Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenverbrauch durch private Pkw-Nutzung - Schätzungsgrundsätze
Leitsatz (NV)
- Durch private Nutzung des dem Unternehmen zugeordneten PKW ist mit den bei Ausführung dieses Umsatzes entstandenen Kosten, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, zu versteuern. Demgemäß sind die Kosten, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, auf die privaten und die unternehmerischen Fahrten aufzuteilen.
- Soweit die Kosten und der Umfang der privaten und unternehmerischen Fahrten nicht ermittelt werden können, sind sie gemäß § 162 AO 1977 zu schätzen. Die Schätzung muß in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse müssen wirtschaftlich vernünftig und möglich sein.
- Der Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist - falls der Steuerpflichtige ihn nicht aus Vereinfachungsgründen selbst zugrunde legt - grundsätzlich kein geeigneter Maßstab.
Normenkette
UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 10 Abs. 4 Nr. 2; EWGRL 388/77 Art. 6 Abs. 2 Buchst. a; AO 1977 § 162; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Gastwirtschaft. Im Rahmen seines Unternehmens nutzte er einen PKW.
In der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1996 errechnete der Kläger einen auf die private Nutzung des PKW entfallenden Eigenverbrauch von 2 930 DM. Nach den Angaben des Klägers betrugen die Kfz-Kosten, für die ein Vorsteuerabzug möglich war, 8 379 DM (Absetzung für Abnutzung ―AfA― 4 912 DM, laufende Betriebskosten 1 741 DM, Reparaturkosten 1 726 DM). Der Kläger führte kein Fahrtenbuch; für den Monat März 1996 hat er jedoch eine Aufstellung seiner Fahrten eingereicht, nach der weniger als 35 v.H. der Fahrleistung auf private Fahrten entfielen. Er behauptet, der Privatanteil betrage entsprechend seinen Aufzeichnungen unter Berücksichtigung eines Unsicherheitszuschlags 35 v.H.
Bei der Veranlagung des Klägers zur Umsatzsteuer folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) dem nicht, sondern schätzte den Privatanteil abweichend von der Steuererklärung auf 5 395 DM. Dabei ging das FA von dem Entnahmewert der PKW-Nutzung (monatlich 1 v.H. des Listenpreises des PKW einschließlich Umsatzsteuer) gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus und legte ihn ―nach einem Abzug für nicht mit Vorsteuer belastete Kosten― als Bemessungsgrundlage für den mit den privaten Fahrten verwirklichten Eigenverbrauch zugrunde (Umsatzsteuerbescheid für 1996 vom 14. April 1998).
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hielt die Schätzung des FA "nicht für unzutreffend". Es meinte, jeder Schätzung hafte eine Ungenauigkeit an, die zu Lasten desjenigen gehe, der die Schätzung veranlaßt habe. Daß die vom FA gewählte Schätzungsmethode unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zutreffend sei, ergebe sich auch dann, wenn man von den Angaben des Klägers ausgehe. Danach habe die Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs im Streitjahr 11 000 km betragen, so daß auf die Privatfahrten 3 850 km entfielen. Diese Schätzung sei offensichtlich unzutreffend, da gerichtsbekannt sei, daß die Durchschnittsfahrleistung eines Nichtunternehmers zwischen 12 000 km und 15 000 km betrage. Unabhängig davon habe der Senat Zweifel, daß ein Gastwirt einen PKW zu 65 v.H. betrieblich und nur zu 35 v.H. privat nutze. Eine derart hohe betrieblich veranlaßte Fahrleistung sei bei einem Unternehmen, das ausschließlich stationär abgewickelt werde und in der Mehrzahl von Lieferanten angefahren werde, nachvollziehbar darzulegen; das sei nicht geschehen. Der Senat habe insofern keine Bedenken, unter Berücksichtigung der Erfahrung aus anderen finanzgerichtlichen Verfahren die vom Kläger gewählten Verhältnisse umzudrehen und von einem betrieblich genutzten Anteil des Kfz in Höhe von 35 v.H. und von einem privat genutzten Anteil des Kfz in Höhe von 65 v.H. auszugehen.
Gegen das Urteil des FG wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision. Er verweist auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. März 1999 V R 78/98 (BFHE 188, 160), wonach der Wert der Nutzungsentnahme für die Umsatzsteuer grundsätzlich kein geeigneter Maßstab sei, um die maßgeblichen Kosten auf die Privatfahrten und die unternehmerischen Fahrten aufzuteilen. Der Privatanteil sei auch in den Vorjahren immer mit 35 v.H. angesetzt worden. Für das FA habe keine Veranlassung bestanden, von diesem Aufteilungsmaßstab im Streitjahr abzuweichen. Die abweichende Schätzung sei offensichtlich unzutreffend; er ―der Kläger― versichere, daß seine private Fahrleistung weniger als 3 000 km pro Jahr betrage.
Der Kläger beantragt, den Umsatzsteuerbescheid für 1996 dahin zu ändern, daß die Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch durch private PKW-Nutzung auf 2 930 DM herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es verweist darauf, daß das FG die Schätzung des FA durch andere Wahrscheinlichkeitsüberlegungen überprüft und ohne Anlehnung an die ertragsteuerliche Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bestätigt habe. Bei dieser Sachlage könnten die Grundsätze des Urteils in BFHE 188, 160 nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG ist bei der Schätzung der Bemessungsgrundlage des Eigenverbrauchs zu Unrecht in erster Linie von dem Entnahmewert des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG und nicht von den Kosten der Nutzung des PKW, soweit sie zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, ausgegangen; auch seine Überlegungen zur Aufteilung dieser Kosten auf die unternehmerischen Fahrten und die Privatfahrten halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 ist die private Nutzung des dem Unternehmen zugeordneten PKW mit den bei Ausführung dieses Umsatzes entstandenen Kosten zu versteuern. Dabei bleiben die Kosten, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, außer Ansatz (Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG ―Richtlinie 77/388/EWG―; Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH―, Urteil vom 25. Mai 1993 C-193/91 - Mohsche -, Slg. 1993, I-2615, BStBl II 1993, 812). Demgemäß sind die Kosten, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, auf die privaten und unternehmerischen Fahrten aufzuteilen.
2. Soweit die Kosten und der Umfang der privaten und unternehmerischen Fahrten nicht ermittelt werden können, sind sie gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) zu schätzen. Diese Schätzungsbefugnis hat auch das FG, wenn eine weitere Sachaufklärung nicht möglich ist. Die Schätzung muß aber in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226).
3. Nach dem Urteil in BFHE 188, 160 ist der Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ―falls der Steuerpflichtige ihn nicht aus Vereinfachungsgründen selbst zugrunde legt― grundsätzlich kein geeigneter Schätzungsmaßstab. Der Wert der Nutzungsentnahme geht vom Listenpreis des Fahrzeugs aus und berücksichtigt weder die tatsächlich auf den Betrieb des Fahrzeugs entfallenden Kosten noch die konkreten Nutzungsverhältnisse im Einzelfall.
Der Kläger hat in seiner Steuererklärung beim Eigenverbrauch nicht den Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zugrunde gelegt. Deshalb ist dieser Wert im Streitfall kein geeigneter Schätzungsmaßstab. Insoweit entspricht die Vorentscheidung nicht den Grundsätzen des Urteils in BFHE 188, 160.
4. Auch die vom FG hilfsweise angestellten Überlegungen zur Aufteilung der mit Vorsteuer belasteten Kosten auf die Privatfahrten und die unternehmerischen Fahrten halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Diese Kosten betrugen unstreitig 8 379 DM.
Im Wege der Schätzung war demzufolge nur das Verhältnis der Privatfahrten zu den unternehmerischen Fahrten zu ermitteln. Insoweit entspricht das Urteil des FG aber nicht den Anforderungen, die an eine Schätzung zu stellen sind.
Falls die gesamte Fahrleistung des PKW des Klägers tatsächlich 11 000 km betrug, sind die Angaben des Klägers zum Umfang seiner privaten und unternehmerischen Fahrten nicht bereits deshalb offensichtlich unzutreffend, weil die Durchschnittsfahrleistung eines Privatfahrzeugs zwischen 12 000 km und 15 000 km beträgt. Die Durchschnittsfahrleistung eines Privatfahrzeugs ist für die konkreten Nutzungsverhältnisse im Einzelfall ebensowenig aussagekräftig wie die Durchschnittsfahrleistung von Geschäftswagen, die ausschließlich unternehmerisch genutzt werden.
Hätte das FG sich ―anhand von Inspektions- bzw. Reparaturrechnungen oder anderer geeigneter Unterlagen― selbst ein Bild von der Fahrleistung des Fahrzeugs gemacht, wäre es möglicherweise selbst zu einem anderen Aufteilungsschlüssel für die privaten und unternehmerischen Fahrten gekommen. Das FG brauchte zwar nicht die Aufstellung des Klägers über seine Fahrten im Monat März 1996 unkritisch übernehmen, zumal diese nur die angeblich unternehmerischen Fahrten, nicht aber die Privatfahrten enthält. Es hätte sich aber mit dieser Aufstellung auseinandersetzen müssen, bevor es den vom Kläger genannten Aufteilungsschlüssel zu dessen Lasten umkehrte. Die Bemerkung des FG, daß die Gaststätte des Klägers "stationär abgewickelt" und "in der Mehrzahl von Lieferanten angefahren" werde, begründet noch keine in sich schlüssige und im Ergebnis wirtschaftlich vernünftige und mögliche Schätzung der Privatfahrten und unternehmerischen Fahrten des Klägers.
Fundstellen
BFH/NV 2000, 759 |
HFR 2000, 519 |
UR 2000, 206 |
UVR 2000, 228 |
UStB 2000, 70 |