Leitsatz (amtlich)
Personenbeförderungen mit Seilschwebebergbahnen fallen nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b BefStG 1955.
Normenkette
BefStG 1955 § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) betreibt unter anderem eine Seilschwebebahn als Bergbahn mit Talstation in der Gemeinde B. und mit Bergstation in der angrenzenden Gemeinde S. Der Bundesminister der Finanzen nahm mit Erlaß vom 5. Dezember 1956 die Bfin. von der Verpflichtung zur Entrichtung der Beförderungsteuer insoweit aus, als die Steuer für Beförderungen mit dieser Bergbahn in den Besteuerungszeiträumen 1955 und 1956 4 v. H. der Beförderungseinnahmen und im Besteuerungszeitraum 1957 6 v. H. der Beförderungseinnahmen übersteigt. Das Finanzamt setzte für das Rumpfjahr 1955 (1. Juni - 31. Dezember 1955) die Beförderungsteuer unter Berücksichtigung dieses Erlasses des Bundesministers der Finanzen fest. Die Bfin. begehrt Freistellung von der Beförderungsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b des Beförderungsteuergesetzes (BefStG) 1955 mit der Begründung, daß es sich bei dieser Bahn um die Personenbeförderung im Nachbarortslinienverkehr handle und die Bahn nach ihrer Bau- und Betriebsweise eine den Straßenbahnen ähnliche Bahn sei.
In Übereinstimmung mit dem Finanzamt verneinte das Finanzgericht das Vorliegen einer den Straßenbahnen nach Bauund Betriebsweise ähnlichen Bahn, so daß die Frage, ob auch Nachbarortslinienverkehr gegeben sei, dahingestellt bleiben könne. Es wies die Berufung der Bfin. als unbegründet zurück.
Entscheidungsgründe
Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Bfin. ist ohne Erfolg.
Zunächst ist die Frage zu prüfen, ob die in Betracht kommende Seilschwebebergbahn, wie die Bfin. ebenfalls geltend macht, verkehrsrechtlich eine Straßenbahn ist. Wäre dies der Fall, dann wäre allerdings die genannte Befreiungsvorschrift anwendbar, da nach § 2 des Gesetzes zur Wiedererhebung der Beförderungsteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungsteuersätzen vom 2. März 1951 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 159) sich die Begriffe der Verkehrsmittel, also auch der Begriff der Straßenbahn, für die Beförderungsteuer nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften bestimmen. Die Frage ist jedoch zu verneinen. Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande (PBefG) vom 6. Dezember 1937 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 1319, 1320) sind Straßenbahnen "Schienenbahnen, die ausschließlich oder überwiegend dem öffentlichen Personenverkehr innerhalb der Orte dienen, ferner solche, die trotz der Verbindung von Nachbarorten infolge ihrer hauptsächlichen Bestimmung für den Personenverkehr und ihrer baulichen und betrieblichen Einrichtungen den Ortsstraßenbahnen ähneln". Auf Grund der ausdrücklichen Vorschrift des § 3 Abs. 2 PBefG gelten auch die auf straßenfreiem Bahnkörper liegenden, dem öffentlichen Personenverkehr innerhalb der Orte oder dem Nachbarortverkehr dienenden Hoch- und Untergrundbahnen als Straßenbahnen. Zum verkehrsrechtlichen Begriff der Straßenbahnen nach § 3 PBefG gehört also immer, daß sie Schienenbahnen sind. Dies ist bei einer Bergbahn, die eine Seilschwebebahn ist, nicht der Fall. Ein Seil ist keine Schiene, mag das Seil auch in gewisser Beziehung technisch die Schiene ersetzen, eine Seilschwebebahn ist daher auch keine Schienenbahn. Auf das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 220/27 vom 31. Mai 1927 (Slg. Bd. 21 S. 191 = Mrozek-Kartei, Beförderungsteuergesetz § 1 Abs. 1 Rechtsspruch 3) wird insoweit Bezug genommen. Eine Abweichung davon, daß zum Begriff der Straßenbahn gehört, daß sie eine Schienenbahn ist, ist auch nicht der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen vom 13. November 1937 (RGBl 1937 I S. 1247) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 14. August 1953 (BGBl 1953 I S. 974) - BOStrab - zu entnehmen. Wenn im § 2 dieser Verordnung ("Straßenbahnen besonderer Bauart") neben Hoch-, Untergrund- und Zahnradbahnen auch Schwebebahnen und Seilbahnen aufgeführt sind, so können unter Schwebebahnen und Seilbahnen in diesem Sinne angesichts der Begriffsbestimmung für die Straßenbahnen im § 3 PBefG nur Schienenbahnen verstanden werden. Dies zeigt auch der die "Bahnanlagen" betreffende Abschnitt II dieser Verordnung, der wohl Bestimmungen über Spurweite, Gleislage, Gleisneigung, Gleisbögen, Kreuzungen mit Bahnen, Bahnübergänge, Oberbau und Brücken, also über nur bei Schienenbahnen in Betracht kommende Anlagen, jedoch keine Bestimmungen über die Anlage von Seilschwebebahnen enthält, die gerade bei derartigen Bahnen im Interesse der Verkehrssicherheit besonders notwendig gewesen wären. Der bei Oppelt, Das Personenbeförderungsrecht, zu § 3 PBefG in Anmerkung 4 auf S. 49 der 5. Auflage vertretenen Auffassung, daß Seilschwebebahnen Seilbahnen im Sinn des § 2 BOStrab seien, vermag der Senat nicht zu folgen, wobei bemerkt wird, daß nach Art. 70 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) der Begriff der Seilschwebebahn ein der Landesgesetzgebung vorbehaltener Begriff ist. Auch aus dem von der Bfin. angeführten Schreiben einer Genehmigungsbehörde vom 26. April 1955, das die Genehmigung zum Bau, zur Einrichtung und zum Betrieb einer bestimmten Personenseilschwebebahn betrifft, an den Unternehmer dieser Bahn ergibt sich nicht, daß die Genehmigungsbehörde eine Seilschwebebahn begrifflich als Straßenbahn ansieht. In diesem Schreiben ist, soweit für die Streitfrage von Bedeutung, nur gesagt, das zuständige Ministerium für Wirtschaft und Verkehr habe entschieden, "daß vorbehaltlich einer landesgesetzlichen Regelung Seilbahnen aller Art, die dem öffentlichen Verkehr dienen, nach dem Personenbeförderungsgesetz zu genehmigen" seien und "insoweit nach der Verordnung zur Änderung der Straßenbahnbau- und Betriebsverordnung vom 14. August 1953 ... als Straßenbahnen besonderer Bauart behandelt" würden. Damit hat eine Verwaltungsbehörde eine im Verkehrsrecht hinsichtlich der Genehmigung der Seilschwebebahnen bestehende Lücke auszufüllen versucht. Dies aber rechtfertigt noch keineswegs die Annahme, daß Seilschwebahnen verkehrsrechtlich Straßenbahnen sind.
Die weitere Frage ist nun, ob eine Seilschwebebahn der Art, wie sie die Bfin. betreibt, wenn sie schon keine Straßenbahn ist, eine den Straßenbahnen nach ihrer Bau- und Betriebsweise ähnliche Bahn im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b BefStG 1955 ist. Der Senat kommt zur Verneinung auch dieser Frage. Die Vorschrift verlangt, daß die Bahn nach ihrer Bau- und Betriebsweise einer Straßenbahn ähnlich ist. Abgesehen davon, daß die zu beurteilende Seilschwebebahn keine den Straßenbahnen ähnliche Bahn sein kann, weil sie keine Schienenbahn ist und zum Begriff der Straßenbahn gehört, daß sie eine Schienenbahn ist, kann von einer Ähnlichkeit in der sonstigen Bauweise selbst bei großzügiger Auslegung nicht die Rede sein. Allerdings bedeutet Ähnlichkeit nicht Gleichheit, aber anderseits bedeutet fehlende Gleichheit nicht unter allen Umständen Ähnlichkeit. Die Bauart einer Seilschwebebahn ist zu verschieden von der Bauart einer Straßenbahn, als daß sie noch als der Bauart einer Straßenbahn ähnlich angesehen werden könnte. Daß die Seilschwebebahn nach Angabe der Bfin. die gleiche Aufgabe erfüllt, wie eine Zahnradbahn oder eine Standseilbahn, die beide verkehrsrechtlich als Straßenbahnen besonderer Bauart gelten, macht sie noch nicht zu einer diesen Bahnen nach der Bau- und Betriebsweise ähnlichen Bahn. Irrig ist die Meinung der Bfin., daß bei der Beurteilung weniger von äußeren Merkmalen und der technischen Gestaltung als vielmehr von wirtschaftlichen und verkehrsmäßigen Gesichtspunkten auszugehen sei. Gerade auf die Bau- und Betriebsweise kommt es entscheidend an. Auch die der Genehmigungsbehörde laut dem oben angegebenen Schreiben vom 26. April 1955 erteilte Anweisung gibt keinen Anlaß, die Ähnlichkeit zu bejahen. Selbst wenn es, wie die Bfin. ferner annehmen zu können glaubt, bei Nichtanerkennung der Seilschwebebahnen als den Straßenbahnen ähnliche Bahnen keine weiteren straßenbahnähnlichen Bahnen geben würde, würde dies angesichts der Verschiedenartigkeit der Bauweise nicht zur Bejahung der Ähnlichkeit führen können. Das weitere Vorbringen der Bfin., die Nichtanerkennung der Seilschwebebahn als eine den Straßenbahnen ähnliche Bahn würde auf die Benachteiligung eines förderungswürdigen technischen Systems gegenüber anderen weniger förderungswürdigen Systemen hinauslaufen, ohne daß dafür steuer- und verkehrspolitische oder sonstige Gründe vorlägen, kann angesichts der Unähnlichkeit einer solchen Bahn mit der Straßenbahn in der Bauweise ebenfalls nicht dazu führen, die Ähnlichkeit zu bejahen. Ob dieses Vorbringen dem Steuergesetzgeber Anlaß geben könnte, die Befreiungsvorschrift zu erweitern, ist eine andere Frage; der Rechtsprechung wäre es jedenfalls versagt, sich an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen. Das gleiche gilt für das Vorbringen der Bfin. über die wirtschaftliche Lage der Seilschwebebahnen, insbesondere über deren Lage gegenüber den gleichartigen Bahnen im benachbarten Ausland. Fehl geht angesichts der grundsätzlichen Festlegung der Beförderungsteuerpflicht für die Personenbeförderung mit Seilschwebebahnen und Sesselliften neben der Personenbeförderung im Schienenbahnverkehr und im Kraftfahrzeugverkehr durch das Verkehrsfinanzgesetz 1955 der Hinweis der Bfin. auf die Nichtbeanspruchung öffentlicher Verkehrsräume durch die Seilschwebebahn im Gegensatz zu den unter die Befreiungsvorschrift fallenden Kraftomnibussen und auf das Fehlen eines Wettbewerbs mit der Bundesbahn. Auch aus der Bestimmung des § 51 Abs. 1 der Beförderungsteuer-Durchführungsverordnung (BefStDV) 1955 läßt sich nicht die Einbeziehung der Seilschwebebahnen in die Befreiungsvorschrift folgern. Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Befreiungsvorschrift deshalb gegen den Geichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt, weil der Gesetzgeber die Seilschwebebahnen nicht in die Befreiungsvorschrift aufgenommen hat. Die Seilschwebebahnen dienen überwiegend dem Ausflugsverkehr, sie dienen also zum Unterschied von den in der Befreiungsvorschrift angeführten Verkehrsmitteln nicht überwiegend dem Berufs- und Massenverkehr. Schließlich ist Schuldner der Beförderungsteuer der zur Zahlung des Beförderungspreises Verpflichtete, nicht jedoch der Unternehmer, der die Steuer zu Lasten des Steuerschuldners zu entrichten hat (§ 7 BefStG 1955). Die Befreiungsvorschrift will die Steuerschuldner und nicht die Unternehmer begünstigen. Damit erübrigt es sich, noch auf das sonstige Vorbringen der Bfin. einzugehen. Der Gleichheitsgrundsatz des des Art. 3 GG würde übrigens der Rechtsprechung nicht die Möglichkeit bieten, ein Gesetz unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Gerechtigkeit zu prüfen und damit ihre Auslegung von Gerechtigkeit derjenigen des Gesetzgebers zu substituieren. Ist die vom Gesetzgeber gewählte Lösung mit dem Gleichheitsgrundsatz noch vereinbar - und dies ist angesichts der angegebenen überwiegenden Zweckbestimmung der Seilschwebebergbahnen der Fall -, so würde es nicht darauf ankommen, ob eine andere Lösung gerechter oder vernünftiger gewesen wäre oder dem Gleichheitsgrundsatz noch besser entsprochen hätte (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 323/51 vom 17. Dezember 1953, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 3 S. 162, 182).
Schließlich sei noch bemerkt, daß erst das Verkehrsfinanzgesetz 1955 die vordem nicht der Beförderungsteuer unterliegenden Beförderungen mit Seilschwebebahnen der Beförderungsteuer unterworfen hat. Das gleiche Gesetz hat auch die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b BefStG geschaffen. Seilschwebebahnen erstrecken sich, wenn überhaupt, dann nur in seltenen Fällen über den Bereich einer Gemeinde oder zweier benachbarter Gemeinden hinaus. Es darf unterstellt werden, daß dies dem Gesetzgeber bekannt war. Der Gesetzgeber selbst kann daher die Seilschwebebahnen nicht als unter die Befreiungsvorschrift fallend angesehen haben, weil sonst die Einführung der Steuerpflicht für Beförderungen mit solchen Bahnen wenig Sinn gehabt hätte.
Hiernach fällt die von der Bfin. als Bergbahn betriebene Seilschwebebahn nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b BefStG 1955.
Fundstellen
Haufe-Index 409220 |
BStBl III 1959, 42 |
BFHE 1959, 106 |