1. Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken


Gewinnbesteuerung: Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken

Die Besteuerung privater Grundstücksveräußerungen nach § 23 EStG ist u.a. auch vor dem Hintergrund zunehmender Wohnungsnot und der damit einhergehenden Entwicklung auf dem Immobilienmarkt nach wie vor in hohem Maße praxisrelevant. Dies hat dazu geführt, dass der BFH sich in letzter Zeit häufiger mit Auslegungs- und Zweifelsfragen beschäftigen musste, was zu einer weiteren Klärung des Anwendungsbereichs von § 23 EStG geführt hat. Unser Top-Thema gibt einen Überblick über die in den letzten Jahren zu § 23 EStG ergangene Rechtsprechung.

Anschaffung von Grundstücken

Anschaffung eines Grundstücks bedeutet entgeltlicher Erwerb des Grundstücks als (rechtlicher oder wirtschaftlicher) Eigentümer von einem Dritten. Erfolgt die Anschaffung unentgeltlich oder teilentgeltlich, ist dem Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung des Rechtsvorgängers (insoweit) zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG).

Ist der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Benennungsrecht ausgestattet und benennt sich der Steuerpflichtige vor Ablauf der Benennungsfrist selbst als Käufer, kommt es nach Auffassung des BFH zur Anschaffung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Selbstbenennung (Selbsteintritt), selbst wenn der Benennungsberechtigte das Grundstück mit dem späteren Fristablauf ohnehin "automatisch" (Annahmefiktion) erworben hätte (BFH Urteil vom 26.10.2021 - IX R 12/20, BStBl 2022 II S. 400).

Zur Anschaffung führt auch die Anwachsung eines Gesellschaftsanteils bei den restlichen Gesellschaftern (BFH Urteil vom 19.11.2019 - IX R 24/18, BStBl 2020 II S. 225).

Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen dagegen nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht vom Übergeber übernommen hat (BFH Urteil vom 03.09.2019 - IX R 8/18, BStBl 2020 II S. 122).

Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks im Sinne von § 23 EStG. Der BFH entschied entgegen der bislang von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung (BMF, Schreiben v. 14.3.2006, BStBl I 2006 S. 253, Rz. 43), dass im Grundsatz der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer gesamthänderischen Beteiligung nicht zur (anteiligen) Anschaffung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens führt, denn eine gesamthänderische Beteiligung ist kein Grundstück und auch kein Recht, das den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt (BFH Urteil vom 26.09.2023 - IX R 13/22). Das gilt selbst dann, wenn sich im Gesamthandsvermögen nur Grundstücke befinden.

Der BFH verweist zur weiteren Begründung auf den Umstand, dass der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zivilrechtlich zu verstehen ist. Eine gesamthänderische Beteiligung vermittelt aber keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und infolgedessen auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Sie kann deshalb einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht nicht gleichgestellt werden.

Daran ändert auch § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nichts. Denn nach dieser Vorschrift wird eine anteilige Zurechnung im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, den Besteuerungstatbestand erfüllt. Bei Anschaffungs- oder Veräußerungsvorgängen, die ‑ wie im Streitfall ‑ von einzelnen Gesellschaftern oder Gemeinschaftern verwirklicht werden, ist dagegen eine Zurechnung nach Bruchteilen nicht erforderlich. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist daher nicht anzuwenden, wenn der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts deshalb nicht erfüllt ist, weil kein Grundstück, sondern ein Gesellschafts- oder Gemeinschaftsanteil angeschafft worden ist. Soweit der BFH mit Urteil vom 20.04.2004 - IX R 5/02 (BStBl II 2004 S. 987) eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht länger fest.

Veräußerung von Grundstücken

Private Veräußerungsgeschäfte sind u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Unerheblich ist, ob es sich um unbebaute oder bebaute Grundstücke handelt. Zu beachten ist ferner, dass Gebäude und Außenanlagen einzubeziehen sind, soweit sie innerhalb des 10-Jahreszeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden. Entsprechendes gilt für Gebäudeteile, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).

Die Begriffe "Anschaffung" und "Veräußerung" erfassen entgeltliche Erwerbs- und Übertragungsvorgänge, die wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen; sie müssen Ausdruck einer wirtschaftlichen Betätigung sein. Der BFH hat hierzu entschieden, dass es an einer willentlichen Übertragung auf eine andere Person fehlt, wenn – wie im Falle einer Enteignung – der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen (und ggf. auch gegen seinen Willen) stattfindet. Diese am Wortlaut orientierte Gesetzesauslegung entspricht dem historischen Willen des Gesetzgebers und ist auch vor dem Hintergrund eines systematischen Auslegungsansatzes folgerichtig. Der Eigentumsverlust durch Enteignung ist daher keine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, da der Entzug des Eigentums ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet (BFH Urteil vom 23.07.2019 - IX R 28/18, BStBl 2019 S. 701).

Ein Mobilheim ist zwar kein unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG fallendes Grundstück, aber ein anderes Wirtschaftsgut i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, das nicht von der Steuerbefreiung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG erfasst wird, sodass sich ein nach § 23 EStG steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn ergeben kann (BFH Urteil vom 24.05.2022 - IX R 22/21, BStBl 2023 II S. 108).

Scheidet ein Gesellschafter aus einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft gegen Zahlung einer Abfindung aus und wächst sein Anteil den verbleibenden Gesellschaftern nach § 738 Abs. 1 BGB an, wird dieser Anwachsungserwerb durch die verbleibenden Gesellschafter jeweils einzeln und nicht in der Einheit der Gesellschaft verwirklicht (BFH Urteil vom 19.11.2019 - IX R 24/18, BStBl 2020 II S. 225).

Bei Erteilung einer sanierungsrechtlichen Genehmigung kann von einer (rechtsgeschäftlichen) "Anschaffung" oder "Veräußerung" nur gesprochen werden, wenn die Vertragserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind (BFH Urteil vom 25.03.2021 - IX R 10/20, BStBl 2021 II S. 758).

Ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 EStG liegt auch insoweit vor, als dem Steuerpflichtigen aufgrund des Ausscheidens eines weiteren Gesellschafters aus einer grundbesitzverwaltenden GbR ein weitergehender Gesellschaftsanteil anwächst und die GbR ausgehend von diesem Zeitpunkt den Grundbesitz innerhalb der Zehnjahresfrist veräußert (Niedersächsisches FG Urteil vom 25.05.2023 - 4 K 186/20, EFG 2023 S. 1537).

Zur entgeltlichen Ablösung eines Nießbrauchrechts hat das FG Münster entschieden, dass hierin kein Veräußerungsvorgang i.S.d. § 23 EStG, sondern ein von dieser Vorschrift nicht erfasster veräußerungsähnlicher Vorgang zu sehen ist (FG Münster Urteil vom 12.12.2023 - 6 K 2489/22 E, Rev. zugelassen). Denn eine "Veräußerung" setzt nicht nur die Entgeltlichkeit des Übertragungsvorgangs, sondern auch einen Rechtsträgerwechsel an dem veräußerten Wirtschaftsgut voraus. Da das Nießbrauchrecht gem. § 1059 BGB kraft ausdrücklich gesetzlicher Regelung nicht übertragbar ist, fehlt es jedoch an einem Rechtsträgerwechsel. Vielmehr führt der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht zu dessen Erlöschen. Insofern handelt es sich um die endgültige Aufgabe eines Vermögenswertes in seiner Substanz und damit um einen veräußerungsähnlichen Vorgang, der von § 23 EStG nicht erfasst wird.

Veräußerungsfrist

Für die Berechnung der 10-Jahresfrist kommt es jeweils auf das obligatorische Rechtsgeschäft an. Wird der 10-Jahreszeitraum überschritten, kommt es schon dem Grunde nach nicht zu einer Besteuerung.

Bei Veräußerung eines im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erworbenen Grundstücks ist bei der Fristberechnung von dem Zeitpunkt des entgeltlichen Erwerbs durch den Rechtsvorgänger auszugehen (BFH Urteil vom 12.07.1988 - IX R 149/83, BStBl 1988 II S. 942). Entsprechendes gilt bei einem im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworbenen Grundstück (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG). Ein unentgeltlicher Erwerb i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG liegt vor, wenn im Rahmen der Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Übergeber ein (dingliches) Wohnrecht eingeräumt wird und die durch Grundschulden auf dem Grundstück abgesicherte Darlehen des Rechtsvorgängers nicht übernommen werden. Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen auch nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht vom Übergeber übernommen hat (BFH Urteil vom 03.09.2019 - IX R 8/18, BStBl 2020 II S. 122).

Teil 2: Ausnahme von der Besteuerung bei selbstgenutztem Wohneigentum

Schlagworte zum Thema:  Einkommensteuer, Grundstück, Immobilien