Leitsatz (amtlich)
Der VIII. Senat des BFH schließt sich der Rechtsprechung des IV. und VI. Senats in den Urteilen IV 290/63 vom 3. August 1966 (BFH 86, 710, BStBl III 1967, 600) und VI R 302/66 vom 24. November 1967 (BFH 91, 42, BStBl II 1968, 178), wonach Kanalanschlußkosten beim Grund und Boden und nicht beim Gebäude anzusetzen sind, auch für den Fall an, daß sich der gemeindliche Kanalbaubeitrag des Grundstückseigentümers nach der Bebauung des Grundstücks richtet.
Normenkette
EStG §§ 7, 9
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer eines im Jahre 1953 erworbenen Einfamilienhauses, das im Streitjahr 1964 vermietet war und dessen Abwässer in eine Sickergrube geleitet wurden. Im Jahre 1964 wurde das Anwesen an die gemeindliche Kanalisation angeschlossen. Die Gesamtkosten des Anschlusses betrugen 3 733,50 DM. Von diesem Betrag entfielen 1 299 DM auf die vom Kläger anteilig zu tragenden Kosten des Hauptstranges der gemeindlichen Kanalisation. Diesen einmaligen Beitrag zur Herstellung des gemeindlichen Kanalnetzes hat das FA als nachträgliche Anschaffungskosten für den Grund und Boden behandelt. Der Kläger begehrte unter Hinweis auf die Urteile des BFH VI 249/64 U vom 6. August 1965 (BFH 83, 317, BStBl III 1965, 615) und VI 186/65 vom 6. August 1965 (HFR 1966, 70), die gesamten Anschlußkosten als Werbungskosten anzuerkennen. Das FG wies seine Klage mit folgender Begründung ab:
Die Beiträge, die die Grundstückseigentümer nach der Gemeindesatzung für die Errichtung und die Bereitstellung des für den Anschluß ihrer Häuser in Betracht kommenden Kanalisationsstranges der Gemeinde als Anlieger entrichten müßten, gehörten im Gegensatz zu den Anschlußkosten ihres Anwesens an eine solche gemeindliche Kanalisation zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens, also nicht zum Aufwand für die Herstellung oder Erhaltung des Gebäudes. Die Beiträge seien im weiteren Sinne ein Teil der allgemeinen Erschließungskosten des Grundstücks, die auf keinem Rechtsgebiet als Gebäudekosten gelten könnten. Gemäß dem BFH-Urteil IV 290/63 vom 3. August 1966 (BFH 86, 710, BStBl III 1967, 600) sei die Rechtslage für Kanalisationsbeiträge im Grunde dieselbe wie bei den Straßenanliegerbeiträgen, die nach der Rechtsprechung auch zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gerechnet würden (BFH-Urteil VI 100/63 S vom 18. September 1964, BFH 81, 233, BStBl III 1965, 85). Die in den Urteilen des BFH VI 249/64 U und VI 186/65 vertretene Auffassung werde nicht geteilt. Durch die Zustimmung zum Urteil IV 290/63 habe der VI. Senat seine frühere Auffassung in gewissem Sinne berichtigt.
Der Kläger begründet seine vom FG zugelassene Revision wie folgt:
Im vorliegenden Falle wurden nach der Satzung des Zweckverbandes Kanalanschlußbeiträge lediglich von den Eigentümern bebauter Grundstücke erhoben. Grundlage für die Bemessung der Beiträge seien die überbaute Fläche und die Geschoßzahl. Der Kanalanschlußbeitrag hänge demnach so eng mit den Gebäudekosten zusammen, daß er von vornherein nicht zu den Kosten der Anschaffung des Grund und Bodens gerechnet werden könne; er stelle vielmehr lediglich einen Aufwand für das Gebäude dar.
Außer dem einmaligen Beitrag für die Herstellung der Kanalisation müßten die Hauseigentümer laufende Gebühren für die Benutzung der Kanalisation entrichten. Diese Gebühren seien zur Unterhaltung und Erneuerung der Anlage bestimmt, trügen also den laufenden Wertverzehr.
Der Kanalanschlußbeitrag sei im vorliegenden Falle Aufwand für die Erhaltung, nicht für die Herstellung des Gebäudes gewesen. Gemäß dem BFH-Urteil VI 161/60 U vom 23. Juni 1961 (BFH 73, 370, BStBl III 1961, 401) sei durch den Anschluß an die Kanalisation das Gebäude lediglich im ordnungsgemäßen Zustand erhalten, nicht aber in seiner Wesensart verändert und nicht über den ursprünglichen Zustand hinaus verbessert worden. Der Wegfall der Notwendigkeit, die Sickergrube regelmäßig entleeren zu lassen, stelle zwar einen Vorteil dar. Aber dieser sei nicht annähernd vergleichbar mit den Vorteilen der Umstellung einer unbrauchbar gewordenen Zentralheizung von der Koks- auf Ölfeuerung, deren Kosten der BFH im Urteil VI 179/60 S vom 23. Juni 1961 (BFH 73, 374, BStBl III 1961, 403) als Erhaltungsaufwand anerkannt habe. Die zwangsweise stillgelegte Sickergrube sei als wirtschaftlich verbraucht anzusehen.
Es sei nicht gerechtfertigt, aus der behaupteten Zustimmung des VI. Senats zum Urteil IV 290/63 zu schließen, der VI. Senat habe seine in den Urteilen vom 6. August 1965 dargelegte Auffassung in gewissem Sinne berichtigt. Denn der vom IV. Senat entschiedene Streitfall habe insofern anders gelegen, als die Pflicht zur Unterhaltung der Kanalisationsanlage die Stadt getroffen und der Revisionskläger einen Sonderbeitrag geleistet habe, um den sofortigen und außerplanmäßigen Anschluß seines Grundstücks an das Kanalnetz der Stadt zu erreichen. Der VI. Senat habe allerdings im Urteil VI R 302/66 vom 24. November 1967 (BFH 91, 42, BStBl II 1968, 178) an den im Urteil VI 249/64 U enthaltenen Grundsätzen nicht mehr festgehalten und den Kanalanschlußbeitrag zu den Aufwendungen für den Grund und Boden gerechnet. Die Begründung des Urteils VI R 302/66 sei jedoch nicht überzeugend.
Da die Sickergrube wertlos geworden sei, müsse ggf. geprüft werden, ob deshalb gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG eine Absetzung für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung in Betracht komme.
Der Kläger hat beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer für 1964 auf 2 292 DM festzusetzen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FA hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz.
Der Vorinstanz ist darin beizutreten, daß die Aufwendungen des Klägers für die Herstellung des Kanals durch die Gemeinde unter der Straße (Kanalanschlußbeitrag) nicht zu den Herstellungskosten des vermieteten Einfamilienhauses des Klägers gehören. Im Urteil VI 249/64 U begründete der BFH seine Auffassung, die Kosten für den Kanalanschluß seien Aufwendungen auf das Gebäude, damit, sie seien den zum Grund und Boden zu rechnenden Straßenanliegerbeiträgen nicht vergleichbar. Von der Zahlung der letzteren hänge die bestimmungsgemäße Benutzung des Gebäudes nicht ab, während die Beiträge zur Errichtung des Kanals als Aufwendungen für die Entwässerungsanlagen zum Bewohnen des Hauses notwendig seien.
Im Anschluß an des BFH-Urteil IV 290/63, in dem bereits der Grundsatz einer gleichartigen Behandlung von Straßenanliegerbeiträgen und Kanalanschlußbeiträgen aufgestellt wurde, gab auch das Urteil VI R 302/66 die gegenteilige Auffassung des Urteils VI 249/64 U ausdrücklich auf, und nahm an, daß die Kanalbaubeiträge nicht anders als die Straßenanliegerbeiträge (§§ 127 ff. BBauG) behandelt werden könnten. Es folgte damit im wesentlichen der Stellungnahme des zum damaligen Verfahren beigezogenen BdF. Der unter der Straße gebaute Kanal der Gemeinde stehe, so wird in der Entscheidung weiter ausgeführt, mit den anliegenden Häusern nicht in unmittelbarem und unlöslichem Zusammenhang, die Aufwendungen hierfür erhöhten - im Gegensatz zu den für die Anschlußleitung vom Haus zum Kanal aufgewendeten Kosten (Hausanschlußkosten) - ein für allemal den Wert des Grund und Bodens.
Den Sachverhalten der beiden Urteile IV 290/63 und VI R 302/66 läßt sich nicht entnehmen, nach welchen Grundsätzen im einzelnen der Kanalanschlußbeitrag bemessen und erhoben wurde, ob nur nach Maßgabe des durch den Kanal berührten Grund und Bodens, oder, wie im Streitfall, nach der bebauten Fläche und Geschoßhöhe (§ 33 der Zweckverbandssatzung). Nach Meinung des erkennenden Senats kommt es hierauf nicht an. Denn die durch die genannten Urteile ausgesprochene Gleichstellung des Kanalbaubeitrags mit den Straßenanliegerbeiträgen bejaht der Senat. In beiden Fällen handelt es sich um Maßnahmen der Gemeinde zur Verbesserung der Infrastruktur, die zwar im einen Fall mehr der Benutzbarkeit der Grundstücke im allgemeinen, also auch ohne daß diese bebaut sind, im anderen Falle noch zusätzlich der besonderen Benutzbarkeit der Grundstücke zugute kommen, die im Bebauen besteht. Dieser Unterschied erscheint dem Senat jedoch nicht so wesentlich, daß eine unterschiedliche steuerliche Beurteilung der Straßenanliegerbeiträge und des fraglichen Kanalbaubeitrags gerechtfertigt wäre. In beiden Fällen nämlich ist Anspruchsberechtigter der Grundstückseigentümer, der gleichzeitig Verpflichteter zur Erbringung der Beitragsleistung ist (§§ 9, 31 der Zweckverbandssatzung). Wenn der Kanalbaubeitrag im Streitfall gleichwohl nur erhoben wird, wenn das Grundstück, das an das Kanalnetz angeschlossen ist, bebaut ist und nach Maßgabe der Intensität der Bebauung, so ist dies nur ein Maßstab, nach dem das Eigentum am Grundstück mit der öffentlichen Last des Beitrags zur Herstellung der öffentlichen Entwässerungsanlage (§ 32 der Zweckverbandssatzung) herangezogen wird. Der Grundstückseigentümer ist in jedem Fall der Beitragsverpflichtete, gleichgültig, ob er auch der bürgerlich-rechtliche oder der wirtschaftliche Eigentümer des für den Erhebungszeitpunkt und für die Höhe des Beitrags maßgebenden Bauwerks ist. Es kann nach alledem nach Auffassung des erkennenden Senats für die steuerliche Beurteilung keinen Unterschied machen, ob die Beiträge nur nach Merkmalen der unbebauten Grundstücke (z. B. Straßenfrontbreite, Fläche) oder nur nach der Intensität der Bebauung oder nach beidem erhoben und bemessen werden. Zwar läßt sich nicht bestreiten, daß die Kanalherstellung vorzugsweise den bebauten Grundstücken zugute kommt, die Abwässer produzieren, insbesondere den Wohngrundstücken. Dieser Anlaß der Durchführung der Kanalisation sagt aber nichts darüber aus, daß die Beiträge zu den Herstellungskosten der Gebäude zu rechnen wären. Denn in erster Linie dient die Verlegung des Kanals der besseren Nutzbarmachung des Grundstücks selbst, mag diese auch speziell in der Bebauung bestehen. Die Aufwendungen, die dem Grundstückseigentümer durch die Leistung des öffentlich-rechtlichen Kanalbaubeitrags erwachsen, sind ganz allgemein als werterhöhende, den Grund und Boden besser benutzbar machende Aufwendungen anzusehen. Sie können daher nicht bei den Herstellungskosten des Gebäudes berücksichtigt werden.
Die Vorentscheidung muß gleichwohl aufgehoben und die Streitsache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Diese muß, da der Kläger vorher eine Sickergrube als Entwässerungsanlage auf seinem Grund und Boden benutzt hatte, noch prüfen, ob wegen des Wegfalls der Sickergrube eine Absetzung wegen außergewöhnlicher Abnutzung im Sinn des § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG gerechtfertigt ist (BFH-Urteil VI 161/60 U vom 23. Juni 1961.)
Fundstellen
Haufe-Index 413301 |
BStBl II 1972, 931 |
BFHE 1972, 516 |