Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tarifvergünstigung des § 8 Satz 1 Halbsatz 2 VStG steht nur dem Abgabeschuldner zu, in dessen Person die Vermögensabgabeschuld am 21. Juni 1948 entstanden ist.

 

Normenkette

VStG § 8

 

Tatbestand

Mit Kaufvertrag vom 30. August 1950 erwarb der Bf. von der Kommanditistin einer KG einen Kapitalanteil von 120.000 DM. Als Kaufpreis wurde die Zahlung von 60.000 DM und die übernahme der auf den erworbenen Kapitalanteil entfallenden Lastenausgleichsschuld vereinbart.

Streitig ist, ob der Bf. für die Vermögensteuerveranlagungen 1953 und 1954 in Höhe der übernommenen Vermögensabgabeschuld den begünstigten Steuersatz von 7,5 v. T. nach § 8 des Vermögensteuergesetzes (VStG) beanspruchen kann.

Das Finanzamt versagte dem Bf. die Vergünstigung unter Hinweis auf die Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1953 Abschnitt 120.

Die Berufung blieb erfolglos. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, daß die wesentlichen Vergünstigungen des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) höchstpersönliche Rechte des Abgabeschuldners seien, in dessen Person die Abgabeschuld entstanden sei. Der Entstehungsgeschichte des § 8 VStG, auf die sich der Bf. berufen hatte, lasse sich nichts anderes entnehmen.

In der Rechtsbeschwerde (Rb.) tritt der Bf. unter Wiederholung früheren Vorbringens der Auffassung des Finanzgerichts entgegen, daß alle wesentlichen Vergünstigungen des LAG nur dem Abgabepflichtigen zuständen. Die Auswirkungen bei der Vermögensabgabe und die bei anderen Steuern, z. B. Einkommensteuer, Vermögensteuer, seien verschieden. Bei der Vermögensabgabe sei zwischen solchen Vergünstigungen zu unterscheiden, die bereits bei der Ermittlung des Vierteljahresbetrages, z. B. Freibetrag, Kriegssachschäden, Vertreibungs- und Ostschäden, und solchen, die durch Verminderung des Vierteljahresbetrages, z. B. Familienermäßigung, Familienermäßigung für Heimkehrer usw., berücksichtigt würden. Aus einem Vergleich der einzelnen Vergünstigungen könne jedenfalls nicht allgemein gefolgert werden, daß nur der Abgabepflichtige auf alle wesentlichen Vergünstigungen des LAG Anspruch habe. Der Sinn der Tarifvergünstigung bestehe darin, daß Vermögen des Abgabeschuldners vermögensteuerlich zu schonen. Dies lasse sich aber nur dann erreichen, wenn die Tarifvergünstigung gleichzeitig mit dem übergang vermögensabgabepflichtigen Vermögens unter Ablösung der Vermögensabgabe übergehe. Im Gegensatz zur Auffassung des Finanzgerichts ergebe sich dies auch aus der Entstehungsgeschichte des § 8 VStG. Nach dem Entwurf des LAG auf Grund der Beschlüsse des Ausschusses für den Lastenausgleich sei bei der Ermittlung des vermögensteuerpflichtigen Vermögens für die Vermögensteuer der doppelte Abzug der Vermögensabgabeschuld durch den jeweiligen Vermögensabgabeschuldner zugelassen worden. Als Ausgleich für den in der dritten Lesung beschlossenen Abzug lediglich des Zeitwertes der Vermögensabgabe sei die Tarifvergünstigung in das Gesetz eingefügt worden. Dieser Zusammenhang sei durch die Herausnahme der ursprünglich im LAG geregelten Vermögensteuer durch den Vermittlungsausschuß nicht unterbrochen worden. Die beiden Vergünstigungen seien entsprechend dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das LAG übernommen worden. Hieraus gehe aber hervor, daß bei den gesetzgebenden Instanzen darüber Einigkeit geherrscht habe. Die VStR, die einen übergang der Tarifvergünstigung nicht zuließen, entsprächen deshalb nicht der Rechtslage.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat keinen Erfolg.

Nach § 8 VStG in der Fassung vom 10. Juni 1954 (BGBl I S. 137) beträgt die Vermögensteuer jährlich 1 v. H. des steuerpflichtigen Vermögens; sie beträgt jedoch nur jährlich 7,5 v. T. des steuerpflichtigen Vermögens, soweit dieses den Betrag der nach § 31 LAG festgesetzten Vermögensabgabeschuld nicht übersteigt. Von der in § 8 VStG eingeräumten Ermächtigung, durch Rechtsverordnung das Nähere zu bestimmen, ist bisher kein Gebrauch gemacht worden. Wie die Vorinstanz mit Recht ausgeführt hat, läßt sich aus dem Wortlaut des § 8 VStG nicht eindeutig entnehmen, ob bei einer übernahme der Abgabeschuld die Tarifvergünstigung beim Abgabepflichtigen verbleibt, oder ob sie auf den übernehmer der Abgabeschuld übergeht und insoweit diesem zusteht. Zwischen § 8 VStG und dem LAG besteht eine enge Verbundenheit. Dies geht schon rein äußerlich daraus hervor, daß die Vergünstigung im § 226 Ziff. 6 LAG geregelt ist. Mit dem LAG besteht aber auch insofern ein innerer Zusammenhang, als sich die Tarifvergünstigung nur auf das Vermögen bezieht, das den Betrag der nach § 31 LAG festgesetzten Vermögensabgabeschuld nicht übersteigt. Das Finanzgericht hat daher mit Recht ausgeführt, daß die Tarifvergünstigung eine Vergünstigung des LAG, und zwar eine mit der Vermögensabgabe zusammenhängende Vergünstigung darstellt.

Bei der Entscheidung der Frage, ob eine im Zusammenhang mit der Vermögensabgabe zustehende Vergünstigung bei Veräußerung vermögensabgabepflichtigen Vermögens auf den Erwerber übergeht, kann deshalb das Wesen der Vermögensabgabe als einmalige, auf dem Stichtagsprinzip beruhende Vermögensabgabe, die den Charakter einer Personensteuer hat, nicht außer Betracht bleiben. Daraus ergibt sich aber, daß alle Vermögensänderungen, insbesondere die Veräußerungen von Vermögensgegenständen nach dem 21. Juni 1948, grundsätzlich für die Zahlungsverpflichtung bedeutungslos sind. Andererseits werden Vergünstigungen, die einem Abgabepflichtigen nach der Zusammensetzung seines Vermögens zustehen, durch die Veräußerung des die Vergünstigung begründenden Gegenstandes nicht berührt (vgl. Kühne-Wolff, Lastenausgleichsgesetz, Ausgabe A, S. 73). Ebenso bleiben änderungen der Stichtagsverhältnisse grundsätzlich auf die Abgabepflicht ohne Einfluß. Daran kann auch nichts ändern, daß sich bei den aus sozialen Gründen gewährten Familienermäßigungen die Höhe dieser Ermäßigungen nach den jeweiligen Vermögens- und Familienverhältnissen bestimmt (vgl. §§ 53, 55, 57 LAG). Diese Grundsätze werden auch nicht dadurch beeinflußt, daß im Einzelfalle die Verpflichtung zur Entrichtung der Vermögensabgabe von einem anderen übernommen werden kann.

Demnach ergibt sich aus dem Charakter der Vermögensabgabe, daß die im Zusammenhang mit ihr gewährten Vergünstigungen grundsätzlich bei dem verbleiben, der am Stichtage der Abgabepflicht unterlegen hat. Es kann deshalb die mit der Vermögensabgabe zusammenhängende Tarifvergünstigung des § 8 VStG gleichfalls nur derjenige geltend machen, der am 21. Juni 1948 mit seinem Vermögen vermögensabgabepflichtig geworden ist. Würde, wie der Bf. meint, die Vergünstigung auch demjenigen zustehen, der als Erwerber eines vermögensabgabepflichtigen Gegenstandes die anteilige Vermögensabgabeschuld übernommen hat, so würde dies dem Grundsatz widersprechen, daß die Vermögensabgabe als Personen- und nicht als Objektsteuer ausgestaltet ist. Diese Charakterisierung führt aber zu dem Ergebnis, daß Vergünstigungen im Zusammenhang mit der Vermögensabgabe nicht an den der Abgabepflicht unterliegenden Vermögensgegenstand gebunden sind, sondern dem Abgabepflichtigen zustehen (vgl. Weckerle-Dürschke, Vermögensteuergesetz, 3. neubearbeitete Auflage, S. 160).

Gegen die Auffassung des Bf. spricht ferner, daß dann, worauf Gürsching-Stenger, Vermögensteuergesetz, 1. bis 2. Auflage, § 8 Anm. 6, mit Recht hinweisen, jeder übergang von Wirtschaftsgütern, die der Vermögensabgabe unterlegen haben, genau verfolgt werden müßte, damit am Stichtage der Vermögensteuerveranlagung zuverlässig ermittelt werden könnte, ob und inwieweit der Steuerpflichtige Vermögen besitzt, für das auf den 21. Juni 1948 eine Vermögensabgabeschuld festgesetzt worden ist. Dadurch würde aber die Praktikabilität des § 8 VStG, der bei der Auslegung von Steuergesetzen eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 125/57 S vom 28. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 191, Slg. Bd. 66 S. 497), erheblich in Frage gestellt.

Diese Auslegung entspricht auch dem Sinne der Vergünstigung. Danach soll demjenigen, dessen Vermögen mit Vermögensabgabe belastet worden ist, in Höhe dieser Belastung bei der Vermögensteuer der günstigere Tarif von 7,5 v. T. zugute kommen. Im Streitfalle ist aber die Veräußerin des Kommanditanteils im wirtschaftlichen Ergebnis mit der Vermögensabgabe belastet geblieben, weil ihr ein um die Vermögensabgabe verminderter Kaufpreis gezahlt worden ist. Andererseits ist der Bf. wirtschaftlich mit der Vermögensabgabe deshalb nicht belastet, weil er für die übernahme der Vermögensabgabe einen entsprechend geringeren Kaufpreis gezahlt hat.

Diese Beurteilung widerspricht auch nicht der Entstehungsgeschichte des § 8 VStG, wie der Bf. meint. Es trifft zwar zu, daß die Abzugsfähigkeit der Vermögensabgabe bei der Vermögensteuer und die Tarifvergünstigung bei der Beratung des Gesetzes insofern in einem gewissen Zusammenhange gestanden haben, als an Stelle des ursprünglich vorgesehenen Abzuges der doppelten Vermögensabgabeschuld in der dritten Lesung des LAG lediglich nur mehr der Abzug des jeweiligen Zeitwertes der Vermögensabgabe zugelassen und als Ausgleich dafür die Tarifvergünstigung in das Gesetz eingefügt worden ist. Aus der Tatsache, daß der Abzug der Vermögensabgabe beim jeweiligen Abgabeschuldner zugelassen war, kann jedoch, wie die Vorinstanz mit Recht ausgeführt hat, nicht hergeleitet werden, daß auch die Tarifvergünstigung dem jeweiligen Abgabeschuldner zusteht. Das Finanzgericht hat mit Recht auch darauf hingewiesen, daß die Abzugsfähigkeit der Vermögensabgabe beim jeweiligen Abgabeschuldner den allgemeinen bewertungsrechtlichen Grundsätzen über den Abzug von Schulden (ß 74 Abs. 1 Ziff. 1 des Bewertungsgesetzes) entspricht und nicht etwa eine Besonderheit des LAG darstellt. Durch § 209 LAG wird lediglich bestimmt, daß die Schuld nicht mit dem Werte, der sich nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ergeben würde, sondern mit dem nach § 77 LAG ermittelten Zeitwerte zu bewerten ist.

Unter diesen Umständen entspricht aber die Versagung der Tarifvergünstigung durch die Vorinstanzen der Rechtslage.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409487

BStBl III 1959, 477

BFHE 1960, 584

BFHE 69, 584

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