Entscheidungsstichwort (Thema)
Unerheblichkeit von Handlungen oder Unterlassungen nach dem Entstehen der Zollschuld; keine Heilung einer zollschuldbegründenden Verfehlung durch eine nur formell, nicht auch inhaltlich richtige Zollanmeldung
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Zollschuld für eine Ware einmal entstanden, sind nachfolgende Handlungen oder Unterlassungen in Bezug auf diese Ware zollschuldrechtlich grundsätzlich unerheblich. Eine Zollschuld kann daher nicht mehr durch ein Entziehen einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der zollamtlichen Überwachung entstehen, wenn bereits zuvor hinsichtlich der nämlichen Ware eine Zollschuld durch eine Pflichtverletzung entstanden ist.
2. Wird eine Nichtgemeinschaftsware, die sich in der vorübergehenden Verwahrung befindet, nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist zur Überführung in ein Zollverfahren angemeldet, kann dies nur dann zur Heilung der in der Fristüberschreitung liegenden Verfehlung führen, wenn eine nicht nur formell ordnungsgemäße, sondern auch inhaltlich richtige Zollanmeldung abgegeben wird.
Normenkette
ZK Art. 49 Abs. 1 Buchst. b, Art. 203 Abs. 1, Art. 204 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2; ZKDV Art. 859 Anstrich 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war als Abfertigungsbeamter beim Zollamt (ZA) U des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt ―HZA―) tätig.
Am 28. September 1995 wurden von der Zollbehörde in Rotterdam 1 154 Karton Rindfleisch aus den USA und 277 Karton Rinderzungen aus Argentinien in das externe Versandverfahren übergeführt. Empfängerin der Waren war die E AG (E), die von X gegründet worden war, der sich unter anderem mit der Einfuhr, der Ausfuhr und dem Handel von Fleischwaren befasste. Die Waren wurden am 29. September 1995 beim ZA gestellt und der E zur vorübergehenden Verwahrung mit der Maßgabe überlassen, bis zum zwanzigsten Tag nach Abgabe der summarischen Anmeldung eine Zollanmeldung abzugeben.
Am 26. Oktober 1995 nahm der Kläger eine Versandanmeldung an, mit der 1 431 Karton gefrorenes Rindfleisch ohne Knochen in das externe Versandverfahren übergeführt wurden. Hierbei handelte es sich um dieselben Waren, die der E zuvor überlassen worden waren. Die Waren sollten über Griechenland nach Bulgarien ausgeführt werden. Spätere Ermittlungen des Zollfahndungsamts M ergaben, dass die Unterschrift des Hauptverpflichteten in der Versandanmeldung gefälscht worden war. Die griechische Zollfahndung teilte überdies mit, der Versandschein sei bei der Bestimmungsstelle nicht registriert und abgefertigt worden. Die handschriftlich auf dem für die Abgangsstelle bestimmten Exemplar des Versandscheins vermerkte Registriernummer sei unzutreffend und die dort vorhandene Unterschrift eines Beamten der griechischen Zollverwaltung sei gefälscht.
Das HZA ging davon aus, dass die am 26. Oktober 1995 in das externe Versandverfahren übergeführten Waren der Bestimmungsstelle nicht gestellt, sondern der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien. Hieran sei der Kläger beteiligt gewesen, weil er eine in wesentlichen Punkten unrichtige Versandanmeldung angenommen habe. Das HZA setzte deshalb gegen ihn mit Bescheid vom 31. August 1998 Zoll und Einfuhrumsatzsteuer fest.
Das Finanzgericht (FG) wies die vom Kläger nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage aus den in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2004, 61 (teilweise) veröffentlichten Gründen ab. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.
Das HZA macht geltend, die Revision sei unzulässig, weil sich der Kläger in seiner Revisionsbegründung nicht mit den in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geregelten Zulassungsvoraussetzungen auseinander gesetzt habe. Jedenfalls sei die Revision unbegründet. Das FG habe zu Recht angenommen, dass der Kläger aufgrund seiner Beteiligung an der Entziehung der Waren aus dem Versandverfahren Zoll- und Steuerschuldner geworden sei. Vor dem Hintergrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf vergleichbaren Fällen bestünden keine Zweifel daran, dass er auch im Streitfall gewusst habe, dass sein Verhalten die Möglichkeit einer Entziehung der Waren aus der zollamtlichen Überwachung eröffnen würde. Die Zollschuld sei auch nicht zuvor nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex ―ZK―) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 302/1) entstanden. Die Versäumung der Frist des Art. 49 Abs. 1 Buchst. b ZK habe sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung nicht wirklich ausgewirkt. Die Voraussetzungen des Art. 859 Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (Zollkodexdurchführungsverordnung ―ZKDVO―) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) lägen vor. Bei der Fristüberschreitung habe es sich nicht um den Versuch gehandelt, die Waren der zollamtlichen Überwachung zu entziehen. Die E habe als unerfahrene Wirtschaftsteilnehmerin auch nicht grob fahrlässig gehandelt. Die erstmalige Fristüberschreitung um wenige Tage sei als entschuldbarer Arbeitsfehler anzusehen. Mit der Gestellung der Waren und der Abgabe der Versandanmeldung habe die E die Förmlichkeiten erfüllt, um die Situation zu bereinigen. Schließlich wäre nach der 1995 maßgeblichen und in der Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung unter Z 06 01 veröffentlichten Dienstanweisung eine Fristverlängerung ohne weiteres gewährt worden. Diese Fristverlängerung sei dem Kläger zudem durch die Annahme der Gestellung und der Versandanmeldung konkludent bewilligt worden.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Revision ist zulässig. Der Inhalt der Revisionsbegründung entspricht den gesetzlichen Anforderungen.
Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert, dass die erhobene Rüge eindeutig erkennen lassen muss, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält. Ferner muss der Revisionskläger die Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. April 2002 VII R 109/00, BFH/NV 2002, 1185; vom 31. Oktober 2002 VII R 4/02, BFH/NV 2003, 328, 329). Demgemäß muss sich der Revisionskläger mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinander setzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. Oktober 1998 III R 7/98, BFH/NV 1999, 501, 502; Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 328, 329).
Der Kläger rügt in seiner Revisionsbegründung eine fehlerhafte Anwendung der Art. 58 Abs. 2, 62, 63, 203 Abs. 1, 204 Abs. 1 und 3 ZK, der Art. 859 und 860 ZKDVO sowie des § 32 der Abgabenordnung (AO 1977) durch das FG. Er setzt sich auch mit den tragenden Gründen der Vorentscheidung auseinander und legt dar, weshalb er diese für unrichtig hält. Eine Auseinandersetzung mit den Zulassungsgründen des § 115 Abs. 2 FGO ist nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 21. November 2002 VII R 57/01, BFH/NV 2003, 525, 526).
2. Die Revision ist auch begründet. Der Steuerbescheid vom 31. August 1998 und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie sind daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Da das FG zur gegenteiligen Entscheidung gelangt ist, führt die Revision zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
Die Zollschuld konnte im Streitfall nicht mehr nach Art. 203 Abs. 1 ZK dadurch entstehen, dass die am 26. Oktober 1995 in das externe Versandverfahren übergeführten Waren ―wie das FG angenommen hat― der Bestimmungsstelle nicht gestellt und von den Transportfahrzeugen entfernt worden sind. Denn zuvor ist jedenfalls eine Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 ZK entstanden. Entsprechendes gilt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer.
a) Es entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH― (Urteil vom 20. September 1988 Rs. 252/87 ―Kiwall―, EuGHE 1988, 4753 Rdnr. 11 f.; vgl. auch Urteil vom 11. Juli 2002 Rs. C-371/99 ―Liberexim―, EuGHE 2002, I-6227 Rdnr. 57 ―zu Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG und mehreren vorschriftswidrigen Handlungen im externen Versandverfahren―) sowie der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 1. April 1999 VII R 41/98, BFH/NV 1999, 1396, 1398), dass eine Zollschuld durch die Annahme einer Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr (Art. 201 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 ZK) nicht mehr entstehen kann, wenn für dieselbe Ware bereits zuvor eine Zollschuld durch ein vorschriftswidriges Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft (Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK), durch ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung (Art. 203 Abs. 1 ZK) oder durch eine Pflichtverletzung (Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK) entstanden ist. Entsprechendes hat zu gelten, wenn es darum geht, ob eine Zollschuld durch ein Entziehen einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der zollamtlichen Überwachung (Art. 203 Abs. 1 ZK) entstehen kann, wenn bereits zuvor hinsichtlich der nämlichen Ware eine Zollschuld durch eine Pflichtverletzung (Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK) entstanden ist. Auch insoweit kommt es auf den zeitlich ersten zollschuldrechtlich erheblichen Vorgang an. Ist die Zollschuld für eine Ware einmal entstanden, sind nachfolgende Handlungen oder Unterlassungen in Bezug auf diese Ware zollschuldrechtlich grundsätzlich unerheblich (vgl. Witte, Zollkodex, 3. Aufl., Vor Art. 201 Rz. 11; Stiehle in Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 3. Aufl., Art. 201 Rz. 14; Stüwe in Hübschmann/Hepp/Spitaler ―HHSp―, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., Vor Art. 201 - 216 ZK Rz. 37; a.A. Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen vom 30. September 2004 Rs. C-195/03 ―Merabi Papismedov u.a.― Rdnr. 94 ff., ohne sich jedoch mit der bislang ergangenen Rechtsprechung des EuGH auseinander zu setzen). Dabei kommt der Vorrang des Art. 203 ZK im Verhältnis zu Art. 204 ZK (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Februar 2004 Rs. C-337/01 ―Hamann―, BFH/NV-Beilage 2004, 153 Rdnr. 29) nicht zum Tragen, weil es nicht um die Entstehung einer Zollschuld aufgrund derselben Handlung oder Unterlassung geht.
b) Anders als das FG meint, ist im Streitfall für die am 26. Oktober 1995 in das externe Versandverfahren übergeführten Waren bereits zuvor nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK eine Zollschuld entstanden. Hiernach entsteht unter anderem eine Einfuhrzollschuld, wenn in anderen als den in Art. 203 ZK genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung ergeben, es sei denn, dass sich diese Verfehlung nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung nicht wirklich ausgewirkt hat. Die am 29. September 1995 beim ZA gestellten Waren hatten die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung (Art. 55, 50 Satz 1 ZK) und mussten nach Art. 48 ZK eine für Nichtgemeinschaftswaren zulässige zollrechtliche Bestimmung erhalten. Gemäß Art. 49 Abs. 1 Buchst. b ZK mussten innerhalb von zwanzig Tagen ab dem Tag der Abgabe der summarischen Anmeldung die Förmlichkeiten erfüllt werden, damit die Waren eine zollrechtliche Bestimmung erhielten. Die summarische Anmeldung stellte hier das für die Bestimmungsstelle bestimmte Exemplar des Versandscheins dar (Art. 183 Abs. 3 ZKDVO), das mit einem Sichtvermerk der Zollstelle zu versehen war (Art. 183 Abs. 2 ZKDVO). Der von der Zollbehörde in Rotterdam ausgestellte Versandschein, auf den das FG Bezug genommen hat, enthält einen Sichtvermerk des ZA vom 2. Oktober 1995. Die Frist des Art. 49 Abs. 1 Buchst. b ZK endete mithin gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 2 Buchst. b und Abs. 4 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG, EURATOM) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABlEG Nr. L 124/1) am Montag, dem 23. Oktober 1995. Die der E überlassenen Waren wurden jedoch erst am 26. Oktober 1995 zur Überführung in das externe Versandverfahren angemeldet. Mit Ablauf der am 23. Oktober 1995 endenden Frist entstand daher nach Art. 204 Abs. 2 ZK eine Zollschuld (vgl. Witte, a.a.O., Art. 204 Rz. 63; Stiehle in Schwarz/Wockenfoth, a.a.O., Art. 204 Rz. 32; Stüwe in HHSp, a.a.O., Art. 204 ZK Rz. 94). Zoll- und Steuerschuldnerin wurde die E und nicht der Kläger (Art. 204 Abs. 3 ZK; § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG 1993).
c) Entgegen der vom HZA vertretenen Auffassung hat sich die Pflichtverletzung auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung auch wirklich ausgewirkt. Insoweit enthält Art. 859 ZKDVO eine abschließende Regelung der Voraussetzungen, unter denen die Abgabenschuld nach Art. 204 Abs. 1 ZK ausnahmsweise nicht entsteht (vgl. EuGH-Urteil vom 11. November 1999 Rs. C-48/98 ―Söhl & Söhlke―, EuGHE 1999, I-7877 Rdnr. 43; Senatsurteil vom 13. November 2001 VII R 88/00, BFHE 196, 383, 386, BStBl II 2003, 726, 728). Es kann dahinstehen, ob überhaupt eine Heilung der Pflichtverletzung nach Art. 859 Nr. 1 ZKDVO in Betracht kommt, weil ―wie das HZA meint― eine Fristverlängerung gewährt worden wäre, sofern sie rechtzeitig beantragt worden wäre. Eine Anwendung des Art. 859 Nr. 1 ZKDVO scheitert jedenfalls daran, dass im Streitfall nicht alle notwendigen Förmlichkeiten erfüllt wurden, um die Situation der Waren zu bereinigen (Art. 859 Anstrich 3 ZKDVO). Hierzu müssen die Folgen der Verfehlung beseitigt werden. Besteht die Verfehlung darin, dass eine Nichtgemeinschaftsware nicht innerhalb der in Art. 49 Abs. 1 Buchst. b ZK vorgesehenen Frist eine zollrechtliche Bestimmung erhalten hat, ist alles Notwendige zu veranlassen, damit dies geschieht. Das kann die Überführung der Ware in ein Zollverfahren sein (Art. 4 Nr. 15 Buchst. a ZK), so dass nachträglich eine entsprechende Zollanmeldung abzugeben ist ―Art. 59 Abs. 1 ZK― (vgl. Witte, a.a.O., Art. 204 Rz. 43; Lichtenberg in Dorsch, Zollrecht, Art. 204 ZK Rz. 7; Stüwe in HHSp, a.a.O., Art. 204 ZK Rz. 74). Dabei versteht es sich von selbst, dass zur Heilung einer Verfehlung nicht nur eine formell ordnungsgemäße (vgl. Witte, a.a.O., Art. 204 Rz. 43), sondern auch inhaltlich richtige Zollanmeldung abzugeben ist.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war die Unterschrift des Hauptverpflichteten in der am 26. Oktober 1995 abgegebenen Versandanmeldung gefälscht. Der Hauptverpflichtete ist Inhaber des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens (Art. 96 Abs. 1 Satz 1 ZK). Ihm kommt aufgrund der ihm in Art. 96 Abs. 1 Satz 2 ZK auferlegten Pflichten eine besondere Garantenstellung im Hinblick auf die ordnungsgemäße Durchführung des gemeinschaftlichen Versandverfahrens zu (vgl. Senatsurteile vom 26. August 1997 VII R 82/96, BFH/NV 1998, 1008, 1009; vom 12. Juni 2001 VII R 67/00, BFH/NV 2002, 80, 82). Ist die nach Art. 346 Abs. 2 ZKDVO in der im Streitfall geltenden Fassung erforderliche Unterschrift des Hauptverpflichteten in einer Versandanmeldung gefälscht, kann es zu dieser für das Versandverfahren wesentlichen Begründung der Pflichtenstellung einer Person nicht kommen. Eine derartige Versandanmeldung kann eine vorangegangene Verfehlung daher nicht heilen.
Unentschieden bleiben kann hiernach, ob die Versandanmeldung vom 26. Oktober 1995 auch deshalb nicht geeignet war, die Situation der Waren zu bereinigen, weil statt der tatsächlich der E überlassenen 1 154 Karton Rindfleisch und 277 Karton Rinderzungen 1 431 Karton gefrorenes Rindfleisch ohne Knochen angemeldet wurden. Die in einem Versandschein enthaltene Warenbezeichnung dient der Feststellung der Nämlichkeit der Waren, die Gegenstand des Verfahrens sind (vgl. EuGH-Urteil vom 29. April 2004 Rs. C-222/01 ―British American Tobacco Manufacturing―, BFH/NV-Beilage 2004, 286 Rdnr. 52). Eine Versandanmeldung muss die Beschaffenheit einer Ware daher zumindest im Kern richtig bezeichnen (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 1990 VII R 130-131/87, BFHE 161, 266, 268). Diese Anforderung könnte hinsichtlich der 277 Karton Rinderzungen möglicherweise nicht erfüllt sein, weil diese Waren als genießbare Schlachtnebenerzeugnisse von Rindern in gefrorenem Zustand in die Unterpos. 0206 21 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 3115/94 der Kommission vom 20. Dezember 1994 (ABlEG Nr. L 345/1) einzureihen sind, während gefrorenes Rindfleisch ohne Knochen der zu einer anderen Position gehörenden Unterpos. 0202 30 KN zuzuweisen ist.
Der Senat hält es aufgrund der Rechtsprechung des EuGH für eindeutig, dass der Kläger wegen der bereits nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK entstandenen Zollschuld nicht Zoll- und Steuerschuldner geworden ist. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 ―C.I.L.F.I.T.―, EuGHE 1982, 3415 Rdnr. 16).
Fundstellen
Haufe-Index 1305884 |
BFH/NV 2005, 486 |
BFHE 2005, 570 |
BFHE 207, 570 |
BB 2005, 371 |
DStRE 2005, 281 |
DStZ 2005, 138 |
HFR 2005, 346 |