Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Beiträge für die gemeindliche Kanalisation sind in der Regel zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens zu rechnen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 5
Tatbestand
Zu entscheiden ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1960, wie ein Sonderbeitrag für die gemeindliche Kanalisation einkommensteuerrechtlich zu behandeln ist und ob eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert in Betracht kommt.
Die Revisionsklägerin (Stpfl.) ist Erbin ihres 1963 verstorbenen Ehemannes (Erblasser), mit dem sie im Streitjahr zusammen veranlagt wurde. Der Erblasser war Inhaber eines Kurheims. Im Streitjahr errichtete er für das Kurheim ein weiteres Gebäude. Um dessen sofortigen Anschluß an die Kanalisation zu erreichen, verpflichtete er sich gegenüber der Stadt, neben dem ordentlichen Anliegerbeitrag für die Kanalisation von 4457 DM einen weiteren Betrag von 20 000 DM zu zahlen. Ohne den Sonderbeitrag hätte die Stadt die Kanalisation zum Kurheim nicht schon im Streitjahr durchgeführt, so daß der Erblasser seinen Neubau damals noch nicht hätte errichten können. Für die Unterhaltung der Kanalisation mußte die Stadt aufkommen.
Nach einer Betriebsprüfung aktivierte das FA den Betrag von 20 000 DM, den der Erblasser als Betriebsausgabe voll abgezogen hatte, ebenso wie den ordentlichen Kanalisationsbeitrag von 4457 DM beim Grund und Boden. Die vom Erblasser statt des Einspruchs eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Stpfl., die als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 115 FGO), ist nicht begründet.
Der Erblasser war nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 5 EStG verpflichtet, den Sonderbeitrag für die Kanalisation beim Grund und Boden zu aktivieren. Bei der Vereinbarung zwischen dem Erblasser und der Stadt handelte es sich um einen Vertrag über die Leistung eines Beitrages für den Anschluß des Grundstücks an die Kanalisation. Solche Vereinbarungen zur Regelung von atypischen Einzelfällen werden allgemein für zulässig gehalten (vgl. Rehm- Bosch, Kommunalabgabengesetz für Baden-Württemberg 1964, Anm. 10 und 11 zu § 2). Da die Vereinbarung eine Ergänzung der Ortssatzung darstellt (vgl. Rehm-Bosch, a. a. O.), ist sie öffentlich-rechtlicher Natur. Das FG behandelte den zwischen der Stadt und dem Erblasser vereinbarten Beitrag deshalb zu Recht ebenso wie den vom Erblasser gezahlten allgemeinen Kanalisationsbeitrag von 4457 DM.
Ob Beiträge für die Kanalisation auch dann beim Grund und Boden zu aktivieren sind, wenn der Grundstückseigentümer und nicht die Gemeinde für die Unterhaltung der Kanalanlage aufzukommen hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden, weil im vorliegenden Fall die Stadt die Unterhaltungspflicht trifft.
Daß Beiträge für die Kanalisation beim Grund und Boden zu aktivieren sind, ergibt sich für Baden-Württemberg im Streitjahr aus dem baden-württembergischen Gesetz über die Erhebung von Anliegerbeiträgen vom 11. Januar 1960 (Gesetzblatt für Baden- Württemberg 1960 S. 1). Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 2 dieses Gesetzes rechnet die Beiträge für Abwasseranlagen zu den Anliegerbeiträgen. Die Rechtslage für Kanalbeiträge ist demnach die gleiche wie für Straßenanliegerbeiträge (jetzt Erschließungsbeiträge nach § 127 des Bundesbaugesetzes - BBauG - vom 23. Juni 1960, BGBl I S. 341), die zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören (vgl. BFH-Urteil VI 100/63 S vom 18. September 1964, BFH 81, 233, BStBl III 1965, 85). Die Kanalisationsbeiträge werden ebenso wie die Straßenanliegerbeiträge für Anlagen entrichtet, die außerhalb des Grundstücks liegen. Erstellt die Gemeinde und nicht der Grundstückseigentümer auch die auf dem Grundstück befindlichen und in das Haus hineinreichenden Abwasseranlagen, werden dafür neben dem Kanalisationsbeitrag Geldleistungen gefordert, bei denen es sich nicht um Beiträge, sondern um öffentlich-rechtliche Erstattungsleistungen handelt (vgl. Urteile des Oberverwaltungsgerichts - OVG - Münster, Kommunale Steuer- Zeitschrift - KStZ - 1963 S. 122, und des OVG Lüneburg, KStZ 1963 S. 124, sowie Rehm-Bosch, a. a. O., Anm. 3 zu § 10). Der Wert des Grund und Bodens steigt durch die Anlagen, für die der Kanalisationsbeitrag entrichtet worden ist, ohne Rücksicht darauf, ob das Gebäude später zerstört oder abgerissen wird. Hinzu kommt, daß nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 11. Januar 1960 selbst Eigentümer bebaubarer, aber noch nicht bebauter Grundstücke zur Leistung eines Beitrages für Abwasseranlagen, der als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht (§ 1 Abs. 2 dieses Gesetzes) herangezogen werden können. Auch insoweit ist die Rechtslage die gleiche wie beim Erschließungsbeitrag, der ebenfalls schon vor der Bebauung des Grundstücks gefordert werden kann (§ 133 Abs. 1 BBauG) und als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht (§ 134 Abs. 2 BBauG).
Der Ansicht des VI. Senats des BFH, der auf Anfrage des erkennenden Senats mitgeteilt hat, daß er den Kanalisationsbeitrag im vorliegenden Fall ebenfalls zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens rechnen würde, Kosten des Anschlusses an die gemeindliche Kanalisation seien grundsätzlich als Herstellungskosten des Gebäudes anzusehen (BFH-Urteil VI 249/64 U vom 6. August 1965, BFH 83, 317, BStBl III 1965, 615), folgt der Senat nicht.
Beiträge für die Kanalisation werden nicht für auf dem Grundstück befindliche Abwasseranlagen bezahlt, wie oben ausgeführt wurde. Der Senat ist auch nicht der Ansicht, daß für die Bewohnbarkeit eines Hauses zwar eine Entwässerungsanlage, aber nicht die mit den Straßenanliegerbeiträgen finanzierten Anlagen notwendig sind. Auch ein Haus, das keinen Zugang zu Straße hat, ist nicht benutzbar. Das ergibt sich aus den §§ 29, 30 und 35 BBauG, nach denen die Errichtung von Gebäuden, selbst im Außenbereich, d. h. außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplanes (§ 19 Abs. 2 BBauG), nur zulässig ist, wenn die Erschließung gesichert ist. Zu den Erschließungsanlagen gehören Straßen, Wege, Plätze und bestimmte Parkflächen und Grünanlagen (§ 127 Abs. 2 BBauG).
Die Ansicht, daß der Beitrag für die Kanalisation zu den Herstellungskosten des Gebäudes zu rechnen ist, kann auch nicht auf § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. 1 EStG 1958 in Verbindung mit § 79 EStDV 1958 gestützt werden. Denn nach diesen Vorschriften sind Sonderabschreibungen nur für solche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens des Steuerpflichtigen zulässig, die unmittelbar und ausschließlich dazu dienen, Schädigungen durch Abwässer zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern. Die - außerhalb des Grundstücks des Steuerpflichtigen liegenden - Kanalisationsanlagen gehören weder zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen noch dienen sie zur Verhinderung, Beseitigung oder Verringerung der Schädigungen durch Abwässer, sondern nur zu Ableitung der Abwässer (Vgl. auch die Erlasse der Länder zu den bezeichneten Vorschriften im BStBl 1956 II S. 78-82 und 84).
Gegen die Auffassung des Senats spricht auch nicht § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. q EStG 1961 in der Fassung des Steueränderungsgesetzes (StändG) 1964 (BGBl I S. 885, BStBl 1964 I S. 553), nach dem die Bundesregierung ermächtigt ist, durch Rechtsverordnung Vorschriften über erhöhte Absetzungen für Abnutzung für den Anschluß an die Kanalisation zuzulassen. Denn diese Vorschrift kann sich nur auf solche Anlagen beziehen, die sich im Eigentum des Steuerpflichtigen, also auf seinem Grundstück oder in seinem Gebäude, befinden.
Da der vom Erblasser gezahlte Sonderbeitrag zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehört, durfte er ihn nicht als laufende Betriebsausgabe behandeln. Eine Abschreibung des Grund und Bodens auf den niedrigeren Teilwert (§ 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG) kommt nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) schon deshalb nicht in Betracht, weil der Buchwert des Grund und Bodens von 64 248 DM unter dem Teilwert lag.
Fundstellen
Haufe-Index 412228 |
BStBl III 1967, 600 |
BFHE 1966, 710 |
BFHE 86, 710 |
DStR 1966, 769 |