Entscheidungsstichwort (Thema)
Tierkörperbeseitigung durch private Dritte
Leitsatz (NV)
Übernimmt ein Unternehmer (Betreiber einer Tierkörperbeseitigungsanstalt) die Erfüllung einer gesetzlichen Pflichtaufgabe (Tierkörperbeseitigung) für eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft (Aufgabenträger), so erbringt er dadurch dem Aufgabenträger gegenüber eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 2; TierKBG 1939 §§ 5, 7 Abs. 2; TierKBG 1975 § 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte als Rechtsnachfolgerin eine Tierkörperbeseitigungsanstalt bis zum 31. Dezember 1977 fort. Durch sog. Unternehmerverträge - zuletzt vom 31. März 1970 - hatte X (eine Gebietskörperschaft) die ihr obliegende Beseitigung von Tierkörpern auf den Rechtsvorgänger der Klägerin übertragen. Grundlage der Verträge ist das Tierkörperbeseitigungsgesetz - TierKBG 1939 - vom 1. Februar 1939 (RGBl I 1939, 187), an dessen Stelle seit 7. September 1976 das Gesetz über die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen - TierKBG 1975 - vom 2. September 1975 (BGBl I 1975, 2313) getreten ist (vgl. § 21 Abs. 1 Nr.1 TierKBG 1975). X gewährleistete bei Nachweis ordnungsgemäßer Wirtschaftsführung die Erstattung eines nicht gedeckten Betriebsaufwandes. § 8 des Vertrages lautet:
,,(1) Der Aufgabenträger gewährleistet dem Unternehmer bei Nachweis ordnungsgemäßer Wirtschaftsführung die Erstattung des nicht gedeckten Betriebsaufwandes. Zu diesem zählt auch die Entschädigung für die Arbeitsleistung des Unternehmers in Höhe von .
. . DM jährlich. Reichen hierzu die Betriebseinnahmen nicht aus, so zahlt der Aufgabenträger auf Antrag des Unternehmers den fehlenden Betrag als Zuschuß (§ 11 Abs. 1, § 15 Abs. 4 der I.Durchführungsverordnung zum Gesetz) an den Unternehmer spätestens nach Ablauf von vier Monaten nach Beendigung des Geschäftsjahres. Geschäftsjahr ist das Steuerjahr des Unternehmers."
Für abgelieferte Tierkörper wurden den Tierbesitzern Vergütungen nach den jeweils geltenden Regelungen der Landschaftsverbände gezahlt. Die ausgezahlten Vergütungen wurden der Klägerin bzw. ihrem Rechtsvorgänger erstattet. Zu diesem Zweck wurden X am Ende eines jeden Monats Aufstellungen der gezahlten Vergütungen übersandt. Diese Aufstellungen reichte X an die beteiligten Landschaftsverbände weiter, die die Vergütungen sodann unmittelbar an den Unternehmer auszahlen (§ 11 des Vertrages).
Diesen Zahlungen liegt eine Vereinbarung vom 1. Januar 1965 zugrunde, wonach sich der Landschaftsverband . . . - Abteilung Tierseuchenkasse - u.a. auch gegenüber X bereit erklärt hat, Beihilfen zur Tierkörperbeseitigung an die Aufgabenträger zu zahlen. Die Höhe der Beihilfen entspricht den von der Tierkörperbeseitigungsanstalt für abgelieferte Tierkörper an die Tierbesitzer gezahlten Vergütungen zuzüglich eines Betrages von . . . DM je Vergütung. Voraussetzung war nach der Vereinbarung, daß der jeweilige Aufgabenträger seinerseits der Tierkörperbeseitigungsanstalt die von dieser an die Tierbesitzer gezahlten Beträge erstattet hatte oder erstattete; auf Wunsch konnte der Gesamtbetrag auch direkt der Tierkörperbeseitigungsanstalt überwiesen werden. Die von der Klägerin bzw. ihrem Rechtsvorgänger an die Tierbesitzer gezahlten Vergütungen für abgelieferte Tiere wurden direkt von der Tierseuchenkasse entsprechend den eingereichten monatlichen Aufstellungen erstattet.
Für den Umbau bzw. für Erweiterungen der Tierkörperbeseitigungsanstalt waren von X in den Jahren 1964 bis 1974 insgesamt . . . Darlehen gewährt worden. Das erste Darlehen über . . . DM war zinslos, die übrigen . . . Darlehen über . . . DM wurden zu einem gegenüber den Refinanzierungskonditionen von X günstigeren Zinssatz gewährt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unterwarf sowohl die Erstattungen für die gezahlten Vergütungen als auch die geldwerten Vorteile aus den Darlehensgewährungen der Umsatzsteuer. Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt vor: Zwischen ihr und X habe ein Leistungsaustausch nicht stattgefunden, weil sie X gegenüber nicht eines Entgelts wegen tätig geworden sei. Die Zahlungen von X seien vielmehr echte Zuschüsse.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG . . . aufzuheben sowie den Umsatzsteueränderungsbescheid für die Jahre 1974 bis 1977 . . . abzuändern und die Umsatzsteuer für die Streitjahre auf im einzelnen genannte Beträge festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen.
FA und FG gehen zutreffend davon aus, daß die Klägerin und ihr Rechtsvorgänger mit der Übernahme der Tierkörperbeseitigung von X als Aufgabenträger (dessen Pflichtaufgabe die Tierkörperbeseitigung gemäß § 5 TierKBG 1939 war) eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung an den Aufgabenträger ausgeführt haben.
1. Die Übernahme der Aufgabendurchführung durch den Rechtsvorgänger der Klägerin vom Aufgabenträger zuletzt auf Grund des Vertrags vom 31. März 1970 entsprach § 7 Abs. 2 TierKBG 1939, wonach die Aufgabenträger die Tierkörperbeseitigungsanstalten selbst betreiben oder durch vertraglich verpflichtete Unternehmer betreiben lassen können. Die Klägerin hat es (wie früher ihr Rechtsvorgänger) für den Aufgabenträger übernommen, Tierkörper und Tierkörperteile unschädlich zu beseitigen. Sie hat sich damit zu einer nachhaltigen Leistungstätigkeit an die Aufgabenträger verpflichtet.
2. Steuerbare Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr.1 des Umsatzsteuergesetzes führt ein Unternehmer aus, wenn sich seine Leistung auf den Erhalt einer (möglichen) - in der Regel vereinbarten - Gegenleistung richtet (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495). Das gilt auch, wenn ein privater Unternehmer Aufgaben kommunaler Gebietskörperschaften gegen Entgelt übernimmt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. August 1989 V R 154/84, BFH/NV 1990, 398, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1990, 147).
Daß die Klägerin (wie früher ihr Rechtsvorgänger) die sonstige Leistung (Durchführung der übernommenen Aufgaben) gegenüber dem Aufgabenträger zum Zweck der Entgeltserzielung ausführte, ergibt sich bereits aus dem Vertrag vom 31. März 1970, demzufolge der Aufgabenträger der Tierkörperbeseitigungsanstalt zur Gewährleistung einer sog. Entschädigung und zu Ausgleichszahlungen verpflichtet war. Der Aufgabenträger hat damit ein bestimmtes Betriebsergebnis gewährleistet und die Tätigkeit der Klägerin bzw. ihres Rechtsvorgängers als Ganzes entgolten. Die Bezeichnung der Zahlungen im Vertrag ist für ihre Einordnung als Gegenleistung für die sonstige Leistung der Klägerin unerheblich.
3. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1973 gehört zum Entgelt für die Leistung alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Die Aufwendungen von X als Leistungsempfänger an die Klägerin werden unabhängig von ihrer Bezeichnung aufgrund des Leistungsaustauschs zwischen ihr und X entrichtet und sind damit Entgelt für die jeweilige sonstige Leistung (vgl. schon BFH-Urteil vom 31. Januar 1961 V 75/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964, 180; vom 15. Oktober 1964 V 202/63 U, BFHE 80, 525, BStBl III 1964, 62). Die Zuwendung der geldwerten Vorteile durch Gewährung zinsloser und zinsgünstiger Darlehen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1991 V R 12/85, BFHE 164, 485, BStBl II 1991, 649) wie auch die Erstattungen hat das FG daher zu Recht als Leistungsentgelt angesehen. Das FG ist ebenfalls rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Zahlungen der Tierseuchenkasse X zuzurechnen sind und daß es sich dabei um keine bei der Klägerin nur durchlaufende Posten (§ 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1973) handelt; zwischen X und den Tierkörperbesitzern bestand kein Rechtsverhältnis, die Klägerin zahlte an letztere auf Grund eigener Verpflichtung (§ 9 TierKBG 1939, § 11 Abs. 1 des Vertrages mit X.
4. Ob und ggf. inwieweit auf Grund des in den Streitjahren 1976 und 1977 bereits geltenden § 4 TierKBG 1975 die Vereinbarung zwischen Klägerin und X anders zu beurteilen wäre, kann der Senat offenlassen. Denn die Beteiligten haben das TierKBG nicht zum Anlaß einer Änderung ihrer Verhältnisse genommen und sind auch für die Jahre 1976 und 1977 verfahren wie in den Jahren zuvor.
Fundstellen