.
Der vom FG festgestellte Sachverhalt, an den der Senat
mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen
gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
--FGO--), läßt ausreichende Anhaltspunkte hierfür
nicht erkennen.
a) Das FA kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen,
daß bereits die Komplementär-GmbH der Klägerin zu 1
für bestimmte, im Gesellschaftsvertrag vom 18. März
1974 näher bezeichnete Rechtshandlungen die
Beschlußfassung der Kommanditisten einzuholen hatte.
Es handelte sich dabei um folgende Geschäfte:
-
jede mehr als sechs Monate währende Frachtvertrags-
oder sonstige Beschäftigungsbindung des Schiffes,
-
die Vornahme außergewöhnlicher Reparaturen, Um- oder
Einbauten, soweit diese einen Aufwand von 200 000 DM
übersteigen,
-
die Aufnahme von Darlehen oder die Eingehung von
Bürgschaften,
-
der Abschluß von Kaskoversicherungen,
-
der Verkauf des Schiffes.
Diese Vertragsbestimmung beinhaltet im wesentlichen
eine Konkretisierung des Begriffs der "über den
gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes
hinausgehenden" Handlungen i.S. des § 164 HGB.
Derartige Vorbehalte sind nicht geeignet, den
Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, die --wie
ausgeführt-- mehr durch das Tagesgeschäft als durch
die gesellschaftsrechtlichen Kontroll- oder
Weisungsbefugnisse bestimmt wird (s.o. B. II. 2.), vom
geschäftsführenden Komplementär auf die Kommanditisten
zu verlagern. Das hat auch das FA nicht angenommen.
Dann aber können diese Vorbehalte entgegen der
Auffassung des FA auch nicht als Indiz dafür
herangezogen werden, daß der Mittelpunkt der
geschäftlichen Oberleitung auf die X-GmbH & Co. als
Kommanditistin übergegangen ist, nachdem ausländische
Manager mit der Geschäftsführung beauftragt worden
waren.
b) Dasselbe gilt für den in § 3 des
Korrespondentreedervertrags vom 12. April 1990
enthaltenen Katalog der über den gewöhnlichen
Geschäftsbetrieb hinausgehenden Geschäfte, der der im
KG-Vertrag vom 18. März 1974 enthaltenen Aufstellung
im wesentlichen entspricht.
Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist
auch nicht etwa deshalb beder Reederei X-GmbH (bei der
Klägerin zu 1) oder der X-GmbH & Co. verblieben, weil
mit der Befrachtung des Schiffes der U-Pool beauftragt
war, diese Tätigkeit also nicht vom "Manager" bzw.
Korrespondentreeder ausgeführt wurde. Der
"Mittelpunkt" der geschäftlichen Oberleitung kann sich
naturgemäß nur an einem Ort befinden (Lechner, a.a.O.,
401). Werden die laufenden Geschäfte von verschiedenen
Personen ausgeführt, ist demnach zu gewichten. Wie
sich aus der Aufteilung der Managementvergütungen
ergibt, machte die Befrachtung 40 v.H. der
Bereederungstätigkeiten aus. Deswegen und wegen der
Vielfalt der verbleibenden Aufgaben konnte das FG ohne
Rechtsverstoß davon ausgehen, daß der Mittelpunkt der
Geschäftsleitung nicht auf den Befrachter übergegangen
ist. Das gilt selbst unter Berücksichtigung des
Umstandes, daß sich der Mittelpunkt der
Geschäftsleitung des Pool-Sekretärs (U-GmbH)
möglicherweise bei der Reederei X-GmbH befand. Denn
das FG hat nicht festgestellt, daß die Reederei X-GmbH
nach Abschluß des ersten Managementvertrags noch
irgendwelche Geschäftsführungsbefugnisse für die
Klägerin zu 1 ausgeübt hätte, die sich dann mit der
Befrachtung kumuliert hätten. Erst recht kann die
Ausgliederung der Befrachtungsaufgaben nicht als Indiz
dafür angesehen werden, daß der Mittelpunkt der
Geschäftsleitung der Klägerinnen auf die X-GmbH & Co.
als Kommanditistin bzw. Mitreederin übergegangen ist.
d) Der Mittelpunkt der Geschäftsleitung der
Klägerinnen ist auch nicht deshalb auf die X-GmbH &
Co. als Kommanditistin bzw. Mitreederin übergegangen,
weil sich die Manager bzw. der Korrespondentreeder mit
der Anheuerung der --vorwiegend philippinischen--
Besatzungsmitglieder ausländischer Firmen, sog.
Crewing-Manager, bedienten. Für die Beantwortung der
Frage, wo sich der Mittelpunkt der geschäftlichen
Oberleitung eines Schiffahrtsunternehmens befindet,
kann es keinen Unterschied machen, ob die
Heuerverträge unmittelbar mit den einzelnen
Besatzungsmitgliedern oder en bloc mit einem
Arbeitnehmerverleiher abgeschlossen werden. Es gibt
auch keinerlei Anzeichen dafür, daß die
Anstellungsverträge mit den leitenden
Schiffsoffizieren von der X-GmbH & Co. abgeschlossen
worden sind. Der von den Klägerinnen vorgelegte
Vertrag vom 28. Oktober 1991 weist als Vertragspartner
den Korrespondentreeder und den angestellten Kapitän
aus und ist auch von diesen Personen unterschrieben.
Der Umstand, daß der Ort der Unterzeichnung nicht
genannt ist, ist als Indiz für eine Einflußnahme der
X-GmbH & Co. ungeeignet.
Der in diesem Zusammenhang gerügte Verfahrensmangel
liegt nicht vor. Das FG war nicht verpflichtet, von
den Klägerinnen "Protokolle und Unterlagen" zu
verlangen, die "Aufschluß über die Einstellung von
Kapitänen und Offizieren" hätten geben können. Etwas
anderes gelte nur dann, wenn sich die Notwendigkeit
einer entsprechenden Aufforderung dem FG hätte
aufdrängen müssen (Tipke/Kruse, a.a.O., § 76 FGO Tz. 7
c, m.w.N.). Davon kann jedoch im Streitfall keine Rede
sein, da es keinerlei Anhaltspunkte dafür gab, daß die
Auswahl der leitenden Offiziere von der X-GmbH & Co.
getroffen wurde. Zudem hat das FG ausweislich des
Protokolls des Erörterungstermins vom 1. November 1994
die Klägerinnen aufgefordert, die Unterlagen, die die
Bemannungspraxis des in Rede stehenden Schiffes
betreffen, vorzulegen. Die Klägerinnen haben daraufhin
u.a. den Anstellungsvertrag vom 28. Oktober 1991
vorgelegt und ferner unter Bezugnahme auf einen
entsprechenden zypriotischen Zeitungsbericht darauf
hingewiesen, daß die Büroräume des
Korrespondentreeders im Jahre 1990 ausgebrannt seien,
wobei zahlreiche Unterlagen vernichtet worden seien.
e) Schließlich spricht auch der Umstand, daß das
Bankkonto des Korrespondentreeders in Hamburg geführt
wurde, nicht dafür, daß die X-GmbH & Co. maßgeblichen
Einfluß auf die laufenden Geschäfte genommen hätte.
Ausweislich der von den Klägerinnen vorgelegten
Unterschriftskarte, waren allein die Geschäftsführer
des Korrespondentreeders verfügungsberechtigt. Etwas
anderes hat auch das FA nicht behauptet.
4. Die Vermutung des FA, die X-GmbH & Co. habe in
Wirklichkeit die wesentlichen für die Geschäftsführung
notwendigen Maßnahmen selbst getroffen, basiert
offenbar auf der Vorstellung, daß diese Gesellschaft
die Aufgaben des Korrespondentreeders ebensogut selbst
habe übernehmen können und zudem dem anderen
Mitreeder, der Z-Lebensversicherungs-AG, gegenüber der
zuverlässigere Partner gewesen sei. Selbst wenn das
zutreffen sollte, kommt es hierauf nicht an. Ebensogut
wie die X-GmbH & Co. und die Z-Lebensversicherungs-AG
die Reederei X-GmbH als Komplementärin mit der
Geschäftsführung der KG betrauen konnten, konnten sie
ausländische Firmen aus der X-Gruppe zu Managern bzw.
zum Korrespondentreeder bestellen. Gerade die
gesellschaftsrechtliche Einflußmöglichkeit der X-GmbH
auf diese ausländischen Firmen zeigt, daß es ständiger
Eingriffe in die laufende Geschäftsführung nicht
bedurfte, um eine ordentliche Bereederung des Schiffes
sicherzustellen. Diesen Gesichtspunkt hebt auch das FA
hervor. Es zieht allerdings hieraus die unzutreffende
Folgerung, daß als Voraussetzung für die Annahme des
Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung beim
Gesellschafter einer Personengesellschaft nicht
verlangt werden dürfe, daß er durch ständige Weisungen
in die laufende Geschäftsführung eingreife. Die
Rechtsprechung ist --wie dargestellt-- einen anderen
Weg gegangen. Hieran ist festzuhalten. Nur durch die
Unterscheidung zwischen konkret ausgeübter
Geschäftsführung einerseits und abstrakter
Weisungsbefugnis andererseits läßt sich der
Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung hinlänglich
genau auf einen einzigen Ort festlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 66277 |
BFH/NV 1998, 400 |
BFH/NV 1998, 400-403 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 86 |
BFHE 184, 185 |
BFHE 1998, 185 |
BB 1998, 205 |
BB 1998, 205 (Leitsatz) |
DB 1998, 659 |
DB 1998, 659 (Leitsatz) |
DStRE 1998, 60 |
DStRE 1998, 60-63 (Leitsatz und Gründe) |
DStZ 1998, 301-302 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1998, 262 |
StE 1998, 38 |