Leitsatz (amtlich)
Wird ein Gesamtentgelt für eine umsatzsteuerfreie Beförderungsleistung und eine steuerpflichtige Vermittlungsleistung gezahlt, so ist der auf die Beförderungsleistung entfallende Entgeltanteil unabhängig davon zu ermitteln, ob beförderungsteuerrechtlich ein Durchschnittsbeförderungsentgelt anzusetzen ist.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Nr. 9
Tatbestand
Die Steuerpflichtige betreibt ein Omnibusunternehmen mit Reisebüro. Sie veranstaltete in den Streitjahren 1960 bis 1964 Arrangementsfahrten (Beförderung von Urlaubsreisenden in Omnibussen nebst Vermittlung von Quartieren). Dabei setzte sie vom Gesamtpreis als Entgelte, die auf steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 9 UStG 1951 entfielen, die kalkulierten Beförderungsentgelte ab. Das Finanzamt – FA – war hingegen nach einer Beförderungsteuerprüfung der Ansicht, absetzbar seien nur die niedrigeren Durchschnittsbeförderungsentgelte nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 d, § 18 Abs. 1 Nr. 1 c der Beförderungsteuer-Durchführungsverordnung – BefStDV – (in der Fassung der Änderungsverordnungen vom 12. August 1958, Bundesgesetzblatt I 1958 S. 600 – BGBl I 1958, 600 –, BStBl I 1958, 521, und vom 28. August 1959, BGBl I 1959, 662, BStBl I 1959, 900).
Der Einspruch gegen die berichtigten Umsatzsteuerbescheide 1960 bis 1964 und die Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt: § 15 Abs. 2 Nr. 1 d BefStDV begründe eine unwiderlegbare Vermutung, daß das Durchschnittsbeförderungsentgelt dem tatsächlichen Beförderungsentgelt entspreche. Die Bestimmung sei nicht nur Maßstab für die Berechnung der Beförderungsteuer, sondern regele auch, wie die Beförderungsleistung und die Vermittlungsleistung bei Arrangementsfahrten voneinander abzugrenzen seien.
Die Steuerpflichtige rügt mit der Revision Verletzung des § 4 Nr. 9 UStG 1951: § 15 Abs. 2 Nr. 1 d BefStDV gelte nur für die Beförderungsteuer. Die vereinfachte Berechnung des beförderungsteuerpflichtigen Entgelts könne sich zugunsten wie zuungunsten des Unternehmers auswirken. Träfe die Auffassung der Verwaltung zu, könne der Unternehmer – falls das Durchschnittsbeförderungsentgelt höher sei als das kalkulierte Beförderungsentgelt – nicht das gesamte Durchschnittsbeförderungsentgelt absetzen; es bliebe ein kalkulatorisches Minus.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Gemäß § 4 Nr. 9 UStG 1951 sind steuerfrei die Umsätze, die unter das BefStG fallen. § 35 Abs. 2 Satz 2 UStDB 1951 bestimmte in der bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Fassung, daß steuerpflichtig die Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen war, soweit sie von der Beförderungsteuer befreit war oder die Beförderungsteuer allgemein nicht erhoben wurde. Aus dem Wegfall dieser Bestimmung durch die Achte Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz – 8. UStDBÄndVO – vom 7. Februar 1957 (BGBl I 1957, 6, BStBl I 1957, 131) ergibt sich, daß die Umsatzsteuerfreiheit ab 1957 selbst dann erhalten bleibt, wenn die Beförderung keine oder nur teilweise Beförderungsteuerpflicht auslöst (ebenso Erlaß des Bundesministers der Finanzen – BdF – vom 29. April 1957, BStBl I 1957, 235, 239). Wenn § 4 Nr. 9 UStG 1951 formuliert, es seien Umsätze befreit, die unter die genannten Verkehrsteuergesetze „fallen”, bedeutet dies stets, daß die Steuerfreiheit schon bei Steuerbarkeit nach den angesprochenen Verkehrsteuergesetzen eintritt, es sei denn, Gesetz oder Rechtsverordnung schränkten die Steuerfreiheit ein (wie z. B. hinsichtlich der unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze § 36 UStDB 1951). Dies gilt auch, wenn das in § 4 Nr. 9 UStG 1951 genannte Verkehrsteuergesetz einen niedrigeren Besteuerungsmaßstab als das UStG vorsieht (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – V 67/63 U vom 15. Juni 1965, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 83 S. 119 – BFH 83, 119 –, BStBl 1965, 543, betreffend Versicherungsteuer). Wird ein Gesamtentgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung und eine nach § 4 Nr. 9 UStG umsatzsteuerfreie Leistung gezahlt, kann sonach das Entgelt für die steuerpflichtige Leistung nicht aus der Differenz zwischen dem Gesamtentgelt und dem für die steuerfreie Leistung maßgebenden Besteuerungsmaßstab ermittelt werden. Eine Ausnahme ist lediglich für die Gesellschaftsteuer zu machen, die abweichend vom UStG und von den anderen Verkehrsteuergesetzen nicht an die Wertübertragung (Sacheinlage) anknüpft, sondern an den Erwerb des Gegenwerts (Gesellschaftsrechte); hier kann nur der Teil der Aktivenübertragung von der Umsatzsteuer befreit sein, dem ein gesellschaftsteuerbares Entgelt entspricht (dazu BFH-Urteil V 290/61 U vom 23. Juli 1964, BFH 80, 172, BStBl III 1964, 536).
Diese Grundsätze sind auch auf Arrangementsfahrten anwendbar. Die Reiseteilnehmer zahlten das Pauschalentgelt für zwei Leistungen der Steuerpflichtigen: für eine Beförderungsleistung, die der Beförderungsteuer unterliegt, und für eine Vermittlungsleistung, die der Umsatzsteuer unterliegt (BFH-Urteil V 285/57 U vom 2. Juli 1959, BFH 69, 255, BStBl III 1959, 358). Das auf die umsatzsteuerpflichtige Vermittlungsleistung entfallende Entgelt ist unabhängig von dem für die Beförderungsteuer geltenden Besteuerungsmaßstab zu ermitteln. Wird die Beförderungsteuer nach einem Durchschnittsentgelt berechnet, so ergreift die Umsatzsteuerbefreiung das ganze Beförderungsentgelt, nicht nur den Entgeltsanteil, der der rechnerischen Ermittlung der Beförderungsteuer zugrunde gelegt wird (Urteil des Reichsfinanzhofs V 31/40 vom 4. Februar 1943, RStBl 1943, 221).
Der Senat vermag nicht der Auffassung des FG zu folgen (ebenso Puttlitz, Umsatzsteuer-Rundschau 1963 S. 128 – UStR 1963, 128 –, unklar BdF-Erlaß vom 22. März 1960 unter IV 1, UStR 1960, 86, U-Kartei S 4142, Karte 54), § 15 Abs. 2 Nr. 2 d BefStDV gebiete eine Abweichung. Nach dieser Vorschrift ist im inländischen Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen Besteuerungsgrundlage das Durchschnittsbeförderungsentgelt, wenn die Beförderung im Zusammenhang mit anderen Leistungen des Unternehmers ausgeführt wird. Das Durchschnittsbeförderungsentgelt beträgt 3,34 Pf. je Personenkilometer (§ 18 Abs. 1 Nr 1 c BefStDV). Es mag sein, daß die Einführung dieses Verfahrens die Steuererhebung vereinfacht hat (Puttlitz, a. a. O.). Diese Vereinfachung gilt jedoch lediglich für die Beförderungsteuer. §§ 15, 18 BefStDV sind ohne Bedeutung für die Verteilung des Gesamtentgelts auf die umsatzsteuerfreien und -pflichtigen Leistungen. Dazu hätte es einer besonderen Vorschrift im UStG oder in einer Rechtsverordnung bedurft. §§ 15, 18 BefStDV können nicht einmal als Anhalt für eine schätzungsweise Aufteilung der Entgeltanteile dienen. Der Beförderungspreis unterliegt der freien Vereinbarung zwischen Reiseunternehmer und Reiseteilnehmern und kann sich daher unterschiedlich gestalten, während die §§ 15, 18 BefStDV einen nur von der Teilnehmerzahl und der Beförderungsstrecke abhängigen Beförderungspreis fingieren.
Die Sache wird an das FG zurückverwiesen. Das FG wird gemäß § 96 Abs. 1 FGO, § 217 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung zu schätzen haben, wie hoch die Entgeltanteile sind, die auf die steuerfreie Beförderungsleistung und die steuerpflichtige Vermittlungsleistung entfallen. Dabei kann die bisher nicht aktenkundige Kalkulation der Steuerpflichtigen als Anhalt dienen (siehe auch BFH-Urteil II 184/58 U vom 29. November 1961, BFH 74, 306, BStBl III 1962, 118). Es ist jedoch zu beachten, daß für die Aufteilung außer der Vorstellung der Steuerpflichtigen auch die Auffassung ihrer Vertragspartner und die objektiven Preisverhältnisse maßgebend sind. Es wird daher auch zu prüfen sein, ob sich aus den vertraglichen Abmachungen ein Hinweis für die Preisaufteilung ergibt. Von Bedeutung wären auch Fälle einer Weitergabe von Leistungen an Subunternehmer; die Preisabsprachen zwischen Steuerpflichtiger und Subunternehmern könnten Rückschlüsse auf die Wertschätzung der einzelnen Leistungen erlauben. Falls die Steuerpflichtige als Beförderungsunternehmer oder Subunternehmer für andere Reisebüros tätig geworden sein sollte, könnten die ihr in diesen Fällen zugestandenen Preise einen Anhalt für die Aufteilung bieten.
Fundstellen