Leitsatz (amtlich)
1. Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein Unternehmen, so ist objektiv festzustellen, welche einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter auf den Erwerber übergegangen sind und welcher Teilwert ihnen im Zeitpunkt der Übernahme beizulegen ist. Erst der Unterschied zwischen der Summe der Teilwerte dieser Wirtschaftsgüter und dem Kaufpreis kommt als Geschäftswert in Betracht.
2. Der Verlagswert ist im allgemeinen ein geschäftswertähnliches Wirtschaftsgut und darf daher nicht nach § 7 EStG abgeschrieben werden.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 7
Tatbestand
Die Revisionskläger sind Eheleute, die im Streitjahr 1959 zusammen veranlagt wurden. Der Ehemann (Steuerpflichtiger) erwarb durch Vertrag vom 15. Februar 1956 mit Wirkung vom 1. April 1956 den Verlag "X-Zeitschrift" mit allen Rechten und Pflichten zum Preis von 50 000 DM. Die urheberrechtlichen Befugnisse und sonstigen Rechte in Verbindung mit der Herausgabe der Zeitschrift gingen auf den Steuerpflichtigen über. Herausgeber der Zeitschrift blieb jedoch kraft Bestellung durch den Steuerpflichtigen der Verkäufer.
Der Steuerpflichtige aktivierte in der Bilanz vom 31. Dezember 1956 den Betrag von 50 000 DM als "Verlagsrechte" und schrieb ihn zum 31. Dezember 1958 auf 38 500 DM und zum 31. Dezember 1959 auf 35 700 DM ab, weil sich die Zahl der im Zeitpunkt der Übernahme des Verlags durch den Steuerpflichtigen vorhandenen Abonnenten (1799) zum 31. Dezember 1958 auf 1374 und zum 31. Dezember 1959 auf 1281 verringert habe.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung lehnte der Revisionsbeklagte (das FA) bei der Veranlagung für das Streitjahr 1959 die Abschreibung des Postens "Verlagsrechte" ab, da es sich um einen Geschäftswert handle.
Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg.
Das FG hat ausgeführt, der Kaufpreis von 50 000 DM stelle im Streitfall das Entgelt für den Geschäftswert des übernommenen Verlags dar. Eine Abschreibung des Geschäftswerts sei nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht zulässig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau. Gerügt wird, daß § 6 EStG verletzt sei. In Wiederholung ihres Vorbringens vor dem FG führen der Steuerpflichtige und seine Ehefrau aus: Der Wert der durch Vertrag vom 15. Februar 1956 erworbenen materiellen Wirtschaftsgüter sei so gering gewesen, daß er vernachlässigt werden könne. Der hauptsächliche Erwerb habe aus Rechten bestanden. Diese seien vertraglich nicht im einzelnen aufgeführt worden. Der Erwerb des gesamten Verlags schließe sie indes ein. Der Kaufpreis sei schätzungsweise wie folgt aufzuteilen:
a) 40 000 DM für Belieferungsrechte und andere Rechte aus schwebenden Verträgen,
b) 10 000 DM für das Recht am Zeitschriftentitel und den Verlagswert.
Die Abonnentenverträge seien im Streitfall langfristig gewesen und daher als selbständiges Wirtschaftsgut bewertbar. Da sich indes die Belieferungsrechte aus diesen Verträgen verbrauchten, sei eine Abschreibung im Verhältnis der nicht erneuerten Abonnements angemessen. Was den Verlagswert betreffe, habe sich im Streitfall die Zeitschrift seit dem Erwerb durch den Steuerpflichtigen im äußeren Erscheinungsbild und in ihrem Inhalt stark verändert. Der Verlagswert beim Erwerb habe sich inzwischen verflüchtigt. An seine Stelle seien neue, durch den Steuerpflichtigen geschaffene Umstände getreten, die möglicherweise einen ähnlichen Wert hätten. Der Gedanke der Einheit des Geschäftswerts finde im Gesetz keine Stütze. Eine Abschreibung auf den Wert des Rechts am Zeitschriftentitel und den Verlagswert im Streitjahr 1959 im Betrag von 560 DM sei daher zuzulassen.
Der Steuerpflichtige und seine Ehefrau beantragen, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer auf 23 724 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist zum Teil begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Auffassung des FG, der Steuerpflichtige habe im Streitfall gegen Zahlung von 50 000 DM einen Geschäftswert und keine einzelnen immateriellen Wirtschaftsgüter erworben, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Geschäftswert ist nach § 133 Nr. 5 AktG 1937, § 153 Abs. 5 AktG 1965 der Betrag, um den bei der Übernahme eines Unternehmens der Kaufpreis die einzelnen Vermögensgegenstände übersteigt. Damit übereinstimmend bezeichnet die steuerliche Rechtsprechung den Geschäftswert als den Mehrwert, der einem Unternehmen über den Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter (abzüglich der Schulden) hinaus innewohnt (Urteil des RFH VI A 1265/29 vom 29. Juli 1931, RFH 29, 221; Urteile des BFH I 61/57 U vom 15. April 1958, BFH 67, 151, BStBl III 1958, 330; I 77/64 vom 18. Januar 1967, BFH 88, 198, BStBl III 1967, 334).
Für die Ermittlung des Geschäftswerts, von dem nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 EStG nicht vorgenommen werden dürfen (BFH-Urteil I 77/64, a. a. O.), ist daher zunächst festzustellen, welche einzelnen Wirtschaftsgüter auf den Erwerber übergegangen sind und welcher Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG) ihnen im Zeitpunkt der Übernahme beizulegen ist. Zu den einzelnen Wirtschaftsgütern zählen dabei nicht nur die materiellen, sondern auch immaterielle Wirtschaftsgüter, die vom Geschäftswert abzugrenzen sind. Denn der Geschäftswert ist nicht etwa die Summe der immateriellen Wirtschaftsgüter eines Unternehmens, sondern der Ausdruck für die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit sie nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind (BFH-Urteil VI 320/64 vom 28. März 1966, BFH 85, 433, BStBl III 1966, 456). Als einzelne immaterielle Wirtschaftsgüter gesondert zu aktivieren sind z. B. - mit gewissen hier nicht näher zu erörternden Einschränkungen - die in § 151 Abs. 1 Aktivseite II A Nr. 8 AktG 1965 aufgeführten Konzessionen, gewerblichen Schutzrechte und ähnlichen Rechte sowie Lizenzen an solchen Rechten (Urteil des RG II 76/41 vom 11. September 1941, RGZ 167, 260; RFH-Urteil I A 17/34 vom 29. Juni 1934, RStBl 1934, 1075; BFH-Urteile VI 320/64, a. a. O. - Warenzeichen -; I 206/65 vom 1. August 1968, BFH 94, 52, BStBl II 1969, 66 - Lizenzen -), der Firmenname (Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs - OFH - III 27/49 vom 28. Juni 1949, Steuer und Wirtschaft II 1950 Nr. 10; BFH-Urteil VI 320/64, a. a. O.), Rechte aus der Beteiligung an Kartellen (RG-Urteil II 25/41 vom 16. Juni 1941, Deutsches Recht 1941 S. 2113; RFH-Urteil VI 215/42 vom 14. Oktober 1942, RStBl 1942, 1125), unter Umständen auch der Anspruch aus einem Wettbewerbsverbot (vgl. BFH-Urteile I 116/57 U vom 28. Oktober 1958, BFH 68, 633, BStBl III 1959, 242; VI 67, 68/64 U vom 23. Juli 1965, BFH 83, 307, BStBl III 1965, 612). Für den Streitfall ist von Bedeutung, daß auch die Gewinnaussicht aus schwebenden Verträgen ein vom Geschäftswert verschiedenes immaterielles Wirtschaftsgut sein kann (vgl. RG-Urteil II 76/41, a. a. O.; BFH-Urteil I 207/57 U vom 9. Juli 1958, BFH 67, 370, BStBl III 1958, 416; I 266/61 U vom 20. November 1962, BFH 76, 164, BStBl III 1963, 59). Danach sind auch Belieferungsrechte im Zeitschriftenvertrieb - jedenfalls bei derivativem Erwerb - als immaterielle Wirtschaftsgüter zu aktivieren (RFH-Urteil VI 303/40 vom 12. Februar 1941, RStBl 1941, 499), was nicht im Widerspruch dazu steht, daß der originäre Erwerb durch die Tätigkeit der Werber zu keiner Aktivierung eines immateriellen Wirtschaftsguts in Höhe der gezahlten laufenden Provisionen und auch nach dem Bewertungsgesetz zu keinem selbständig bewertbaren immateriellen Wirtschaftsgut führt (BFH-Urteile I 93/64 vom 29. Oktober 1969, BFH 97, 350, BStBl II 1970, 178; III R 20/66 vom 6. März 1970, BFH 99, 50, BStBl II 1970, 489).
Voraussetzung für die Annahme eines vom Geschäftswert abzugrenzenden immateriellen Wirtschaftsguts ist nicht, daß das Wirtschaftsgut in der Bilanz des Veräußerers aktiviert war (vgl. BFH-Urteil I 266/61 U. a. a. O.), entgegen der Annahme des FG auch nicht, daß in dem Vertrag über den Erwerb des Unternehmens ein besonderer Geldbetrag für das immaterielle Wirtschaftsgut ausgeworfen ist. Vielmehr ist objektiv festzustellen, welche einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter beim Erwerb eines Unternehmens übergegangen sind (vgl. BFH-Urteil I R 21/66 vom 5. Februar 1969, BFH 95, 151, BStBl II 1969, 334).
2. Im Streitfall ist den tatsächlichen Feststellungen des FG zu entnehmen, daß der Steuerpflichtige mit dem Verlag auch bestehende Belieferungsrechte erworben hat. Das FG muß nunmehr in Beachtung der vorstehenden Rechtsausführungen prüfen, in welchem Umfang dies geschehen ist, welchen Teilwert die Belieferungsrechte im Zeitpunkt des Übergangs auf den Steuerpflichtigen hatten, welche Laufzeit sie haben, innerhalb welchen Zeitraums sie daher nach § 7 EStG abzuschreiben sind und wie hoch sich die Abschreibung im Streitjahr beläuft. Die gleiche Prüfung wird das FG anstellen, falls sich die Behauptung des Steuerpflichtigen als richtig erweisen sollte, daß noch andere schwebende Verträge auf ihn übergegangen seien. Für den Ansatz als selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut kommen allerdings nur solche schwebenden Verträge in Betracht, deren Laufzeit sich über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt (§ 7 EStG).
3. Eine Abschreibung auf den nach der Behauptung des Steuerpflichtigen erworbenen Verlagswert einschließlich des Rechts am Zeitschriftentitel (vgl. Mutze, Aktivierung und Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter nach Handels- und Steuerrecht, S. 156) ist dagegen nicht zulässig. Der Verlagswert mag zwar ein vom Geschäftswert zu unterscheidendes immaterielles Wirtschaftsgut darstellen (vgl. Mutze, a. a. O.). Aber er erschöpft sich nicht innerhalb einer bestimmten oder ungefähr bestimmten Zeit und ist insofern dem Geschäftswert ähnlich (vgl. BFH-Urteil I 206/65, a. a. O.). Auch der Steuerpflichtige verkennt nicht, daß der Verlagswert und der Geschäftswert ähnliche Züge aufweisen. Er stützt jedoch seine Auffassung, AfA auf den Verlagswert seien zulässig, auf Gründe, die auch für die Zulässigkeit von AfA auf den Geschäftswert ins Feld geführt werden, die aber der BFH bis in die jüngste Zeit hinein nicht als berechtigt anerkannt hat (BFH-Urteil I 206/65, a. a. O., mit weiteren Angaben über die Rechtsprechung). Auch der RFH hat in dem Urteil VI 651/37 vom 18. November 1937 (RStBl 1938, 133) AfA auf den Verlagswert offenbar nicht gestattet.
Fundstellen
BStBl II 1970, 804 |
BFHE 1971, 89 |