Entscheidungsstichwort (Thema)
Tätigkeit des Beauftragten eines Testamentsvollstreckers gewerblich?
Leitsatz (NV)
Derjenige, der vom Testamentsvollstrecker mit der Verwertung eines vorwiegend aus Grundvermögen bestehenden Nachlasses beauftragt ist, übt keine sonstige selbständige Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 3; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1; BGB § 2221
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der ein Hochschulstudium als Wirtschaftsingenieur absolviert hat, beriet seit 1971 den Kaufmann G in dessen Eigenschaft als geschäftsführender Gesellschafter der G-GmbH. Die Vergütungen, die er bis zu Herrn G`s Tod hierfür erhielt, bezeichnete er in seinen Steuererklärungen als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (Beratungstätigkeit). Sie wurden vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) auch so besteuert.
Im Juli 1975 starb Herr G. Kurz zuvor hatte er in einem Testament den Kaufmann B zum Testamentsvollstrecker ernannt. In dieser letztwilligen Verfügung hatte der Erblasser den Wunsch geäußert, daß die G GmbH nach Möglichkeit erhalten bleiben solle. Der Testamentsvollstrecker sollte daher den Versuch machen, die GmbH in eine zu diesem Zweck zu gründende Stiftung einzubringen. Die GmbH befand sich im Zeitpunkt des Todes in finanziellen Schwierigkeiten. Demgegenüber verfügte der Erblasser über andere beträchtliche Vermögenswerte, die zu mehr als 90 v. H. aus Grundbesitz bestanden.
Am 31. August 1975 unterzeichneten der Kläger und der Testamentsvollstrecker eine als Beratervertrag bezeichnete Vereinbarung. In diesem Vertrag heißt es:
,,1. Die Beratertätigkeit beinhaltet die Aufgabe, den Testamentsvollstrecker bei der Verwertung des Nachlasses, hier insbesondere des Grundvermögens, zu unterstützen. Dies gilt auch für den Abschluß und die Abwicklung von Grundstückskauf- oder Mietverträgen.
2. Die Tätigkeit beginnt am 21. 8. 1975 und endet nach Abschluß der Verwertung des Grundvermögens.
3. Das Honorar beträgt 5 % des jeweiligen Kaufpreises lt. Kaufvertrag; ggf. gilt der kapitalisierte Mietertrag . . .
4. Sollten bis zum 28. 2. 1976 die Grundstücke oder Teile hiervon nicht veräußert sein, so erhält der Berater ein Mindesthonorar von DM 30 000. Dies wiederholt sich jeweils nach weiteren 6 Monaten der Beratertätigkeit, letztmalig am 31. 8. 1977, jedoch mit der Maßgabe, daß diese Zahlungen auf das endgültige Honorar gemäß Abs. 3 des Vertrages Anrechnung finden."
Am 25. August 1975 wurde der Kläger zum Geschäftsführer der G GmbH bestellt. Er erzielte in dieser Eigenschaft in der Zeit von September bis Dezember 1975 Bruttoeinnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von insgesamt 5 000 DM.
Im September 1976 bestellte der Testamentsvollstrecker den Kläger zum Generalbevollmächtigten für alle den Nachlaß G betreffenden Angelegenheiten. Wörtlich heißt es in der Vollmachtsurkunde: ,,Der Bevollmächtigte soll befugt sein, jede Rechtshandlung, die ich selbst als Testamentsvollstrecker vornehmen könnte, für mich mit derselben Wirkung vorzunehmen, wie wenn ich sie selbst vorgenommen hätte." Die Vollmacht sollte am 31. März 1977 erlöschen. In der Urkunde wird auf den Beratervertrag vom 21. August 1975 nicht Bezug genommen.
In den Streitjahren (1976 bis 1978) erzielte der Kläger bei der Veräußerung der Grundstücke Erlöse in Höhe von ca. . . . DM. Dafür erhielt er - zugleich zur Abgeltung seiner Bemühungen für die Abwicklung von Schriftverkehr mit den Erben, die Einberufung von Erbenversammlungen und die Erledigung von Behördenangelegenheiten - in den Streitjahren Vergütungen in Höhe von insgesamt . . . DM. Der Schlußabrechnung vom 7. Januar 1980 zufolge betrugen die Aktivwerte des Nachlasses . . . DM. Hiervon entfielen auf die Erlöse aus Grundstücksveräußerungen . . . DM. Es waren Verbindlichkeiten einschließlich Nachlaßregelungskosten in Höhe von . . . DM abzuwickeln. Der Kläger stellte seine Vergütungen dem Testamentsvollstrecker in Rechnung.
Im Anschluß an eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, daß der Kläger mit der Tätigkeit für den Nachlaß G Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe und setzte daher für die Streitjahre einheitliche Gewerbesteuermeßbeträge und Gewerbesteuer fest. Die hiergegen beim Finanzgericht (FG) erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Die Gründe der finanzgerichtlichen Entscheidung sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 119 abgedruckt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision. Er rügt die fehlerhafte Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des FG die Gewerbesteuermeßbetrags- und Gewerbesteuerbescheide 1976 bis 1978 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG ist ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, daß die Tätigkeit, die der Kläger im Rahmen der Regelung des Nachlasses G ausgeübt hat, nicht als sonstige selbständige Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzusehen ist. Die - neben der freiberuflichen Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und der Tätigkeit als Einnehmer einer staatlichen Lotterie (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 EStG) - erwähnte ,,sonstige selbständige Arbeit" (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) wird im Gesetz nicht näher umschrieben; lediglich beispielhaft werden als ,,sonstige selbständige Arbeit" die Vollstreckung von Testamenten, die Vermögensverwaltung sowie die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied genannt.
2. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Kläger kein Testamentsvollstrecker war. Er war weder durch den Erblasser mit letztwilliger Verfügung (§ 2197 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) noch durch das Nachlaßgericht (§ 2200 BGB) eingesetzt worden. Der Testamentsvollstrecker B hat auch nicht zugunsten des Klägers auf sein Amt verzichtet (§ 2199 BGB). Der Kläger wird infolgedessen von der Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht erfaßt, denn mit der von dieser Vorschrift gewählten Formulierung ,,Vergütung für die Vollstreckung von Testamenten" ist die Vergütung des nach den Vorschriften des BGB eingesetzten Testamentsvollstreckers gemeint. Nur dieser ist in der Lage, die testamentarischen Anordnungen zu ,,vollstrecken", d. h. den Willen des Erblassers im eigenen Namen und unabhängig von den Erben auszuführen. Um den Willen des Erblassers ausführen zu können, ist der Testamentsvollstrecker Inhaber eines privaten Amtes mit umfangreichen Rechten (§§ 2055 ff. BGB) und Pflichten (§§ 2215 bis 2218 BGB), für deren Erfüllung er Erben und Vermächtnisnehmern gegenüber verantwortlich ist (§ 2219 BGB). Diese Rechte und Pflichten hängen von der Wirksamkeit der Bestellung ab (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 7. Juni 1982 IV a ZR 36/81, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1983, 40). In ähnlicher Weise hat der Senat bereits entschieden, daß nur derjenige eine sonstige selbständige Arbeit als Konkursverwalter ausübt, der als amtlich bestelltes Organ mit Wirkung für und gegen die Masse und den Gemeinschuldner handeln kann (Urteil vom 11. Mai 1989 IV R 152/86, BFHE 157, 148, BStBl II 1989, 729).
3. Daraus, daß das Gesetz in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG die Vergütung des Testamentsvollstreckers und der Vermögensverwalter nur beispielhaft erwähnt, ist allerdings zu schließen, daß auch Tätigkeiten, die den im Gesetz genannten ähnlich sind, als sonstige selbständige Arbeit anzusehen sind (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 27. Juli 1938 VI 426/38, RStBl 1938, 843; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Oktober 1977 I R 110/76, BFHE 123, 507, BStBl II 1978, 137; vom 3. Dezember 1987 IV R 41/85, BFHE 151, 446, BStBl II 1988, 266).
Ähnlichkeit mit der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers setzt jedoch voraus, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit dem typischen Erscheinungsbild des Testamentsvollstreckers vergleichbar ist. So wird als testamentsvollstreckerähnlich z. B. regelmäßig die Tätigkeit eines Steuerpflichtigen zu bezeichnen sein, der aufgrund einer nur vermeintlichen Bestellung Testamentsvollstreckeraufgaben ausführt (vgl. für die Umsatzsteuer BFH-Urteil vom 13. März 1987 V R 33/79, BFHE 149, 313, 315, BStBl II 1987, 524, 525).
Demgegenüber unterscheidet sich die Tätigkeit des Klägers in mehrfacher Hinsicht vom typischen Erscheinungsbild des Testamentsvollstreckers. Zum einen war er nicht - wie es § 2219 BGB für den Testamentsvollstrecker vorsieht - den Erben, sondern seinem Auftraggeber, dem Testamentsvollstrecker B, verantwortlich. Zum anderen lag der Schwerpunkt seines Auftrags darin, das zum Nachlaß gehörige Grundvermögen zu veräußern. Das ergibt sich aus der Vereinbarung vom 31. August 1975. Der Kläger sollte den Testamentsvollstrecker bei der Verwertung des Nachlasses unterstützen. Der Grundbesitz machte mit einem Wert von rd. . . . DM 90 v. H. des Gesamtnachlasses aus. Nach Ziffer 4 der Vereinbarung vom 31. August 1975 sollte der Kläger lediglich . . . DM erhalten, wenn die Grundstücke bis zum 31. August 1977 nicht verkauft sein sollten. Dieser Betrag entspricht nur ca. 34 v. H. der in Ziffer 3 für den Fall der Veräußerung vereinbarten Vergütung. Somit weist seine Tätigkeit mehr Ähnlichkeit mit der des Maklers als mit der des Testamentsvollstreckers aus. Der Makler ist jedoch kaufmännisch und daher im steuerlichen Sinne gewerblich tätig (RFH-Entscheidung vom 1. Juni 1938 VI 273/38, RStBl 1938, 842).
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ein nach den Vorschriften des BGB bestellter Testamentsvollstrecker auch dann nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG besteuert würde, wenn mit ihm eine ähnliche Vergütungsvereinbarung getroffen worden wäre. Diese Einlassung unterstellt, daß solche nach dem Erfolg einer Tätigkeit ausgerichteten Gebührenvereinbarungen mit § 2221 BGB vereinbar wären. Es ist jedoch ernsthaft in Zweifel zu ziehen, daß Gebühren nach der Art einer Maklerentlohnung den Anforderungen an eine angemessene Vergütung im Sinne dieser Vorschrift gerecht würden. Nach h. M. bemißt sich die Vergütung eines Testamentsvollstreckers vor allem nach Umfang und Wert des Nachlasses, der Dauer der Verwaltung, dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäfte des Testamentsvollstreckers; auch die Größe seiner Verantwortung, die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen sind zu berücksichtigen. Dafür haben sich besondere Gebührenrichtlinien herausgebildet (vgl. Staudinger-Reimann, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 2221 Rdnr. 15; BGB / RGRK, 12. Aufl., § 2221 Rdnr. 8; Brandner in Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 2221 Rdnr. 8; Soergel-Damrau, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., § 2221 Rdnr. 14). Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, daß eine rein erfolgsabhängig gezahlte Maklerprovision geeignet ist, die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker abzugelten. Erst recht kann nicht aus dieser Art von Vergütung hergeleitet werden, daß sie auch für eine dem Testamentsvollstrecker ähnliche Tätigkeit unschädlich wäre.
4. Schließlich hat das FG auch zu Recht angenommen, daß der Kläger selbständig, nachhaltig, mit Gewinnerzielungsabsicht und unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (§ 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV - a. F., ab 1983: § 15 Abs. 2 EStG) tätig geworden ist. Hiervon bedürfen die Selbständigkeit und die Gewinnerzielungsabsicht keiner besonderen Darlegung. Nachhaltig ist der Kläger tätig geworden, weil die Durchführung des Entschlusses, bei der Auflösung des Nachlasses mitzuwirken, sich über mehrere Jahre hinzog und zahlreiche Einzelhandlungen erforderte (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 17. Januar 1973 I R 191/72, BFHE 108, 190, 192, BStBl II 1973, 260; vom 10. August 1983 I R 120 /80, BFHE 139, 386, BStBl II 1984, 137; vom 9. Dezember 1986 VIII R 317/82, BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244, für drei Verkäufe). Der Umstand, daß die Einzelhandlungen der Auseinandersetzung eines einzigen Nachlasses dienten, ändert hieran nichts (BFH-Urteil vom 7. August 1975 V R 43/71, BFHE 117, 113, BStBl II 1976, 57; Urteil des FG Düsseldorf vom 20. März 1980 XVII (VIII) 180/75 UM, EFG 1980, 466; Urteil des FG Hamburg vom 21. Oktober 1983 V 279/81, EFG 1984, 316). Der Kläger beteiligte sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Dazu war nicht erforderlich, daß er seine (Makler-)Leistungen einer Mehrzahl von Interessenten angeboten hat. Es genügt vielmehr, daß für außenstehende Dritte erkennbar wurde, daß der Kläger ein Gewerbe betrieb (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851).
Fundstellen
Haufe-Index 416691 |
BFH/NV 1990, 372 |