Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
1.Bei Feststellung neuer Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO von einigem Gewicht wird der ganze rechtskräftig abgeschlossene Steuerfall neu aufgerollt.
2.Die Frage, wann Tatsachen von einigem Gewicht vorliegen, ist auf Grund des Verhältnisses der neu festzusetzenden zur ursprünglichen Steuer nach absoluten und relativen Merkmalen zu beantworten. Die relative Bedeutsamkeit ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.
3.Jede Steuerart und jeder Veranlagungszeitraum sind für sich zu betrachten.
AO § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2.
Normenkette
AO § 222 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Die steuerpflichtige GmbH wurde für die Streitjahre 1951 bis 1955 endgültig und rechtskräftig zur Körperschaftsteuer veranlagt. Die veranlagte Körperschaftsteuer betrug für 1951 bei einem Gewinn von 2.551 DM = 1.530 DM, für 1952 bei einem Gewinn von 2.672 DM = 1.602 DM, für 1953 bei einem Gewinn von 14.183 DM = 8.508 DM, für 1954 bei einem Gewinn von 18.254 DM = 10.560 DM und für 1955 bei einem Gewinn von 21.092 DM = 9.490 DM.
Bei einer im Jahre 1957 durchgeführten Betriebsprüfung wurden für 1953 1.078 DM aktiviert, weil für eine Kompressoranlage unter Aufteilung des Kaufpreises in drei Rechnungsbeträge die Abschreibungsfreiheit für geringwertige Anlagegüter in Anspruch genommen war. Aus dem gleichen Grunde wurde im Jahre 1955 eine Handbandsäge mit 734,70 DM aktiviert. Im Jahre 1955 wurden ferner 779,70 DM für 23 Langfeldleuchten aktiviert. 1953 wurde eine Rückstellung von 3.000 DM für eine Vakuumanlage gestrichen, die dem Betrieb der Bgin. im Jahre 1954 zuging. Für die Jahre 1954 und 1955 ergaben sich hinsichtlich der Vakuumanlage weitere Gewinnänderungen, und zwar für 1954 eine Minderung des Gewinns von 416 DM und für 1955 eine Gewinnerhöhung von 1.429 DM. Vor allem aber beanstandete der Betriebsprüfer die Höhe der von der Steuerpflichtigen für die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer in den Jahren 1951 bis 1955 vorgenommenen Pensionsrückstellungen und für die Jahre 1952 bis 1955 die Höhe der Gehälter (einschließlich Gehaltsrückstellungen) sowie die ab 1. März 1953 in Höhe von je 25 v. H. des Gewinns zuerkannten Tantiemen; die Tantieme-Rückstellung habe die Steuerpflichtige nicht als Geschäftsführerbezüge erklärt. Ferner waren die von der Steuerpflichtigen ab 1. März 1953 zur Aufrechterhaltung von Ansprüchen aus der Angestelltenversicherung für die beiden Geschäftsführer gezahlten Beträge von monatlich je 50 DM als allgemeiner Sozialaufwand gebucht worden. Nach einem im Anschluß an die Schlußbesprechung erklärten Verzicht der Gesellschafter der Bgin. auf ihre Pensionsansprüche, der nach der Darstellung der Steuerpflichtigen nur unter der Voraussetzung der Anerkennung der Höhe der Gesellschafterbezüge erfolgte, hält der Prüfer für die Jahre 1952 bis 1955 nur Bezüge von je 17.000 DM, insgesamt also 34.000 DM, für angemessen und behandelte die darüber hinausgehenden Beträge als verdeckte Gewinnausschüttungen. Die Bezüge für 1951 blieben unbeanstandet, weil sie wesentlich unter diesen Beträgen lagen. Der Prüfer begründete seine Auffassung mit einem Mißverhältnis der Bezüge zum Gewinn und Umsatz der Bgin. unter Anwendung der sogenannten Seifenformel (18 - 25fach Quadratwurzel aus dem Umsatz + Teuerungszuschlag von 20 v. H. ab 1952; hiervon je 75 v. H. bei zwei Geschäftsführern).
Gegen die entsprechend diesen Feststellungen ergangenen gemäß ß 222 AO berichtigten Körperschaftsteuerbescheide 1951 bis 1955 hat die Bgin. gemäß § 261 AO Sprungberufung eingelegt. Sie stellte den Antrag, die den erstmaligen Veranlagungen zugrunde liegenden Pensionsrückstellungen und gezahlten bzw. zurückgestellten Gehälter in voller Höhe anzuerkennen. Die Berichtigung hinsichtlich der Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer würden durch § 222 AO schon deshalb nicht gedeckt, weil nach dieser Vorschrift eine Berichtigung nur soweit zulässig sei, wie sich die neuen Tatsachen auswirken. Aber auch wenn man grundsätzlich eine volle Wiederaufrollung des Steuerfalles gemäß § 222 AO für zulässig halte, verstoße im Streitfalle die vorgenommene Berichtigung deshalb gegen Treu und Glauben, weil das Finanzamt verhältnismäßig geringfügige Tatsachen auf anderen Gebieten zum Anlaß genommen habe, um bei der Frage der Angemessenheit der Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer eine andere Rechtsansicht durchzusetzen, und weil diese andere Rechtsansicht eine außerordentlich hohe Gewinnerhöhung und damit Steuererhöhung zur Folge habe, die das Vielfache der Gewinn- und Steuererhöhung ausmache, die durch die neuen Tatsachen ausgelöst worden sei. In sachlicher Hinsicht führt die Steuerpflichtige aus, daß die Bezüge auch steuerlich angemessen seien. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei das Gesamtbild entscheidend, nicht lediglich das Verhältnis der Bezüge zum Umsatz und bestimmte Formeln. Im übrigen lasse aber auch eine Überprüfung an Hand der auf die heutigen Verhältnisse umgestellten Seifenformel und andere Formeln (Sandig-Formel, LSÖ-Formel) die steuerliche Angemessenheit der Bezüge erkennen. Der Verzicht auf die Pensionsrückstellungen während der Betriebsprüfung sei nur deshalb erfolgt, weil das Finanzamt für einen solchen Fall in Aussicht gestellt habe, die geltend gemachten Gehälter anzuerkennen. Da das Finanzamt diese Zusage jedoch nicht eingehalten habe, werde nunmehr im Berufungsverfahren der Verzicht auf die Pensionsrückstellungen widerrufen.
Das Finanzgericht hat der Berufung durch Grundurteil vom Dezember 1959 und Endurteil vom März 1960 stattgegeben. Die Berichtigung der rechtskräftigen Veranlagungen sei nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO nicht gerechtfertigt. Eine neue Tatsache habe grundsätzlich die Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles zur Folge. Beschränkungen des Umfangs der Berichtigung ergäben sich aber aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 22/54 vom 23. Juli 1957 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 222 Rechtsspruch 21) müsse es sich zur Rechtfertigung einer Berichtigung rechtskräftige Veranlagungen um bedeutsame Tatsachen handeln; es widerspreche den Grundsätzen von Treu und Glauben, zu einer geringfügigen Einkommenserhöhung führende Tatsachen dazu zu benützen, um bei einem anderen für die Höhe des Einkommens entscheidenden Fragenkomplex nunmehr eine andere für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsauffassung durchsetzen zu können.
Im vorliegenden Falle habe das Finanzamt das Ansteigen der Gehälter einschließlich der Pensionsrückstellung ohne weiteres hingenommen. Unter diesen Umständen sei die Annahme gerechtfertigt, daß das Finanzamt im Jahre 1953 auch dann den Gewinn der Bgin. nicht beanstandet hätte, wenn die Bgin. außer den erklärten Gehältern von rund 50.000 DM auch den weiteren Betrag von rund 16.400 DM Tantieme-Rückstellung in der Erklärung ausgewiesen hätte. Entsprechendes gelte für den Fall, daß dem Finanzamt bei den Veranlagungen bekannt gewesen wäre, daß es sich bei den monatlichen Aufwendungen von 100 DM um Angestelltenversicherungsbeiträge für die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer und nicht um allgemeinen Sozialaufwand gehandelt habe. Der Widerruf der Pensionsrückstellung durch die Bgin. anläßlich der Betriebsprüfung und die Rückgängigmachung dieses Widerrufs im Berufungsverfahren könnten schon deshalb nicht als neue Tatsache gemäß § 222 AO behandelt werden, weil es sich hier um Vorgänge handele, die sich erst nach den Veranlagungen ereignet hätten. Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben könne die Steuerpflichtige nicht an ihren Verzicht auf die Pensionsrückstellungen festgehalten werden, weil ihr nicht zu widerlegen sei, daß sie bei ihrer Erklärung von Voraussetzungen ausgegangen sei, die sich nicht verwirklicht hätten. Die Änderung hinsichtlich der Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer stelle sich als eine andere rechtliche Beurteilung dar und sei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht gemäß § 222 AO gerechtfertigt. Eine Berichtigung nach dieser Vorschrift könne vielmehr nur hinsichtlich der auf den anderen Gebieten festgestellten neuen Tatsachen erfolgen.
Der Vorsteher des Finanzamts hat Rb. eingelegt und unrichtige Rechtsanwendung gerügt. Die Bgin. hat zur Unterstützung der Ausführungen des Finanzgerichts ein Gutachten des Prof. Dr. A. vorgelegt.
Die Entscheidung über das Grundurteil und über das Endurteil werden gemeinsam behandelt und zu einer Sache vereinigt, weil sie die gleiche Steuerpflichtige und den gleichen Sachverhalt betreffen.
Entscheidungsgründe
Die Rbn. führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
-I. - Das Finanzgericht hat an den Anfang seiner Ausführungen den Grundsatz gestellt, daß bei Feststellung neuer Tatsachen von einigem Gewicht gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO der ganze rechtskräftig abgeschlossene Steuerfall wieder aufgerollt wird. Dieser Auffassung tritt der Senat in Übereinstimmung mit seinen Urteilen I 22/54 vom 23. Juli 1957 (StRK, Reichsabgabenordnung, § 222 Rechtsspruch 21), I 176/57 U vom 18. November 1958 (BStBl 1959 III S. 52, Slg. Bd. 68 S. 137)und I 201/60 vom 25. Oktober 1960 (StRK, Einkommensteuergesetz, ß 4 Rechtsspruch 364) und dem Urteil IV 88/60 vom 16. November 1961 (StRK, Reichsabgabenordnung, § 222 Rechtsspruch 87) bei.
Da die Berichtigung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nur bei Feststellung neuer Tatsachen von einigem Gewicht erfolgt, hält der Senat nicht mehr an seiner im Urteil I 90/57 U vom 3. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 53, Slg. Bd. 68 S. 140) vertretenen Ansicht fest, daß unter Umständen der Steuerfall nur insoweit berichtigt werden darf, als neue Tatsachen gegeben sind. Liegen die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO vor, so wird die Veranlagung auch insoweit wieder aufgerollt, als sie durch die neue Tatsache nicht berührt wird.
Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs müssen die Tatsachen, die zu einer Berichtigungsveranlagung führen sollen, "von einigem Gewicht" sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 180/59 U vom 8. Februar 1962, BStBl 1962 III S. 225, Slg. Bd. 74 S. 610, das diesen Standpunkt eingehend begründet). Für die Frage, wann Tatsachen von einigem Gewicht vorliegen, läßt das Urteil IV 515/56 U vom 5. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 52, Slg. Bd. 66 S. 132) die Steuerbeträge maßgebend sein, die sich auf Grund der neuen Tatsachen ergeben. Im Urteil IV 41/60 U vom 9. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 216, Slg. Bd. 72 S. 594) wird die Frage unter absoluter und unter relativer Betrachtung - d. h. im Verhältnis zur ursprünglich festgesetzten Steuer - behandelt. Der V. Senat kommt im Urteil V 180/59 U a. a. O. für die Umsatzsteuer zu dem Ergebnis, daß eine Verbindung der relativen und der absoluten Abgrenzungsweise den gerechtesten Maßstab darstelle; hierbei sollen Steuermehr- bzw. Steuerminderbeträge bis zu einer unteren absoluten Grenze unberücksichtigt bleiben, Steuermehr- bzw. Steuerminderbeträge von einer oberen absoluten Grenze an immer als gewichtig angesehen werden und bei dazwischen liegenden Steuermehr(minder)beträgen entscheidend sein, ob im Einzelfalle der Mehr(minder)betrag im Verhältnis zur bisherigen Steuerschuld einen bestimmten Hundertsatz übersteigt. Der Senat ist der Ansicht, daß die absoluten Grenzen 100 DM und 1.000 DM und die relative Grenze von 10 v. H., die der V. Senat für die Umsatzsteuer genannt hat, für die Ertragsteuern nicht übernommen werden können. Anzuerkennen ist aber auch in Übereinstimmung mit dem Urteil IV 41/60 U a. a. O., daß die Frage der Gewichtigkeit neuer Tatsachen nach absoluten und relativen Merkmalen zu beantworten ist. Die ausschließliche Anerkennung nur der absoluten Grenze erscheint bei den Ertragsteuern schon deshalb zweifelhaft, weil der gewerbliche Gewinn für die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und zugleich für die Gewerbesteuer maßgeblich ist, auf dem gleichen Gewinn also mehrere Steuern mit sehr unterschiedlichen Steuersätzen beruhen. Bei der Annahme nur absoluter Grenzen wäre es nicht zu vermeiden, daß eine Berichtigung für die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) zulässig würde, für die Gewerbesteuer aber nicht. Der Senat hat allerdings keine Bedenken anzuerkennen, daß Steuermehrbeträge unter 100 DM im allgemeinen keinen so bedeutsamen Mehrbetrag darstellen, daß er die Durchbrechung der Rechtskraft rechtfertigen könnte.
Es erscheint geboten, auch dem Verhältnis der auf Grund der neuen Tatsache sich ergebenden zu der veranlagten Steuer Beachtung zu schenken. Die relative Bedeutsamkeit wird man allerdings nicht allgemein in einem Vomhundertsatz ausdrücken können; man wird hierbei vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles entscheiden müssen, wobei die Höhe der zu zahlenden Steuer, der Grund, aus dem die Tatsachen dem Finanzamt bisher nicht bekannt waren (Steuerhinterziehung, Steuergefährdung), das bisherige Verhalten des Finanzamts und andere Gesichtspunkte nicht unbeachtet bleiben dürfen. Von Bedeutung ist auch, daß der Bundesfinanzhof der Rechtskraft und der Rechtssicherheit eine größere Bedeutung zugemessen hat als der Reichsfinanzhof (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 113/53 U vom 10. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 214, Slg. Bd. 57 S. 558, und Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 92, Anm. 5 ff.); darum soll eine rechtskräftige Veranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO nicht geändert werden, wenn die festgestellten neuen Tatsachen relativ von untergeordneter Bedeutung sind.
Die zu vergleichenden Merkmale sind im allgemeinen die veranlagte und die auf Grund der neuen Tatsache festzusetzende Steuer. Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung und beim Gewerbesteuermeßbescheid ist der Steuerbetrag gegebenenfalls zu schätzen.
Der Grundsatz gilt für den Steuerpflichtigen, wenn Tatsachen zu seinen Gunsten aufgedeckt werden, wie auch für das Finanzamt, wenn es sich um eine Berichtigung zuungunsten des Steuerpflichtigen handelt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 40/51 U vom 3. Oktober 1951, BStBl 1951 III S. 202, Slg. Bd. 55 S. 494; V 180/59 U a. a. O.). Wirkt eine neue Tatsache zugleich gewinnerhöhend wie auch gewinnmindernd (Beispiel: Aktivierung von Aufwendungen und Absetzungen für Abnutzung auf den aktivierten Gegenstand oder Erhöhung der Gewerbesteuerrückstellung), so ist der Saldo der auf Grund der neuen Tatsache festgestellten Mehrsteuern der Prüfung der Frage der Erheblichkeit zugrunde zu legen.
Der Senat tritt ferner der Ansicht bei, daß jede Steuerart und jeder Veranlagungszeitraum für sich zu betrachten sind; denn die rechtskräftige Veranlagung, die geändert werden soll, bezieht sich bei den laufenden Steuern auf eine bestimmte Steuerart und einen bestimmten Veranlagungszeitraum.
-II. - Im Jahre 1951 wurden dem Gewinn von 2.551 DM nichtabzugsfähige Steuern von 545 DM und durch die Auflösung der Pensionsrückstellung 11.828 DM zugerechnet. Die Feststellung der Betriebsprüfer, daß die nichtabzugsfähigen Steuern bei der Erklärung und Veranlagung den Gewinn unzulässigerweiser gemindert haben, ist eine neue Tatsache im Sinne von § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO. Diese Tatsache rechtfertigt auch eine Berichtigungsveranlagung. Gleichgültig, ob man die Veränderung des Gewinnes um 545 DM absolut oder relativ sieht, so führt seine Zurechnung zu einer Körperschaftsteuer von 1.854 DM im Gegensatz zu der veranlagten Steuer von 1.530 DM. Der Unterschied von 324 DM ist weder verhältnismäßig noch absolut geringfügig.
Da die Veranlagung für 1951 berichtigungsfähig ist, konnte das Finanzamt auch die Passivierung der Pensionsrückstellung versagen, sofern eine Abzugsfähigkeit nicht gegeben ist. Die Steuerpflichtige hat im Anschluß an die Schlußbesprechung auf die Rückstellung für die Pensionsverpflichtung verzichtet; sie ging hierbei von der Vorstellung aus, daß das Finanzamt dafür die Gehälter für die Geschäftsführer als angemessen anerkennen würde und behauptet insoweit eine Zusage des Finanzamts. Da diese Erwartung nicht eingetreten ist, hat sie die Verzichtserklärung widerrufen. Der Vorinstanz ist darin zuzustimmen, daß der Steuerpflichtigen der Widerruf nicht versagt werden kann.
Bei Prüfung der Rechtsfrage ist zu beachten, daß die Pensionsrückstellung nur anerkannt werden kann, wenn sie ernsthaft gemeint ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 75/53 vom 25. August 1953, StRK, Einkommensteuergesetz, § 6 Abs. 1 Ziff. 3 Rechtsspruch 12) und daß der Höhe nach Abzugsfähigkeit nur besteht, soweit Gehalt und zugesicherte Pension eine angemessene Gegenleistung nicht übersteigen. Weil das Finanzgericht die Berichtigungsmöglichkeit schon aus anderen Gründen verneinte, hat es diese Frage nicht geprüft. Dies ist nach der Zurückverweisung nachzuholen.
-III. - Die durch die Betriebsprüfung für 1952 errechneten Mehrgewinne beruhen auf der Nichtanerkennung der Pensionsrückstellung und der vollen Gehaltszahlung als verdeckte Gewinnausschüttung. Für dieses Jahr ist eine Berichtigung der Veranlagung nicht zulässig, weil keine neuen Tatsachen aufgedeckt worden sind. Aus der Bilanz der Firma ist die Zuführung zu dem Rückstellungskonto eindeutig ersichtlich. Aber auch die Zahlung der Gehälter war in der Steuererklärung mit 46.760 DM ausgewiesen. Wenn das Finanzamt gleichwohl die Veranlagung erklärungsgemäß durchgeführt hat, so darf angenommen werden, daß dem Finanzamt sowohl die Rückstellung wie auch die Höhe der Gehälter bekannt waren; es ist davon auszugehen, daß der Veranlagungsbeamte die Steuererklärung und auch die beigefügte Bilanz liest und lesen kann. Zum mindesten gelten aber Tatsachen nicht als neu, wenn sie vom Finanzamt bei gehöriger Erfüllung seiner Aufklärungspflicht hätten erkannt werden können (vgl. insbesondere Urteil des Bundesfinanzhofs VI 296/57 S vom 5. Dezember 1958, BStBl 1959 III S. 86, Slg. Bd. 68 S. 223).
Auch die Erhöhung der Gewerbesteuerrückstellung rechtfertigt keine Berichtigung zugunsten des Steuerpflichtigen nach § 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO, weil Mehrbeträge von Betriebsteuern, die sich durch eine Betriebsprüfung ergeben haben, keine neuen Tatsachen in diesem Sinne sind (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 117/58 U vom 10. August 1961, BStBl 1961 III S. 534, Slg. Bd. 73 S. 735).
Für das Jahr 1952 hat das Finanzgericht die Berichtigung mit Recht für unzulässig erklärt.
-IV. - Für das Jahr 1953 stellte der Betriebsprüfer beim Maschinenkonto eine um 1.202 DM höhere Aktivierungspflicht für eine Kompressoranlage, von 484 DM für eine Versuchsanlage und eine nicht gerechtfertigte Rückstellung von 3.000 DM für eine Versuchsanlage fest. Außerdem wurde die Verbuchung von 100 DM monatlicher Angestelltenversicherungsbeiträge für die Gesellschafter-Geschäftsführer als Sozialaufwand ab 1. März 1953 festgestellt. Wenn auch das Finanzgericht meint, das Finanzamt hätte diese Aufwendungen von 100 DM unbeanstandet gelassen, wenn sie ihm bekannt gewesen wären, so bleibt festzustellen, daß diese Tatsache dem Finanzamt nicht bekannt war und auch nicht hätte bekannt sein müssen. Die Annahme des Finanzgerichts, das Finanzamt hätte auch bei Kenntnis der Verbuchung der Beiträge als Sozialaufwand keine Beanstandung vorgenommen, ist durch nichts belegt; keinesfalls läßt die Anerkennung der Gehälter diesen Schluß zu, weil die dabei auftauchenden Fragen verschieden sind. Der Betrag ist darum als neue Tatsache zu werten. Diese neuen Tatsachen rechtfertigen die Berichtigungsveranlagung. Allein diese Posten führen nach der Berechnung der Vorinstanz unter Erhöhung der Gewerbesteuerrückstellung zugunsten der Steuerpflichtigen um 568 DM zu einer Körperschaftsteuer von 11.580 DM gegenüber einer veranlagten Steuer von 8.508 DM. Die rund 3.500 DM Mehrsteuern sind weder absolut noch verhältnismäßig als geringfügig anzusehen. Es braucht darum nicht mehr untersucht werden, ob auch die Tantieme- und Pensionsrückstellung und die erneute Erhöhung der Gehälter eine neue Tatsache sind. Da die oben bezeichneten übrigen Feststellungen eine Berichtigungsveranlagung rechtfertigen, wird die gesamte Veranlagung einer erneuten Prüfung unterzogen.
Da das Finanzgericht die Abzugsfähigkeit und die Angemessenheit der den Gesellschafter-Geschäftsführern zugegangenen Beträge in der Vorentscheidung nicht geprüft hat, ist dies nach Zurückverweisung nachzuholen.
-V. - Im Jahre 1954 wurde die Änderung
a)auf die Nichtabzugsfähigkeit der Pensionsrückstellung und die verdeckte Gewinnausschüttung durch überhöhte Gehälter,
b)auf die Abschreibung für die zuvor aktivierte Kompressoranlage, die Gewinnminderung durch die Aktivierung der Vakuumanlage und die Herabsetzung der Gewerbesteuerrückstellung und
c)auf die Nichtabzugsfähigkeit der Versicherungsbeiträge gestützt. Daß die unter a) genannten Beträge nicht als neue Tatsachen anerkannt werden können, ist bereits unter III. gesagt. Aber auch die unter b) bezeichneten Posten können nicht als neue Tatsachen gewertet werden, weil sie nur eine Folgewirkung der zuvor berichtigten Bilanzierung sind. Bereits im Urteil des Obersten FinanzgerichtshofsI 4/49 vom 19. November 1949 (Finanz-Rundschau 1950 S. 71 = StRK, Einkommensteuergesetz, Kontrollratgesetz Nr. 12 Art. VIII Rechtsspruch 8) wurde unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ausgeführt, daß bei der Ermittlung des Gewinnes eines Wirtschaftsjahres das Vermögen nach der Bilanz des vorhergehenden Wirtschaftsjahres in seiner Gesamtheit und in der Art seiner Zusammensetzung ein Merkmal im Sinne des § 4 Abs. 3 Ziff. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) bildet. Die gleiche Rechtsansicht kommt in den Urteilen des Bundesfinanzhofs I 23/52 U vom 1. April 1952 (BStBl 1952 III S. 144, Slg. Bd. 56 S. 369)und IV 263/56 U vom 23. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 130, Slg. Bd. 66 S. 337) zum Ausdruck. Eine hiervon abweichende Ansicht könnte allenfalls dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 440/60 S vom 21. September 1961 (BStBl 1961 III S. 574, Slg. Bd. 73 S. 847) entnommen werden. Die dort vertretene Ansicht ist aber ausschließlich auf § 26 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1957 gestützt, so daß sie für die hier in Rede stehende Frage keine Geltung beanspruchen kann.
Beruht aber die Berichtigung des auf die Aktivierung folgenden Jahres auf § 4 Abs. 2 Satz 2 StAnpG als Merkmal für das Vorliegen der Steuerschuld, so ist sie ohne Rücksicht auf das Bekanntwerden neuer Tatsachen durchzuführen. Die Änderung der Bilanz durch derartige Folgewirkungen ist also nicht durch neue Tatsachen bewirkt, und die Folgewirkungen sind keine "neuen Tatsachen" in dem hier in Rede stehenden Sinne. Die unter b) aufgeführten Bilanzänderungen rechtfertigen darum nicht die Berichtigung der Steuerfestsetzung.
Die durch die Verbuchung der Versicherungsbeiträge in Höhe von 1.200 DM als Unkosten herbeigeführte Gewinnminderung ist aber bei einem Steuersatz von 60 v. H. weder absolut noch im Vergleich zu der veranlagten Steuer unbedeutend, so daß sie eine Berichtigung der Veranlagung und damit eine Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles rechtfertigt. Im übrigen gilt für das Verfahren nach der Zurückverweisung das unter II. Gesagte.
-VI. - Im Jahre 1955 ergaben sich durch die Betriebsprüfung als neue Tatsachen, die dem Finanzamt zuvor nicht bekannt waren und bekannt sein konnten, Mehrgewinne (durch Anschaffungen für die Betriebseinrichtung, Zugang bei der Vakuumanlage und die Verbuchung der Versicherungsbeträge) von 4.143,01 DM und Gewinnminderungen (durch Absetzungen für Abnutzung und Gewerbesteuerrückstände) von 678,70 DM, so daß im Ergebnis 3.464,31 DM dem Gewinn durch Aufdeckung neuer Tatsachen zuzurechnen sind. Die Berichtigung führt zu einer Körperschaftsteuer von 11.047,50 DM, während die Veranlagung 9.490 DM Steuer festsetzte. (Das Finanzgericht ist in seinem Endurteil irrtümlicherweise von einem veranlagten Gewinn von 17.668 DM ausgegangen, der aber auf Grund einer Berichtigung der Gewinnrechnung durch die Steuerpflichtige schon vor der Betriebsprüfung auf 21.092 DM erhöht worden war.) Der Unterschiedsbetrag ist weder absolut noch relativ geringfügig, so daß er zu einer Berichtigung der Veranlagung führt. Auch hier ist eine Aufrollung der gesamten Veranlagung zulässig, so daß das Finanzgericht sich nach der Zurückverweisung mit der Frage befassen muß, ob die Bezüge der Gesellschafter-Geschäftsführer angemessen sind.
Im Ergebnis werden darum die Vorentscheidungen aufgehoben und zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen an das Finanzgericht zurückverwiesen, soweit sie sich auf die Veranlagungszeiträume 1951, 1953, 1954 und 1955 beziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 410490 |
BStBl III 1963, 100 |
BFHE 76, 282 |