Leitsatz (amtlich)
Revisionsbegründungsschrift durch ein später, aber noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist beim Bundesfinanzhof eingegangenes, vom bevollmächtigten Rechtsanwalt handschriftlich unterzeichnetes Schreiben in Bezug genommen wird.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 1 S. 1, §§ 121, 124, 97
Tatbestand
Das angefochtene, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des FG vom 6.9.1973 war den Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 27.9.1973 zugestellt worden. Am 26.10.1973 ging die Revisionsschrift beim FG, am 26.11.1973 die Revisionsbegründungsschrift beim BFH ein. Die Revisionsbegründungsschrift war nicht unterschrieben; ihr erstes Blatt trug oben (ausgedruckt) die Namen der Bevollmächtigten des Klägers sowie den Ort, an dem sie ihre Kanzlei eingerichtet hatten. Die beigefügten Durchschriften trugen am Ende den Stempel „gez. Dr. A.” Am 28.11.1973 ging beim BFH ein von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. A handschriftlich unterzeichnetes Schreiben ein, worin er bittet, mitzuteilen, wann die Revisionsbegründung vom 22.11.1973 eingegangen ist. Die Geschäftsstelle des Senats machte die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 27.12.1974 darauf aufmerksam, daß die Revisionsbegründungsschrift nicht unterschrieben sei und wies auf den Beschluß des BFH vom 5.11.1973 GrS 2/72 (BFHE 111, 278, BStBl II 1974, 242 = SIS 74 01 36) sowie auf das Urteil des BFH vom 7.8.1974 II R 169/70 (BFHE 113, 490, BStBl II 1975, 194 = SIS 75 01 11) hin. Daraufhin ging am 10.1.1975 ein Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 6.1.1975 ein. In ihm vertreten die Bevollmächtigten die Ansicht, die Revisionsbegründungsschrift genüge trotz fehlender Unterschrift den Erfordernissen des § 120 Abs. 1 FGO, denn es könne „nach Lage der Verhältnisse kein Zweifel bestehen, daß sie von einem dazu Berechtigten eingereicht” worden sei. „Aus Gründen äußerster Vorsicht” überreichten sie eine handschriftlich unterschriebene Revisionsbegründung und beantragten gleichzeitig wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Kläger sei ohne Verschulden verhindert gewesen, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten.
Der Senat hält es für zweckmäßig, über die Zulässigkeit der Revision vorab zu entscheiden, um die zwischen den Verfahrensbeteiligten bestehende Ungewißheit zu beseitigen, ob die Revision des Klägers in der vorgeschriebenen Form begründet worden ist (§§ 121, 124, 97 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig; sie ist insbesondere formgerecht begründet worden.
Die Revision ist schriftlich zu begründen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO, BFH-Beschluß vom 5.11.1973 GrS 2/72, BFHE 111, 278, 283 = SIS 74 01 36). Das erfordert in der Regel, daß die Revisionsbegründung „von einem dazu Berechtigten handschriftlich unterzeichnet” ist; ausnahmsweise kann im steuergerichtlichen Verfahren eine Revision auch dann schriftlich begründet sein, wenn die Begründungsschrift nicht handschriftlich unterzeichnet ist, nämlich wenn „nach Lage der Verhältnisse kein Zweifel besteht, daß sie von einem dazu Berechtigten eingereicht wurde” (BFHE 111, 285 = SIS 74 01 36). Einen solchen Ausnahmefall hat der Große Senat des BFH beispielsweise dann für gegeben erachtet, wenn zwar nicht die Revisionsbegründungsschrift, wohl aber „das mit diesem Schriftstück zusammen beim BFH eingegangene Anschreiben von einem dazu Berechtigten handschriftlich unterzeichnet ist und ohne weiteres erkennbar ist, daß es sich dabei nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern um eine von dem Berechtigten gefertigte und bewußt eingereichte Begründung der Revision” (BFHE 111, 285 = SIS 74 01 36). Es ist folgerichtig, einen solchen Ausnahmefall auch dann anzunehmen, wenn – wie hier – zwar erst nachträglich, aber noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ein von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt handschriftlich unterzeichnetes Schreiben eingeht, worin auf die (unterschriftslose) Revisionsbegründungsschrift Bezug genommen wird. Denn auch in diesem Falle kann nach Lage, der Verhältnisse kein Zweifel bestehen, daß sie von einem dazu Berechtigten eingereicht wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 557495 |
BStBl II 1975, 516 |