Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Berechnung anteiliger betrieblich bedingter Raumaufwendungen; Ankündigung von Beweisangeboten i. d. R. kein Vertagungsgrund
Leitsatz (NV)
1. Der als Betriebsausgabe abziehbare Anteil der Gesamtkosten einer Wohnung ist grundsätzlich nach dem Verhältnis der Fläche der Betriebsräume zur Wohnfläche der gesamten Wohnung im Schätzungswege zu ermitteln. Dabei ist der Begriff der Wohnfläche aus § 42 der II. Berechnungsverordnung zu entnehmen.
2. Das Finanzgericht ist grundsätzlich dann nicht gehalten, wegen lediglich angekündigter Beweisangebote die mündliche Verhandlung zu vertagen, wenn die mögliche Entscheidungserheblichkeit des zu beweisenden Sachverhalts dem Kläger seit langem bekannt war.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4; II. BV §§ 42-44; FGO §§ 76, 82, 93
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger betreibt in Berlin eine auf ein ausländisches Land (X) spezialisierte Ferienhausvermittlung. Das Hauptbuchungsgeschäft in Berlin erstreckt sich auf das Frühjahr. Hierfür hat der Kläger im Obergeschoß eines Einfamilienhauses zwei Büroräume eingerichtet. Er und seine Ehefrau wohnen in den Sommermonaten überwiegend in X. Von hier aus greift der Kläger in die Abwicklung der Ferienhausgeschäfte ein, insbesondere wenn es beim Wechsel der Feriengäste wegen unterlassener Reinigung oder einer gelegentlichen Doppelbuchung Schwierigkeiten gibt. Der Ferienhauskatalog enthält den Hinweis, daß der Kläger seinen Kunden in seinem Haus in X vom 1. Juni bis zum 1. November in derartigen Fällen zur Verfügung steht und fernmündlich zu erreichen ist.
Das Finanzamt (- FA -) setzte die Einkommensteuer für 1975 auf . . . DM und für 1976 auf . . . DM fest. Zur Begründung bezog es sich auf das Ergebnis einer zwischenzeitlich durchgeführten Betriebsprüfung, wonach die Betriebsausgaben für die beiden Büroräume in Berlin (West) zu hoch erklärt worden seien. Die im Zusammenhang mit der Mitbenutzung des Windfanges, der Toilette, des Flures und der Treppe bei den beiden Büroräumen geltend gemachten Aufwendungen seien wegen der überwiegend privaten Nutzung keine Betriebsausgaben. Die Berlinpräferenz gemäß § 21 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) stehe dem Kläger und seiner Ehefrau nicht zu, weil sich beide in den Streitjahren überwiegend in X aufgehalten hätten. Die Auswertung der bei der Betriebsprüfung vorgelegten Rechnungen und Quittungen habe ergeben, daß sich der Kläger 1975 an 197 Tagen und 1976 an 219 Tagen in X aufgehalten habe.
Nach erfolglosem Einspruch des Klägers gab das Finanzgericht (FG) der Klage zum geringen Teil wegen einer in der Revision nicht mehr streitigen Frage statt. Hinsichtlich des Betriebsausgabenanteils für das Haus in Berlin sowie bezüglich der Berlinpräferenz unterlag der Kläger.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen sieht sich der Senat nicht in der Lage zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorgelegen haben sowie ob das FA die Höhe der durch die beiden Büroräume in Berlin (West) verursachten Aufwendungen zutreffend ermittelt hat.
a) Nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen ,,gehört" das Einfamilienhaus, in dessen Obergeschoß sich die beiden Büroräume befinden, dem Kläger und dessen Ehefrau. Auch nach den auf S. 8 des FG-Urteils zitierten Ausführungen des FA handelt es sich um ein ,,eigenes" Einfamilienhaus in Berlin (West). Die nach Betriebsprüfung ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheide 1975 und 1976 weisen weder positive noch negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit der die Steuer festsetzenden Steuerbescheide 1975 und 1976 (vgl. Beschlüsse des Großen Senats vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344, sowie vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99, 102). Über die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen kann nur entschieden werden, wenn festgestellt ist, ob Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorliegen oder nicht. Wenn die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen richtig sind, daß es sich um ein eigenes Einfamilienhaus handelt, so wären die Steuerfestsetzungen nur dann zutreffend, wenn sich die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dieses Anwesens zufälligerweise genau auf null DM belaufen würden. Der Senat kann dies bei seiner Entscheidung nicht unterstellen. Das FG wird mithin Feststellungen darüber zu treffen haben, ob dem Grunde nach Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt wurden und ggf. wie hoch diese Einkünfte waren. Dem Senat ist es verwehrt, diese Feststellungen den Akten selbst zu entnehmen (§ 118 Abs. 2 FGO).
b) Werden in einer im wesentlichen privat genutzten Wohnung einzelne Räume - wie im vorliegenden Falle offenbar unstreitig - ausschließlich betrieblich genutzt (Betriebsräume), so sind die auf diese Räume entfallenden anteiligen Aufwendungen Betriebsausgaben. Der als Betriebsausgabe abziehbare Anteil der Gesamtkosten der Wohnung ist grundsätzlich nach dem Verhältnis der Fläche der Betriebsräume zur Wohnfläche der gesamten Wohnung im Schätzungswege zu ermitteln (§ 217 der Reichsabgabenordnung - AO -, § 162 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Bei dieser Ermittlung ist der Begriff der Wohnfläche aus § 42 der Zweiten Berechnungsverordnung in der Fassung vom 21. Februar 1975 - II. BV - (BGBl I 1975, 569) zu entnehmen. Der Senat folgt insoweit den zum Umfang der Werbungskosten bei nichtselbständiger Arbeit (häusliches Arbeitszimmer) im Urteil des BFH vom 18. Oktober 1983 VI R 68/83 (BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112) entwickelten Grundsätzen. Den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen läßt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob das FA bei der Ermittlung des prozentualen Anteils der Fläche der Betriebsräume auf die Gesamtwohnfläche im oben dargelegten Sinne oder nur auf die Summen der Flächen der einzelnen Zimmer abgestellt hat.
c) Die angefochtene Entscheidung läßt nicht erkennen, ob sich die Unklarheiten bezüglich des Hauses in Berlin (West) und die Frage der anteiligen Betriebsausgaben nur auf das Streitjahr 1976 oder auf beide Streitjahre beziehen. Der Senat kann deshalb nicht umhin, die angefochtene Entscheidung bezüglich beider Streitjahre aufzuheben.
2. Die in der Vorentscheidung enthaltenen Rechtsausführungen zu den Voraussetzungen der Steuervergünstigung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 BerlinFG begegnen keinen Bedenken.
a) Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 BerlinFG in der in den Streitjahren geltenden Fassung ist ,,bei zur Einkommensteuer veranlagten Personen; die . . . bei mehrfachem Wohnsitz während des ganzen Veranlagungszeitraums einen Wohnsitz in Berlin (West) haben und dort veranlagt werden; . . . die tarifliche Einkommensteuer" zu ermäßigen. Der Senat hat hierzu mit Urteil in BFHE 124, 467, BStBl II 1978, 328 entschieden, daß im Falle eines mehrfachen Wohnsitzes die Berlinpräferenz nur gewährt werde, wenn ein überwiegender Aufenthalt im Land Berlin gegeben ist. Auf den formellen Vorgang der Veranlagung komme es dagegen nicht an. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung, die mit der inzwischen geänderten Fassung des § 21 BerlinFG inhaltlich übereinstimmt, fest. Entscheidend für die Gewährung der steuerlichen Vergünstigung durch den Gesetzgeber waren die Gesichtspunkte der Stärkung der Wirtschaftskraft des Landes Berlin und der Schaffung eines gewissen Ausgleichs der sich aus der Lage des Landes Berlin für die dort wohnenden Personen ergebenden Nachteile. Maßgebendes Kriterium für die Gewährung der Vergünstigung kann mithin nach dem Zweck des Gesetzes nicht der Umstand sein, ob eine Person - möglicherweise durch Zufälligkeiten bedingt - von einem FA in Berlin (West) zur Einkommensteuer veranlagt wird. Entscheidend muß - soweit die Präferenz gemäß § 21 BerlinFG in Betracht kommt - vielmehr sein, in welchem zeitlichen Umfang sich eine Person in Berlin (West) aufgehalten hat. Daß nur diese Auslegung des § 21 Abs. 1 Nr. 2 BerlinFG a. F. zur sinnvollen und auch unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes hinnehmbaren Ergebnissen führt, wird an dem zur Entscheidung stehenden Fall besonders deutlich. Wollte man nur auf die formelle Veranlagungszuständigkeit eines FA in Berlin (West) abstellen, so gelangte eine Person, die die Wohnsitzkriterien des § 8 AO 1977 in Berlin (West) erfüllt, sich dort regelmäßig, gleichwohl aber nur während weniger Wochen im Veranlagungszeitraum aufhält, in den Genuß der Berlinpräferenz, wenn sie die restliche weit überwiegende Zeit des Jahres im Ausland verbringen und keinen weiteren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) begründen würde. Würde sie dagegen die übrige weit überwiegende Zeit des Jahres an einem Ort innerhalb der Bundesrepublik verbringen, wäre die Berlinpräferenz zu versagen. Ein Grund für die dadurch eintretende Bevorzugung solcher ,,Berliner", die zusätzlich nur im Ausland einen Wohnsitz haben, gegenüber solchen ,,Berlinern", die auch im Gebiet der Bundesrepublik wohnen, ist nicht ersichtlich.
b) Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das Verbot, steuerrechtliche Vorschriften gegen deren Wortlaut zu Lasten der Steuerpflichtigen auszulegen. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, 130; und BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 268). Die Gesetzesformulierung ,,dort veranlagt werden" kann im Rahmen des möglichen Wortsinns dahin verstanden werden, daß gemäß § 73a Abs. 3 Nr. 1 AO in der im Streitjahr geltenden Fassung (entspricht § 19 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) ein vorwiegender Aufenthalt in Berlin (West) vorhanden gewesen sein muß. Das Gebot des verfassungskonformen Gesetzesverständnisses zwingt sogar zu einer solchen Auslegung. Denn das Haften am schlichten Wortlaut würde zu Ergebnissen führen, die - wie unter a) dargelegt - dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zuwiderlaufen würden.
c) Der Senat gibt zudem zu bedenken, daß, selbst wenn Zweifel an den im Urteil in BFHE 124, 467, BStBl II 1978, 328 entwickelten Grundsätzen angebracht sein sollten, das Gebot der Rechtssicherheit (vgl. Urteil des Großen Senats vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124, 126) einer Änderung dieser Rechtsprechung entgegenstehen würde. Das Urteil in BFHE 124, 467, BStBl II 1978, 328 ist vor nahezu sieben Jahren zu einer Gesetzesfassung ergangen, die seit mehr als sieben Jahren in dieser Form nicht mehr besteht. Die neue Gesetzesfassung stellt ab 1978 darauf ab, daß sich der Steuerpflichtige vorwiegend in Berlin (West) aufhält, und deckt inhaltlich das Urteil ab. Eine Rechtsprechungsänderung zum jetzigen Zeitpunkt würde für eine ganz kleine Gruppe von Personen, deren Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre bis 1978 zufällig noch nicht bestandskräftig sind, Sondervergünstigungen schaffen, die einer sachlichen Rechtfertigung entbehren.
d) Das vom FG gefundene Ergebnis, der Kläger habe sich in den Streitjahren nicht vorwiegend in Berlin (West) aufgehalten, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Senat hält auch insoweit an seinem Urteil in BFHE 124, 467, BStBl II 1978, 328 fest, wonach den Steuerpflichtigen die Feststellungslast dafür trifft, daß die tatsächlichen Voraussetzungen für eine steuerliche Vergünstigung vorliegen.
Das FG hat seine Ermittlungspflicht nicht dadurch verletzt, daß es davon absah, die mündliche Verhandlung zu vertagen, um vom Kläger angekündigte Zeugenangebote entgegenzunehmen und diese Zeugen zu vernehmen. Denn dem Kläger war zumindest seit Zustellung der Einspruchsentscheidung, in welcher das Urteil in BFHE 124, 467, BStBl II 1978, 328 zitiert ist, bekannt, daß seine Aufenthaltsdauer in Berlin (West) für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sein kann. Die Entscheidung im Verfahren vor dem FG ergeht grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 90 Abs. 1 FGO). Es wäre Sache des Klägers gewesen, vor Schließung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 1 FGO) den ihm geeignet erscheinenden Zeugenbeweis anzubieten. Das FG ist grundsätzlich dann nicht gehalten, wegen lediglich angekündigter Beweisangebote die mündliche Verhandlung zu vertagen, wenn die mögliche Entscheidungserheblichkeit des zu beweisenden Sachverhalts dem Kläger seit langem bekannt war (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489).
Fundstellen
Haufe-Index 414230 |
BFH/NV 1987, 160 |