Entscheidungsstichwort (Thema)
Kanalanschlußkosten
Leitsatz (NV)
Es ist ernstlich zweifelhaft, daß die Kosten für den Anschluß eines Gebäudes an die Kanalisation nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens sind, wenn vorher die Abwässer in eine Sickergrube geleitet wurden.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein . . . werk auf einem betriebseigenen Grundstück. In den Jahren 1975 und 1976 wurde im Zusammenhang mit Arbeiten an der am Betriebsgrundstück vorbeiführenden Kreisstraße erstmalig eine Kanalisation verlegt. Der Betrieb des Klägers wurde an das Kanalnetz angeschlossen. Die bis dahin zur Abwässerbeseitigung verwendete Sickergrube durfte der Kläger nicht mehr benutzen. Er zahlte für den Anschluß im Streitjahr 1976 . . . DM Anschlußgebühren.
Der Kläger behandelte die Kanalanschlußbeiträge als nachträgliche Herstellungskosten des Betriebsgebäudes und minderte den Gewinn um die Abschreibung. Nach einer Betriebsprüfung rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Beiträge den nachträglichen Anschaffungskosten des Grund und Bodens hinzu und erhöhte den Gewinn um die vorher berücksichtigte Absetzung für Abnutzung. Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1976 legte der Kläger erfolglos Einspruch ein. Über die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage ist noch nicht entschieden.
Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1976 lehnte das FA ab. Auch die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, es sei zweifelhaft, ob die Kanalanschlußgebühren nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens seien; denn es sei fraglich, ob durch sie der Wert des Grund und Bodens erhöht werde und ob sie grundstücksbezogen seien.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend, daß das FG-Urteil gegen die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteile vom 18. September 1964 VI 100/63 S, BFHE 81, 233, BStBl III 1965, 85; vom 6. Juli 1972 VIII R 20/72, BFHE 106, 311, BStBl II 1972, 790; vom 25. August 1982 I R 130/78, BFHE 136, 409, BStBl II 1983, 38) verstoße.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß es ernstlich zweifelhaft ist, ob der angefochtene Einkommensteuerbescheid rechtmäßig ist.
Die Finanzbehörde kann nach § 361 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 - (§ 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts auf Antrag aussetzen, falls ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Solche Zweifel sind anzunehmen, wenn gewichtige Umstände Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182).
Der BFH hat in dem Urteil vom 6. August 1965 VI 249/64 U (BFHE 83, 317, BStBl III 1965, 615) entschieden, daß die gesamten Kosten für den Anschluß eines Gebäudes an die gemeindliche Kanalisation Erhaltungsaufwendungen - also keine nachträglichen Anschaffungskosten auf den Grund und Boden - sind, wenn die Abwässerbeseitigung vor dem Anschluß durch eine Sickergrube erfolgte. Mit dem Urteil vom 24. November 1967 VI R 302/66 (BFHE 91, 42, BStBl II 1968, 178) hat der BFH diese Rechtsprechung hinsichtlich der an die Gemeinde zu zahlenden Kanalbaubeiträge aufgegeben. In dem nichtveröffentlichten Urteil vom 23. August 1968 VI R 58/68 hat der VI. Senat ausgesprochen, daß nach den im Urteil in BFHE 83, 317, BStBl III 1965, 615 entschiedenen Grundsätzen die Aufwendungen für die Modernisierung der Abwässerbeseitigungsanlagen eines Hauses, das bisher nur an eine Sickergrube angeschlossen war, zum Erhaltungsaufwand zu rechnen seien; daran habe der Senat auch in dem Urteil in BFHE 91, 42, BStBl II 1968, 178 festgehalten, soweit es sich um die baulichen Aufwendungen bis zum Anschluß an den öffentlichen Kanal der Gemeinde und die Gebühr für den Anschluß dieses Kanals handle. Nach den BFH-Urteilen vom 9. November 1976 VIII R 27/75 (BFHE 121, 179, BStBl II 1977, 306) und vom 13. September 1984 IV R 101/82 (BFHE 142, 247, BStBl II 1985, 49) sind die Kosten, die beim Ersatz einer Sickergrube durch Anschluß an den öffentlichen Kanal entstehen, Erhaltungsaufwendungen. In beiden Urteilen verweist der BFH auf das Urteil in BFHE 83, 317, BStBl III 1965, 615, ohne zwischen den Kanalanschlußgebühren und den Baukosten des Steuerpflichtigen zu unterscheiden.
Angesichts dieser Rechtsprechung ist es im Streitfall, in dem die vorhandene Sickergrube durch Anschluß an das Kanalnetz ersetzt wurde, ernstlich zweifelhaft, ob der angefochtene Einkommensteuerbescheid, der von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, rechtmäßig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 414186 |
BFH/NV 1986, 218 |