Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Betriebliche Versorgungsrenten, die ausscheidenden Gesellschaftern zugesagt werden, sind laufende Betriebsausgaben in den Jahren der Zahlung; ihr Kapitalwert darf nicht im Jahr der Vereinbarung passiviert werden.
Besonders hohe Aufwendungen für eine Frischzellenbehandlung können im allgemeinen nur in Höhe eines angemessenen Betrages als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. EStG 1955 § 4
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, §§ 5, 6/1/3, § 33
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1955, ob eine betriebliche Versorgungsrente, die einem ausscheidenden Gesellschafter zugesagt wurde, im Jahr der Zusage mit dem Kapitalwert passiviert werden kann und ob Krankheitskosten (Frischzellen-Therapie) als außergewöhnliche Belastung (ß 33 EStG) anzusetzen sind.
Der Steuerpflichtige war Alleininhaber einer Fabrik, die er bis Ende des Jahres 1953 zusammen mit der Gesellschafterin B. in der Form einer OHG betrieben hatte. B. schied mit Ablauf des Jahres 1953 aus dem Unternehmen aus. Im Vertrag vom 11. Dezember 1954 legten die Beteiligten das Auseinandersetzungsguthaben der B. in Höhe ihres Kapitalkontos und die Verzinsung fest. Darüber hinaus wurde B. bis 31. Dezember 1955 zur Abgeltung aller weiteren Ansprüche als stille Gesellschafterin mit einer Gewinnbeteiligung von 10 v. H. behandelt. Außerdem sollte B. ab 1. Januar 1956 eine monatliche Rente von 168 DM erhalten.
In der Bilanz zum 31. Dezember 1955 passivierte der Steuerpflichtige die Rentenverpflichtung mit dem nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechneten Betrag von 13 081 DM.
Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1955 machte der Steuerpflichtige Krankheitskosten in Höhe von 6244 DM, die ihm und seiner Ehefrau durch eine sogenannte Frischzellen-Therapie entstanden waren, als außergewöhnliche Belastung (ß 33 EStG) geltend.
Das Finanzamt sah die Rente an B. als betriebliche Versorgungsrente an und lehnte ihre Passivierung unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ab (Urteile VI A 1 und 2/31 vom 28. Juni 1932, RStBl 1932 S. 935; VI 456/39 vom 26. Juni 1939, RStBl 1939 S. 1120; VI 91/40 vom 7. Mai 1941, RStBl 1941 S. 553; VI 362, 363/41 vom 15. Juli 1942, RStBl 1942 S. 900). Von den geltend gemachten Krankheitskosten berücksichtigte das Finanzamt nur einen Betrag von 2000 DM, weil die Frischzellen-Therapie eine Kur sei, deren Notwendigkeit nur durch eine amtsärztliche Bescheinigung hätte dargetan werden können. Eine solche Bescheinigung habe der Steuerpflichtige nicht beigebracht.
Der Einspruch hatte in den Streitpunkten nur insofern Erfolg, als der Steuerausschuß den als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Betrag auf 3000 DM erhöhte.
Die Berufung des Steuerpflichtigen hatte nur im ersten Streitpunkt Erfolg.
Das Finanzgericht, dessen Entscheidung in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1962 S. 343 veröffentlicht ist, billigte die Behandlung der B. zugesagten Rente als betriebliche Versorgungsrente, da sie im betrieblichen Interesse gewährt sei und nicht das Entgelt für Wirtschaftsgüter darstelle. Bei ihr stünden die Gesichtspunkte einer Belohnung für die dem Betriebe geleisteten Dienste und der Fürsorgegedanke im Vordergrund (Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 629/38 vom 12. Oktober 1938, RStBl 1939 S. 122). Das Finanzgericht ließ aber die Passivierung des Kapitalwerts der Versorgungslast zu, da die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs den inzwischen gewonnenen Erkenntnissen über die Passivierung solcher Lasten nicht mehr gerecht werde. Die großzügigere Passivierungsmöglichkeit bilde einen gewissen Ausgleich für die im Zuge der Entwicklung des neueren Bilanzsteuerrechts unter dem Gesichtspunkt der dynamischen Bilanzbetrachtung erhöhte Aktivierungspflicht. Es sei nicht ersichtlich, weshalb Pensionszusagen an langjährige Angestellte anders als an ausscheidende Gesellschafter behandelt werden müßten, obgleich es sich in beiden Fällen um eine Anerkennung für geleistete Dienste unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Fürsorge handele.
Zur Frischzellenbehandlung führte das Finanzgericht aus, daß die Aufwendungen zwar außergewöhnlich, aber nicht in voller Höhe zwangsläufig gewesen seien. Auch die Höhe der dem Grunde nach außergewöhnlichen Aufwendungen sei unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit zu prüfen (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 14/54 U vom 21. März 1958, BStBl 1958 III S. 329, Slg. Bd. 67 S. 146). Bei der Beurteilung der Aufwendungen für eine Frischzellen-Therapie sei zu berücksichtigen, daß es sich um eine medizinisch noch nicht allgemein anerkannte, für Beamte nicht beihilfefähige und Sozialversicherten nicht gewährte Therapie handele. Bei einer herkömmlichen Behandlung wären die Kosten wesentlich geringer gewesen. Nur in Höhe dieser zu schätzenden geringeren Kosten könne die außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Gegen die Schätzung des Steuerausschusses bestünden keine Bedenken.
Gegen die Vorentscheidung legten der Vorsteher des Finanzamts Rb. und der Steuerpflichtige Anschlußbeschwerde ein. Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich gegen die Passivierung der Versorgungslast im Streitjahr. Der Steuerpflichtige begehrt die Anerkennung der geltend gemachten Krankheitskosten in voller Höhe.
Entscheidungsgründe
Die Anschlußbeschwerde des Steuerpflichtigen ist unbegründet. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach der in der Vorentscheidung angeführten ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der der Bundesfinanzhof beigetreten ist (vgl. Urteile I 347/56 U vom 8. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 440, Slg. Bd. 65 S. 535; VI 346/62 U vom 3. Juli 1964, BStBl 1964 III S. 548) ist die Last, die durch eine betriebliche Versorgungsrente begründet wird, nicht zu passivieren. Die Rentenzahlungen belasten vielmehr als laufender Betriebsaufwand das Wirtschaftsjahr, in dem sie geleistet werden. Das entspricht dem wirtschaftlichen Gehalt und dem mit der Versorgungsrente erstrebten Zweck, den ausgeschiedenen Gesellschafter an dem künftigen Ertrag des Unternehmens zu seiner Versorgung angemessen zu beteiligen. Das entspricht auch den Grundsätzen der dynamischen Bilanzbetrachtung. Es würde zu einer Verzerrung des Bilanzbildes führen, wenn man dem Jahr des Ausscheidens den größten Anteil der Last aufbürden wollte, die Renten keine Gegenleistung für übertragene Wirtschaftsgüter darstellen, sondern aus dem Gedanken der Fürsorge aus dem laufenden Ertrag des Unternehmens aufgebracht werden sollen. Der Hinweis des Finanzgerichts, die betriebliche Versorgungsrente sei mit der passivierungsfähigen Pensionsanwartschaft eines ausscheidenden Arbeitnehmers vergleichbar, rechtfertigt keine änderung der Rechtsprechung, denn Renten an ausscheidende Mitunternehmer und an ausscheidende Arbeitnehmer sind nach Rechtsgrund und nach wirtschaftlicher Bedeutung verschieden. Diese in der Entscheidung VI 346/62 U dargelegten Erwägungen macht sich der erkennende Senat zu eigen. Er hält die für die gegenteilige Auffassung sprechenden Gesichtspunkte nicht für so gewichtig, daß es gerechtfertigt wäre, von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die auch der kaufmännischen übung entspricht, abzugehen.
Der Steuerpflichtige hat einen Anspruch auf Steuerermäßigung, wenn ihm zwangsläufig außergewöhnliche Belastungen entstanden sind. Eine Belastung ist außergewöhnlich, wenn die Aufwendungen des Steuerpflichtigen größer sind als bei der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher wirtschaftlicher Verhältnisse (ß 33 Abs. 1 Satz 1 EStG 1955). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen u. a. aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (ß 33 Abs. 2 Satz 1 EStG 1955). Das Finanzgericht billigte hiernach dem Steuerpflichtigen ohne Rechtsirrtum eine Steuerermäßigung zu. Es berücksichtigte zutreffend, daß sich die vom Gesetz geforderte Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit nicht nur auf die seine Anwendung an sich begründenden Tatsachen, sondern auch auf die Höhe der Aufwendungen bezieht. Das bedeutet nicht, daß die Steuerbehörden zu prüfen hätten, ob die ärztliche Behandlung, durch die die geltend gemachten Kosten verursacht wurden, notwendig oder angemessen war und welche Kosten bei einer anderen Behandlungsart entstanden wären. Zu einer solchen Prüfung sind die Steuerbehörden weder befugt noch tatsächlich in der Lage.
Gleichwohl ist der Vorentscheidung im Ergebnis beizutreten. Denn auch Krankheitskosten dürfen mit Rücksicht auf die steuerliche Gleichmäßigkeit und soziale Gerechtigkeit nur insoweit berücksichtigt werden, als sie im Rahmen der steuerlichen Leistungsfähigkeit als angemessen und notwendig anzusehen sind (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats IV 412/60 vom 25. Oktober 1963, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 642). Krankheitskosten, die nur deshalb in außergewöhnlicher Höhe entstehen, weil es die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Steuerpflichtigen erlauben, sich einer besonders kostspieligen ärztlichen Behandlung zu unterziehen, die der überwiegenden Mehrheit der Steuerpflichtigen nicht zugänglich ist, können deshalb nur in Höhe eines zu schätzenden angemessenen Betrages zu einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG führen. Der Senat hält den von den Vorinstanzen als abzugsfähig angesehenen Betrag von 3000 DM für vertretbar.
Fundstellen
Haufe-Index 411464 |
BStBl III 1965, 91 |
BFHE 1965, 251 |
BFHE 81, 251 |
BB 1965, 152 |
DB 1965, 203 |
DStR 1965, 112 |