Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Der Erwerb eines landwirtschaftlichen Betriebs im Wege der vorweggenommenen Hoferbfolge bei gleichzeitiger übernahme der auf den Betrieb entfallenden Vermögensabgabeschuld begründet keinen Anspruch des Erwerbers auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7,5 vom Tausend auf das steuerpflichtige Vermögen in Höhe der übernommenen Vermögensabgabeschuld. An den Grundsätzen des Urteils des BFH III 371/58 S vom 4. September 1959 (BStBl 1959 III S. 477, Slg. Bd. 69 S. 584) hält der Senat fest.
Normenkette
VStG § 8 S. 1
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) begehrt für die Vermögensteuer-Hauptveranlagung 1960 gemäß § 8 Satz 1 Halbsatz 2 VStG die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7,5 v. T. auf das steuerpflichtige Vermögen in Höhe einer Vermögensabgabeschuld, die auf einen landwirtschaftlichen Betrieb entfällt, den die Ehefrau des Stpfl. von ihrem Vater im Jahre 1957 im Wege vorweggenommener Hoferbfolge unter übernahme der Vermögensabgabeschuld erworben hat. Der Vater ist im Jahre 1960 verstorben. Die Ehefrau des Stpfl. wurde Alleinerbin ihres Vaters.
Der Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA -) lehnte die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ab, weil die Vergünstigung am Stichtag nur dem Schwiegervater des Stpfl. als Vermögensabgabeschuldner zugestanden habe. Der Einspruch blieb erfolglos. Den im Einspruchsverfahren hilfsweise gestellten Antrag, wegen des Todes des Schwiegervaters im Jahre 1960 die Tarifvergünstigung ab 1. Januar 1961 zu gewähren, hielt das FG für unzulässig, weil die Voraussetzungen für eine Neuveranlagung fehlten. Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam unter Hinweis auf das Urteil des BFH III 371/58 S vom 4. September 1959 (BStBl 1959 III S. 477, Slg. Bd. 69 S. 584) zu dem Ergebnis, daß der Erwerber eines der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögensgegenstandes den ermäßigten Steuersatz des § 8 VStG nur dann in Anspruch nehmen könne, wenn die Rechte und Pflichten des ursprünglichen Abgabeschuldners insgesamt auf den Erwerber übergingen. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn - wie im Streitfall - nur das Eigentum am Hof im Wege der vorweggenommenen Hoferbfolge übertragen werde. Da jedoch in Betracht zu ziehen sei, daß eine solche Hofübergabe einer Gesamtrechtsnachfolge nahekomme und deshalb vom BFH anders beurteilt werden könnte, als der dem Urteil des BFH III 371/58 S (a. a. O.) zugrunde liegende Sachverhalt, ließ das FG die Rb. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zu. Die Voraussetzungen für die begehrte Neuveranlagung auf den 1. Januar 1961 sah das FG als nicht gegeben an.
Mit der Rb. wird unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt. Der Stpfl. macht geltend: Durch § 8 VStG komme zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen nur mit 7,5 v. T. zur Vermögensteuer heranziehen wollte. Demgemäß habe Abschnitt 120 Abs. 3 Satz 1 VStR 1953 und 1957 ausdrücklich vorgesehen, daß bei einer Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall oder im Fall einer Vermögensübernahme nach § 419 BGB, insbesondere bei übergabeverträgen in der Landwirtschaft, für die Ermittlung der Steuersätze die Vermögensabgabeschuld des Erblassers oder des Vermögensübergebers dem Erben oder übernehmer zuzurechnen sei. Abschnitt 123 VStR 1960, der eine entsprechende Anordnung für Hofübergabeverträge nicht mehr enthalte, werde den besonderen Verhältnissen bei der vorweggenommenen Erbfolge in der Landwirtschaft nicht gerecht. Auch auf anderen Gebieten werde die verfrühte Erbfolge in der Landwirtschaft gefördert. Das Urteil des BFH III 371/58 S (a. a. O.) könne auf den Streitfall nicht angewendet werden, weil es zu einem andersgearteten Sachverhalt ergangen sei. Die Erwägung des FA, daß bei der von ihm vertretenen Auffassung der übergeber eines landwirtschaftlichen Betriebs als Abgabeschuldner der Vermögensabgabe die Tarifvergünstigung des § 8 Satz 1 Halbsatz 2 VStG neben dem Erwerber in Anspruch nehmen könnte, sei nicht gerechtfertigt, weil die übergabe eines Hofs im Wege vorweggenommener Erbfolge bei hohem Lebensalter des Hofeigentümers vorgenommen zu werden pflege und nach der Lebenserfahrung mit einem erneuten Vermögenserwerb des übergebers nur selten zu rechnen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb., die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist (Hinweis auf § 184 FGO), ist unbegründet.
Gemäß § 8 VStG in der Fassung vom 10. Juni 1954 (BGBl 1954 I S. 137) beträgt die Vermögensteuer jährlich 1 v. H. des steuerpflichtigen Vermögens; sie beträgt jedoch nur jährlich 7,5 v. T. des steuerpflichtigen Vermögens, soweit dieses den Betrag der nach § 31 LAG festgesetzten Vermögensabgabeschuld nicht übersteigt. Das FG ist mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß im Streitfall der ermäßigte Steuersatz des § 8 Satz 1 Halbsatz 2 VStG in Höhe der Vermögensabgabeschuld nicht angewendet werden kann, die auf den landwirtschaftlichen Betrieb entfällt, den die Ehefrau des Stpfl. im Wege der vorweggenommenen Hoferbfolge erworben hat. Wie der erkennende Senat bereits in dem Grundsatzurteil III 371/58 S (a. a. O.) mit eingehender Begründung ausgeführt hat, steht die Tarifvergünstigung nur dem Abgabeschuldner zu, in dessen Person die Vermögensabgabeschuld am 21. Juni 1948 entstanden ist. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Demgemäß können der Stpfl. und seine Ehefrau bei der Vermögensteuerveranlagung 1960 den ermäßigten Tarif des § 8 VStG nicht in Höhe der Vermögensabgabeschuld geltend machen, die auf den übertragenen landwirtschaftlichen Betrieb entfällt. Unstreitig ist diese Vermögensabgabeschuld in der Person des Schwiegervaters entstanden.
Zu Unrecht meint der Revisionskläger, daß im Streitfall ebenso wie bei einer Gesamtrechtsnachfolge eine andere rechtliche Beurteilung deshalb Platz greifen müsse, weil es sich um eine Hofübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge handele. Denn eine vorweggenommene Hoferbfolge steht der Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall nicht gleich. Bei einem Erbfall geht das Vermögen des Erblassers als Ganzes auf die Erben über; die Erben treten an die Stelle des Erblassers (§ 1922 Abs. 1 BGB). Sie rücken mithin in die Rechtsstellung des Erblassers auch insoweit ein, als diesem die Vergünstigung des § 8 Satz 1 Halbsatz 2 VStG bei seinem Tode zustand. Die Ehefrau des Revisionsklägers dagegen hat auf Grund des Hofübergabevertrages nur das Eigentum an dem landwirtschaftlichen Betrieb ihres Vaters erworben. Allerdings hat der Bundesgerichtshof, worauf die Vorinstanz hingewiesen hat, in dem Urteil V ZR 90/61 vom 6. Juni 1962 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1962 S. 1615) im Zusammenhang mit § 17 der Höfeordnung (HO) ausgesprochen, der Hofübergabevertrag im Wege der vorweggenommenen Hoferbfolge stehe einer Verfügung von Todes wegen nahe. Gemäß § 17 Abs. 2 HO gilt nämlich der Erbfall hinsichtlich des Hofs mit dem Zeitpunkt seiner übertragung an einen hoferbenberechtigten Abkömmling zugunsten der anderen Abkömmlinge als eingetreten. Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, hat die Fiktion nur für die rechtlichen Verpflichtungen des Hoferben gegenüber den aus dem Erbfall Anspruchsberechtigten Bedeutung. Wenn der Hoferbe schon zu Lebzeiten des Eigentümers die Nutzung des Hofs mit der übergabe erwirbt, sollen die Abfindungs- und Pflichtteilsansprüche der weichenden Erben nicht bis zum Tode des Hofeigentümers hinausgeschoben werden (vgl. Wöhrmann, LandwR, HO § 17, Bem. V 5 S. 241). § 17 HO regelt indessen nicht die erbrechtlichen Beziehungen zwischen dem Hoferben und demjenigen, der den Hof übertragen hat. Diese bestimmen sich hinsichtlich der Gesamtrechtsnachfolge vielmehr nach den allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften. Eine Gesamtrechtsnachfolge tritt deshalb erst mit dem Erbfall ein. Die Ehefrau des Stpfl. ist zwar Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Vaters geworden, jedoch erst nach dem für die Vermögensteuerhauptveranlagung 1960 maßgebenden Zeitpunkt des 1. Januar 1960 (§ 12 Abs. 2 VStG).
Nach alledem ist es rechtlich unerheblich, ob der Schwiegervater des Revisionsklägers als Vermögensabgabeschuldner die Tarifvergünstigung des § 8 Satz 1 Halbsatz 2 VStG tatsächlich hätte ausnutzen können oder nicht. Auch auf die Regelung in den VStR 1953 und 1957 kann sich der Stpfl. mit Erfolg nicht berufen. Denn Abschnitt 123 Abs. 3 der im Streitfall maßgebenden VStR 1960, nach dem nur bei einer Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall für die Anwendung der Tarifvergünstigung die Vermögensabgabeschuld des Erblassers dem Erben zuzurechnen ist, enthält eine zutreffende Auslegung des Gesetzes. Daß auf anderen Rechtsgebieten, wie der Revisionskläger meint, die vorweggenommene Erbfolge in der Landwirtschaft gefördert wird, vermag keine andere rechtliche Beurteilung zu rechtfertigen.
Fundstellen
Haufe-Index 412121 |
BStBl III 1966, 477 |
BFHE 1966, 384 |
BFHE 86, 384 |