Leitsatz (amtlich)
Bei der gewerbesteuerrechtlichen Behandlung eines Organschaftsverhältnisses war auch schon vor der körperschaftsteuerrechtlichen Regelung in § 7 a KStG das von der Organgesellschaft erzielte und dem Organträger zuzurechnende Ergebnis gegebenenfalls nach § 10 Abs. 3 GewStG auf einen Jahresbetrag umzurechnen, ohne daß es hierfür auf das Vorliegen eines Ergebnisabführungsvertrages ankam.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2, §§ 7, 10 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist für das Jahr 1959, ob bei einem Organschaftsverhältnis mit Ergebnisabführungsvertrag dem Organträger der Gewerbeertrag der Organgesellschaft erst nach Umrechnung auf einen Jahresbetrag (§ 10 Abs. 3 GewStG) zuzurechnen ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GbR, zu der sich die X-AG und die Y-AG zusammengeschlossen haben. Zwischen der Klägerin, der Z-GbR (Organträger), und der Z-AG (Organgesellschaft) besteht ein anerkanntes Organschaftsverhältnis mit Ergebnisabführungsvertrag. Die Organgesellschaft hatte früher ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr (1. April bis 31. März). Im Streitjahr 1959 stellte sie das Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr um und bildete ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. April bis 31. Dezember 1959. Der für die Gewerbesteuer maßgebliche Erhebungszeitraum (§ 14 Abs. 2 GewStG) umfaßte somit die Ergebnisse des Wirtschaftsjahres 1958/59 und des Rumpfwirtschaftsjahres 1959.
Diese Ergebnisse der Organgesellschaft erfaßte der Beklagte und Revisionskläger (FA) in voller Höhe bei der Gewerbesteuerveranlagung des Organträgers, der Klägerin, für 1959. Das FA lehnte es unter Hinweis auf Abschn. 42 Abs. 2 GewStR 1958 ab, das Ergebnis der Organgesellschaft von 21 Monaten vor der Zurechnung bei der Klägerin nach § 10 Abs. 3 GewStG auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Es stützte sich hierbei auch auf eine Verfügung der OFD Düsseldorf vom 19. November 1965, derzufolge eine solche Umrechnung bei Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag - im Gegensatz zu einer Organschaft ohne Ergebnisabführungsvertrag - zu unterbleiben habe. Bei Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag - so meinte das FA - sei kein selbständig zu ermittelnder Gewerbeertrag des Organs, sondern nur ein "Abführungsbetrag" beim Organträger zuzurechnen, so daß sich erst bei der Muttergesellschaft die Frage einer Umrechnung stellen könne, die hier jedoch, da bei der Klägerin sich Wirtschaftsjahr und Kalenderjahr deckten, keine Rolle spiele.
Die Sprungklage gegen den Gewerbesteuermeßbetragsbescheid 1959 hatte Erfolg.
Das FG führte aus, das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses berühre nicht die rechtliche Selbständigkeit der Organgesellschaft, die als solche getrennt bilanziere, auch wenn dann ihre Erträge und die des Organträgers bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrages zusammengerechnet würden. Die auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG beruhende sog. Filialtheorie gehe nach der Rechtsprechung nicht so weit, daß im Streitfall die Klägerin und die von ihr beherrschte Organgesellschaft als ein einheitliches Unternehmen anzusehen seien. Deshalb liege bei der Organgesellschaft auch ein nach § 10 Abs. 3 GewStG umrechenbarer Gewerbeertrag vor. Wenn dieser dann an den Organträger abgeführt werden müsse, so handle es sich gleichwohl um den von der Organgesellschaft erwirtschafteten Gewerbeertrag und nicht um irgendeinen Abführungsbetrag. Wenn die Finanzverwaltung im gewerbesteuerrechtlichen Bereich bei der hier streitigen Frage der Umrechnung beim Organ zwischen Organschaft mit und ohne Ergebnisabführungsvertrag unterscheide, so sei das nicht verständlich. Denn - im Gegensatz zur Körperschaftsteuer - wirke sich bei der Gewerbesteuer die Begründung eines Organschaftsverhältnisses immer, d. h. ohne Rücksicht darauf aus, ob ein Ergebnisabführungsvertrag bestehe oder nicht. Der Gewerbeertrag der Organgesellschaft sei daher in jedem Falle nach § 10 Abs. 3 GewStG umzurechnen.
Das FG rechnete den 21 Monate umfassenden Gewerbeertrag 1959 der Organgesellschaft von 20 170 239 DM auf den Jahresbetrag von 11 525 850 DM um und legte diesen Betrag der Ermittlung des Steuermeßbetrages nach dem Gewerbeertrag der Klägerin zugrunde.
Hiergegen richtet sich die Revision, mit der das FA unrichtige Anwendung des § 10 GewStG 1957 rügt. Es macht geltend, nur bei Organschaft ohne Ergebnisabführungsvertrag sei der Gewerbeertrag gesondert bei der Organgesellschaft so zu ermitteln, wie wenn diese Steuergegenstand wäre (Abschn. 42 Abs. 3 GewStR 1958). Bei Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag sei der Gewinn der Organgesellschaft auf den Organträger in dem Wirtschaftsjahr, in dem das Wirtschaftsjahr des Organs ende, zu übertragen (Abschn. 42 Abs. 2 Nr. 1 GewStR 1958). Dieser "Abführungsbetrag" sei kein Gewerbeertrag i. S. von § 10 GewStG 1957, so daß für eine Umrechnung nach Abs. 3 dieser Vorschrift kein Raum sei. Die unterschiedliche Behandlung von Organschaften mit und ohne Ergebnisabführungsvertrag verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Zwar habe die Finanzverwaltung die unterschiedliche Behandlung später aufgegeben (Hinweis auf den Erlaß des BdF vom 14. Dezember 1970, BStBl I 1971, 5). Das gelte jedoch nicht rückwirkend, da die geänderte Auffassung im Zusammenhang mit § 7 a KStG zu sehen sei, der nach § 7 GewStG 1968 auch bei der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft zu berücksichtigen sei. Demzufolge sei nunmehr das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen, der Gewinn der Organgesellschaft also nicht mehr als Bestandteil des Einkommens des Organträgers anzusehen. Etwa erforderliche Umrechnungen seien daher jetzt bei jedem Unternehmen getrennt vorzunehmen (Tz. 58 der Anlage zum Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen vom 30. Dezember 1971, BStBl I 1972, 2).
Das FA beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung des GewStG 1957 bestimmt, daß eine Kapitalgesellschaft als Betriebstätte eines anderen Unternehmens gilt, wenn sie dessen Willen derart untergeordnet ist, daß sie keinen eigenen Willen hat. Die hier im GewStG seit 1936, also lange vor einer Regelung im KStG, kodifizierte Organschaft führt somit dazu, die Organgesellschaft als eine Betriebstätte des Organträgers zu fingieren. Dabei geht, woran kein Zweifel besteht, das GewStG davon aus, daß dies für jede Art von Organschaftsverhältnis gilt. Im Gegensatz also zum Bereich der Körperschaftsteuer, wo eine Organschaft erst von Bedeutung ist, wenn auch ein Ergebnisabführungsvertrag besteht, treten bei der Gewerbesteuer die Wirkungen der Organschaft ohne Rücksicht auf das Bestehen eines solchen Vertrages ein. Das ergibt sich aus dem Gesetz selbst, das in dieser Richtung keine Differenzierung enthält. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG dient, wie der BFH schon im Urteil vom 6. Oktober 1953 I 29/53 U (BFHE 58, 101, BStBl III 1953, 329) ausgesprochen hat, dem Zweck, durch eine Art "Poolung der Erträge" die am "Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligten Gemeinden davor zu schützen, daß eng verbundene Unternehmungen durch interne Maßnahmen ihren Gewinn willkürlich verlagern". § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG führt deshalb dazu, daß für die Gewerbesteuer praktisch immer so verfahren werden muß, wie wenn ein Ergebnisabführungsvertrag bestünde (Urteil des Senats vom 17. Februar 1972 IV R 17/68, BFHE 105, 383, BStBl II 1972, 582). Durch die Fiktion der Organgesellschaft als Betriebstätte des Organträgers wird der Gemeinde der Organgesellschaft sodann der entsprechende Anteil am Gewerbesteueraufkommen gesichert.
Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung die sogenannte Einheitstheorie, d. h. die Theorie von der Einheit eines aus Organträger und Organgesellschaft bestehenden Unternehmens, abgelehnt. Er hat deshalb Organträgergesellschaft und Organgesellschaft nicht nur bürgerlich-rechtlich, sondern auch gewerbesteuerrechtlich als selbständige Gesellschaften angesehen mit entsprechenden, im Urteil IV R 17/68 wie auch in der Vorentscheidung aufgezeigten weitreichenden Folgerungen. Die Rechtsprechung hat damit die Betriebstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG auf den mit ihr verfolgten Zweck, die Gemeinden vor Gewerbesteuerverlagerungen zu schützen, beschränkt.
2. Mit diesen von der Rechtsprechung zur gewerbesteuerrechtlichen Behandlung der Organschaft entwikkelten Grundsätzen ist die vom FA mit Hinweis auf Abschn. 42 GewStR 1958 vertretene Auffassung nicht vereinbar, daß die hier bei einer gesonderten Ermittlung des Gewerbeertrags der Organgesellschaft unstreitig nach § 10 Abs. 3 GewStG durchzuführende Umrechnung auf einen Jahresbetrag deshalb nicht zulässig sei, weil im Streitfall ein Organschaftsverhältnis mit Ergebnisabführungsvertrag bestehe.
a) Auf § 7 GewStG läßt sich die Auffassung des FA nicht stützen. Denn die Gewinnermittlung hat, wie betont (Ablehnung der Einheitstheorie), getrennt zu erfolgen, und zwar bis zur Ermittlung des Gewerbeertrages (so auch im wesentlichen Abschn. 42 Abs. 1 GewStR in allen Fassungen). Daß sich nun aus § 7 GewStG in den Fällen einer Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag im Gegensatz zu den Organschaften ohne Ergebnisabführungsvertrag etwas anderes ergeben soll, kann nicht anerkannt werden. Der Senat hat in seiner Entscheidung IV R 17/68 klargestellt, daß angesichts der bei der Gewerbesteuer ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines Ergebnisabführungsvertrags stets erforderlichen Übertragung des Ergebnisses der Organgesellschaft auf den Organträger es mit dem Sinn des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen sei, hinsichtlich der Besteuerung des im Organkreis erzielten Ertrages dann doch wieder zu unterscheiden, ob tatsächlich ein Ergebnisabführungsvertrag vorgelegen hat oder nicht. Hiernach kann die Frage, ob der bei der Organgesellschaft erwirtschaftete Gewerbeertrag vor seiner Zurechnung beim Organträger gemäß § 10 Abs. 3 GewStG auf einen Jahresbetrag umzurechnen ist, nicht je nach Vorliegen eines Ergebnisabführungsvertrags unterschiedlich beantwortet werden. Eine etwaige Umrechnung ist vielmehr stets bei jedem Unternehmen getrennt vorzunehmen.
b) Für Organschaftsverhältnisse ohne Ergebnisabführungsvertrag hat auch die Finanzverwaltung den Gewerbeertrag stets so ermittelt, "wie wenn das Organ Steuergegenstand wäre" (Abschn. 42 Abs. 3 Satz 1 GewStR 1958), also eine Umrechnung nach § 10 Abs. 3 GewStG bei der Organgesellschaft zugelassen. Wenn die Verwaltung diesen Rechtsstandpunkt nunmehr bei allen Organschaftsverhältnissen (also solchen mit und ohne Ergebnisabführungsvertrag) vertritt (vgl. jetzt Abschn. 42 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 GewStR 1974), so hat dies entgegen der Auffassung des FA mit der gesetzlichen Regelung der Organschaft in § 7 a KStG und deren Auswirkung auf die Gewerbesteuer nichts zu tun. Das zeigt auch die Fassung des Abschn. 42 GewStR 1969, die zwar schon auf § 7 a KStG verweist, gleichwohl aber noch zwischen Organschaft mit und ohne Ergebnisabführungsvertrag unterscheidet (Abs. 2 und 3). Im übrigen bezog sich die mit der Verwendung des Begriffes "Einkommen" in § 7 a KStG zusammenhängende Änderung der Verwaltungsauffassung primär auf die Frage des Zeitpunkts der Zurechnung (vgl. hierzu Hübl, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1972 S. 145 [149], siehe auch zu § 7 a KStG Urteil des BFH vom 29. Oktober 1974 I R 240/72, BFHE 114, 70, BStBl II 1975, 126) und nicht auf die Frage der Umrechnung nach § 10 Abs. 3 GewStG. Der vom FA in der Revisionsbegründung zitierte letzte Satz der Tz. 58 des Organschaftserlasses (Anlage zum Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen vom 30. Dezember 1971, a. a. O.), wonach "insoweit ... nunmehr" Organschaften mit und ohne Ergebnisabführungsvertrag gleich behandelt werden, betrifft denn auch nicht, welchen Anschein das FA bei der Zitierung durch Weglassung des ersten Halbsatzes von Tz. 58 erweckt, in erster Linie die getrennte Umrechnung, sondern eben die den wesentlichen Inhalt der Verwaltungsanweisung bildende Regelung des Zurechnungszeitpunktes.
c) Das FG hat nach allem zu Recht den Ertrag der Organgesellschaft vor Zurechnung beim Organträger nach § 10 Abs. 3 GewStG auf einen Jahresbetrag umgerechnet und hierdurch auch zu einem Ergebnis gefunden, das im Vergleich zu der vom FA und der in der genannten Verfügung der OFD Düsseldorf erstrebten Lösung dem Ziel einer "richtigen" Besteuerung weit mehr entspricht.
Fundstellen
BStBl II 1977, 701 |
BFHE 1978, 310 |