Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Steuerpflichtiger die Stundung fälliger Steuerschulden mit der Begründung erbeten und erhalten, daß er nicht über flüssige Mittel verfüge, um die Steuerschulden bei Fälligkeit zu bezahlen, so kann er Spareinlagen, die er während des Laufs der Stundungsfrist macht, in der Regel nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1953 (steuerbegünstigte Kapitalansammlung) absetzen.
Normenkette
EStG § 10/1/2/d
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.), ein Gewerbetreibender schloß am 29. Dezember 1953 mit einem Kreditinstitut einen allgemeinen Sparvertrag über 4.000 DM ab und zahlte den Betrag am gleichen Tag ein. Das Finanzamt erkannte einen steuerbegünstigten Kapitalansammlungsvertrag im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht an, weil nach seiner Auffassung die Einzahlung in Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredits stand. Dem Bf. waren nämlich auf seinen Antrag vom 25. November 1953 am 14. Dezember 1953 rückständige Steuern im Gesamtbetrag von 35.693 DM in der Weise gestundet worden, daß monatlich, erstmalig im Dezember 1953, 10.000 DM zu zahlen waren. In diesem Betrag war u. a. die Einkommensteuer-Abschlusszahlung 1952 mit 23.600 DM enthalten. Der Bf. hatte den Stundungsantrag mit mangelnder Liquidität infolge Anwachsens der Debitoren begründet.
Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen aus: Die Stundung von Steuerrückständen könne der Aufnahme eines Kredits im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1953 gleichstehen. Im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 155/53 U vom 17. September 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 310, Slg. Bd. 58 S. 48) sei es im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1950 als "Verwendung fremder Mittel" angesehen worden, wenn die Kapitalansammlung durch Stundung eines bereits gewährten Bankkredits ermöglicht werde. Im vorliegenden Fall sei die Bank, bei der der Sparvertrag abgeschlossen worden sei, nicht wie im Fall IV 155/53 U gleichzeitig Gläubiger der gestundeten Forderung gewesen. Die Stundung sei ferner nicht wie im Fall IV 155/53 U durch den Abschluß des Sparvertrags bedingt gewesen. Man müsse aber die Stundung fälliger Forderungen allgemein einer Kreditaufnahme gleichstellen, wenn die Stundung im Einvernehmen der Beteiligten dem Zweck diene, dem Schuldner die zur Schuldtilgung verfügbaren Mittel zur Einzahlung auf den Kapitalansammlungsvertrag zu belassen. Dieser Fall liege indessen hier auch nicht vor. Aber selbst wenn eine solche Zweckbestimmung der Stundung im Einzelfall fehle, sei die Stundung einer fälligen Schuld eine Kreditgewährung, wenn die Spareinzahlung zeitlich in so engem Zusammenhang mit der Stundung stehe, daß der Schuldner den eingezahlten Betrag nur infolge der Stundung, nicht also infolge des Zuflusses anderer Mittel nach der Stundung, leisten könne. So sei es im vorliegenden Fall gewesen.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Bf. im wesentlichen geltend: Von einem "Kredit" könne man nur sprechen, wenn Kreditnehmer und Kreditgeber sich über die Kreditgewährung einig seien. Die einseitige überschreitung eines Fälligkeitstermins schaffe keinen "Kredit". Eine Stundung begründe jedenfalls dann keinen Kredit, wenn ein Rechtsanspruch auf Stundung bestehe. Der Steuerpflichtige habe aber im Streitfall einen Rechtsanspruch auf Stundung gehabt. Die Auffassung des Finanzgerichts mache darüber hinaus die Besteuerung vom Zufall abhängig; denn es sei nur zufällig gewesen, daß ihm der Steuerbescheid 1952 im November 1953 zugestellt worden sei. Wäre der Steuerbescheid früher oder später zugestellt worden, so wäre der Streitfall überhaupt nicht entstanden. Es sei auch nicht richtig, daß der Bf. die Spareinlage aus den gestundeten Steuerbeträgen gemacht habe. Die 4.000 DM stammten aus Mitteln, die ihm zugeflossen seien, nachdem das Finanzamt die Stundung schon bewilligt hatte. Die flüssigen Mittel des Bf. hätten sich in der Zeit vom 17. November 1953 bis 28. Dezember 1953 von 17.700 DM auf 51.100 DM erhöht, und zwar trotz der ersten Ratenzahlung von 10.000 DM auf die Steuerschuld. Hätte man diese günstige Entwicklung der Liquidität des Bf. vorausgesehen, so hätte sich der Stundungsantrag erübrigt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Nach der für den Streitfall maßgebenden Bestimmung des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1953 sind Beiträge auf Grund eines Kapitalansammlungsvertrages nur dann als Sonderausgaben steuerbegünstigt, wenn sie weder unmittelbar noch mittelbar in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredits stehen. Zutreffend legt das Finanzgericht unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 155/53 U dar, daß eine Kreditaufnahme im Sinne dieser Vorschrift auch die Stundung einer fälligen Schuld sein kann. Der Fall bietet indessen keine Veranlassung, allgemein zu entscheiden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Nichterfüllung einer fälligen Schuld als Kreditaufnahme im Zusammenhang mit einem Kapitalansammlungsvertrag gelten kann. Denn im Streitfall kommt der Tatsache, daß die gestundete Schuld eine fällige Steuerschuld war, entscheidende Bedeutung zu.
Das Finanzamt hatte dem Bf. die erhebliche Steuerschuld gemäß § 127 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) gegen Ratenzahlung gestundet, weil es davon ausging, daß die sofortige Einziehung der Steuer eine erhebliche Härte für den Bf. mit sich bringen würde. Der Bf. hatte behauptet, daß eine solche Härte vorliege und hatte das damit begründet, daß er infolge Ansteigens der Debitoren nicht über ausreichende flüssige Mittel verfüge, um die Steuerschuld sofort bei Fälligkeit zu tilgen. Der Antrag auf Stundung, die Bewilligung der Stundung und der Abschluß des Kapitalansammlungsvertrages stehen in engem zeitlichem Zusammenhang. Legt man das Vorbringen mangelnder Liquidität als richtig zugrunde, so konnten die Vorinstanzen ohne Rechtsverstoß von der Vermutung ausgehen, daß ohne die Stundung der Steuer die Kapitalansammlung nicht möglich gewesen wäre. Denn wer nach seiner Angabe fällige Steuern mangels flüssiger Mittel nicht entrichten kann, hat im allgemeinen auch keine flüssigen Mittel verfügbar, um damit steuerbegünstigt zu sparen. Ein Steuerpflichtiger setzt sich, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, mit seinem eigenen vorangegangenen Verhalten in Widerspruch, wenn er vom Steuerfiskus als Repräsentanten der Allgemeinheit zeitlich fast zusammenfallend einerseits die Stundung fälliger Steuern verlangt, weil er nicht über flüssige Mittel zur Bezahlung der Steuerschuld verfüge, andererseits aber den Vorteil der Steuerermäßigung in Anspruch nimmt, weil er kurz nach der Stundung flüssige Mittel auf mehrere Jahre gebunden spart. Es entspricht in solchen Fällen der Loyalität, zunächst die Schuld gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen, ehe ein Steuervorteil der in Frage stehenden Art in Anspruch genommen wird.
Der Bf. bestreitet, daß zwischen der Steuerstundung und der Kapitalansammlung ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe; die Spareinlage stamme vielmehr aus Mitteln, die ihm, nachdem er den Stundungsantrag gestellt hatte, unerwartet zugeflossen seien. Es bedeutet unter den obwaltenden Umständen keinen Rechtsverstoß, daß das Finanzgericht dieses Vorbringen nicht für rechtserheblich gehalten hat. Es ist unwahrscheinlich, daß der Bf. als Kaufmann die behauptete günstige Entwicklung seiner Liquidität nicht auf wenige Wochen im voraus hat übersehen können. Konnte der Bf. aber damit rechnen, in Kürze die Mittel zur Tilgung der Steuerschuld verfügbar zu haben, so hatte er entgegen seiner Auffassung keineswegs einen Rechtsanspruch auf Stundung der Steuern in der ausgesprochenen Form. Die Behauptung des Bf., daß er die ihm zugeflossenen Mittel zum Sparen hätte verwenden können, ist im übrigen keineswegs schlüssig. Denn wenn auch die flüssigen Mittel in der behaupteten Höhe vorhanden gewesen sein mögen, so konnte der Bf. sie keineswegs ohne weiteres zum Sparen verwenden. Wesentlich ist dabei, ob und inwieweit die flüssigen Mittel zur Erfüllung von betrieblichen oder privaten Verbindlichkeiten benötigt wurden. Feststellungen in dieser Hinsicht sind keineswegs ohne Schwierigkeiten zu treffen. Standen aber dem Bf., wie er behauptet, die flüssigen Mittel wirklich zum Sparen zur Verfügung, so hätte es der Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange der Allgemeinheit entsprochen, daß er seine Steuerschuld bezahlte, ehe er Spareinlagen machte und dafür neben dem Vorteil der Steuerstundung noch den Vorteil der Steuerermäßigung in Anspruch nahm. Jedenfalls bedeutet es keinen Rechtsverstoß, wenn das Finanzgericht den Bf. an seinem eigenen Vorbringen festhielt und darauf verzichtete festzustellen, ob der Bf. etwa von vornherein im Stundungsantrag unrichtige Angaben gemacht hatte und ob er auch ohne die Stundung unter Berücksichtigung von etwaigen anderen betrieblichen oder privaten Verpflichtungen den Betrag von 4.000 DM hätte sparen können.
Fundstellen
Haufe-Index 409250 |
BStBl III 1959, 60 |
BFHE 1959, 151 |
BFHE 68, 151 |