Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung
Leitsatz (NV)
1. Mit der Vorlage einer Bilanz ohne Gewinn- und Verlustrechnung erfüllt eine GmbH nicht ihre sich aus § 41 Abs. 2 GmbHG ergebende Verpflichtung.
2. Bilanzen, die erst mehr als 3 Jahre nach dem Abschlußstichtag aufgestellt werden, sind nicht fristgerecht.
3. Zwischenbilanzen, deren Bilanzansätze nicht auf eine Inventur bzw. auf eine Hauptabschlußübersicht zurückgeführt werden können, sind keine Bilanzen i.S. des § 41 Abs. 2 GmbHG.
Normenkette
EStG 1958 § 10d; GmbHG § 41; HGB § 39 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb in den Streitjahren 1974 bis 1976 den Im- und Export von Sportartikeln. Bei ihr wurde im Jahre 1972 eine sog. 1. Betriebsprüfung durchgeführt, die sich auf die Veranlagungszeiträume 1967 bis 1970 erstreckte. Dabei stellte der Prüfer u.a. fest:
,,Tz 21 Mängel der Buchführung
Seit 1. 6. 1969 liegt eine ordnungsmäßige Buchführung nicht vor. Die Bilanzen zum 30. 9. 1969 und 30. 9. 1970 wurden ohne Gewinn- und Verlustrechnung eingereicht, da eine Abstimmung nicht vorhanden ist. Die Debitoren- und Kreditorenkonten, die Umsatzsteuerkonten und die Verrechnungskonten mit nahestehenden Firmen enthalten derart zahlreiche Fehler, daß sie in angemessener Zeit nicht berichtigt werden konnten.
Zwischen erster Anmeldung zur Betriebsprüfung und dem Tag der Schlußbesprechung lagen etwa neun Monate, die für die Firma nicht ausreichten, ihre Buchführung richtig zu stellen.
Viele Sachkonten enthalten keine Kontenbezeichnung. Nach Einreichung der Bilanzen und Steuererklärungen erfolgten immer weitere Buchungen."
Aufgrund dieser Feststellungen sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Zentralfinanzamt - ZFA -) die Buchführung als nicht ordnungsmäßig an. Er schätzte das Einkommen für 1969 auf 0 DM und für 1970 auf 160 000 DM. Letztere Schätzung führte wegen Verlustvorträgen aus den Vorjahren zu keiner Körperschaftsteuer 1970.
In den Körperschaftsteuererklärungen 1974 bis 1976 begehrte die Klägerin den Abzug von Verlusten aus den Wirtschaftsjahren ab 1968/69. Sie begründete ihren Antrag damit, daß die Buchführung zwischenzeitlich berichtigt worden sei. Für die Wirtschaftsjahre ab 1968/69 lägen nunmehr ordnungsgemäße Buchführungen vor. Auch seien zum 30. September 1969 und zum 30. September 1970 zeitnahe Zwischenbilanzen aufgestellt worden.
Im Jahre 1977 wurde bei der Klägerin eine 2. Betriebsprüfung für die Jahre 1971 bis 1975 durchgeführt. Dabei stellte der Prüfer fest:
,,Tz. 2.02.1
a) . . . Die Firma hat nach Abschluß der Vorbetriebsprüfung für 1969 und 1970 endgültige Handelsbilanzen nachgereicht, die vom 21. 6. 1973 bzw. vom 2. 11. 1973 datieren und erhebliche Verluste aufweisen . . . Die Folge der zu späten Bilanzerstellung für 1970 ist, daß auch die Buchführung für 1971 im Sinne des § 10d EStG nicht mehr als ordnungsgemäß gilt.
b) Aus den Buchführungsunterlagen der GmbH ergibt sich, daß bei der Abstimmung der Debitorensalden für 1975 immer noch ca. 170 Debitorenposten Unstimmigkeiten ausweisen, die alle aus der Zeit vor dem 1. 10. 1972 (das war die Zeit, in der die Buchführung noch vom Steuerbüro S geführt wurde) stammen.
Neben den festgestellten Mängeln in der Buchführung scheitert ihre Ordnungsmäßigkeit auch an der verspäteten Erstellung der Bilanzen."
Mit dieser Begründung versagte das FA den Verlustvortrag aus den Wirtschaftsjahren ab 1968/69 bei der Einkommensermittlung 1974 bis 1976.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision rügt die Klägerin mangelnde Sachaufklärung durch das Finanzgericht (FG), die Verletzung des § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die falsche Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben.
Nach Ergehen des FG-Urteils erließ das ZFA am 17. August 1983 aufgrund einer weiteren Außenprüfung einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1976, mit dem die Körperschaftsteuerschuld 1976 herabgesetzt wurde. Gegen den geänderten Bescheid legte die Klägerin zunächst Einspruch ein. Später leitete sie den geänderten Bescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Revisionsverfahren über.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, falls der Senat der Revision nicht schon aus Rechtsgründen stattgebe.
Das ZFA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Hinblick auf die Streitjahre 1974 und 1975 unbegründet. Das FG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen.
1. Im Streitfall kommt § 10d EStG in der vor 1975 geltenden Fassung zur Anwendung. Zwar sind mit der Klage u.a. die Körperschaftsteuerbescheide 1975 und 1976 angefochten. Auch wurde § 10d EStG einmal durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 - EStRG - (BGBl I, 1769, BStBl I, 530) sowie ein weiteres Mal durch das Einkommensteuer-Änderungsgesetz vom 20. April 1976 - EStÄndG - (BGBl I, 1054, BStBl I, 282) jeweils neu gefaßt. Jedoch sind die Neufassungen nach Art. 1 Nr. 64a EStRG, Art. 1 Nr. 7 EStÄndG und § 52 Abs. 16 EStG 1975 (BGBl I 1974, 2165, BStBl I 1974, 733) erstmalig auf Verluste bzw. auf nicht ausgeglichene Verluste anzuwenden, die in einem nach dem 31. Dezember 1974 endenden Wirtschaftsjahr bzw. im Veranlagungszeitraum 1975 entstanden. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß auf Verluste, die in den Wirtschaftsjahren 1968/69, 1969/70 und 1970/71 entstanden, § 10d EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes vom 18. Juli 1958 - EStG 1958 - (BGBl I, 473, BStBl I, 412) anzuwenden ist.
2. Nach § 10d EStG 1958 konnten Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten, die Verluste der fünf vorangegangenen Veranlagungszeiträume aus Gewerbebetrieb wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen, soweit ein Ausgleich oder Abzug der Verluste in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht möglich war.
Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Klägerin eine Kapitalgesellschaft ist, die gemäß § 41 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) Bücher führen und gemäß § 41 Abs. 2 GmbHG ihre Gewinne durch Aufstellen einer Bilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung ermitteln muß. Da die Klägerin bezüglich der Feststellung ihres gesellschaftsrechtlichen Charakters keine Revisionsrügen erhoben hat, ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die Feststellung des FG gebunden. Als Kapitalgesellschaft ist die Klägerin gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. vom 13. Oktober 1969 - KStG 1968 - (BGBl I, 1869, BStBl I, 633) unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG 1968 hat sie ihr zu versteuerndes Einkommen nach den Vorschriften des EStG und den §§ 7 bis 16 KStG zu ermitteln. Zu den Vorschriften des EStG, auf die § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG 1968 Bezug nimmt, zählt auch § 10d EStG 1958.
3. Die Vergünstigung des § 10d EStG 1958 setzt allerdings nach dem Wortlaut der Vorschrift u.a. voraus, daß der Verlust, dessen Abzug begehrt wird, aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt wurde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Oktober 1977 I R 131/73, BFHE 124, 315, BStBl II 1978, 315, m.w.N.). Ob eine Buchführung ordnungsmäßig ist, beurteilt sich bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 5 Abs. 1 EStG ermitteln, nach den Grundsätzen des Handelsrechts. Danach ist eine Buchführung dann nicht mehr ordnungsmäßig, wenn die Bilanz wesentlich verspätet aufgestellt wird (vgl. BFH-Urteile vom 5. März 1965 VI 154/63 U, BFHE 82, 104, BStBl III 1965, 285; vom 12. Dezember 1972 VIII R 112/69, BFHE 109, 167, BStBl II 1973, 555; vom 11. Oktober 1973 IV R 181/72, BFHE 110, 528, BStBl II 1974, 65; vom 24. September 1974 VIII R 125/70, BFHE 113, 500, BStBl II 1975, 78; BFHE 124, 315, BStBl II 1978, 315; vom 25. April 1978 VIII R 96/75, BFHE 125, 165, BStBl II 1978, 525; vom 28. Oktober 1981 I R 115/78, BFHE 135, 1, BStBl II 1982, 485, und vom 6. Dezember 1983 VIII R 110/79, BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227). Für GmbH hat der Senat entschieden (BFHE 124, 315, BStBl II 1978, 315), daß die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung die Einhaltung der in § 41 Abs. 2 und 3 GmbHG festgelegten Fristen voraussetzt. Nach § 41 Abs. 2 GmbHG beträgt die Frist drei Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres. Sie kann gemäß Abs. 3 durch Gesellschaftsvertrag auf sechs Monate verlängert werden. Die Frist bezieht sich auf das Aufstellen der Bilanz (im engeren Sinne) und der Gewinn- und Verlustrechnung.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG hat die Klägerin zum 30. September 1969 und zum 30. September 1970 zunächst Bilanzen ohne Gewinn- und Verlustrechnungen eingereicht. Mit der Vorlage einer Bilanz ohne Gewinn- und Verlustrechnung erfüllt jedoch eine GmbH nicht ihre sich aus § 41 Abs. 2 GmbHG ergebende Verpflichtung. Die Klägerin stellte ferner endgültig Bilanzen zum 30. September 1969 und zum 30. September 1970 unter dem 21. Juni 1973 bzw. unter dem 2. November 1973 auf. Diese Bilanzen sind jedoch i.S. des § 41 Abs. 2 und 3 GmbHG nicht fristgerecht aufgestellt. Schließlich hat das FG angenommen, daß von der Klägerin zeitnahe ,,Zwischenbilanzen" zum 30. September 1969 und zum 30. September 1960 aufgestellt wurden, deren Bilanzansätze allerdings nicht auf eine Inventur bzw. auf eine Hauptabschlußübersicht zurückgeführt werden konnten. Jedoch erfüllte die Klägerin auch mit der Aufstellung derartiger ,,Zwischenbilanzen" nicht ihre sich aus § 41 Abs. 2 GmbHG ergebende Verpflichtung. Die Jahresbilanz, um deren rechtzeitige Aufstellung die Beteiligten streiten, ist eine Erfolgsrechnung, in der die erfolgswirksamen Vermögensbewegungen eines Unternehmens innerhalb eines bestimmten Zeitraums ihren Niederschlag finden. Zu den Kennzeichen einer Jahresbilanz gehört deshalb, daß sie auf Grund einer Abstimmung und der Bereinigung der Sachkonten mit dem bestandsmäßig aufgenommenen Vermögen beruht. Werden dagegen ,,Zwischenbilanzen" nur auf Grund des Zahlenmaterials der Finanzbuchhaltung erstellt, so handelt es sich um die rechnerische Zusammenfassung der verbuchten Geschäftsvorfälle. Eine solche ,,Zwischenbilanz" muß nicht notwendigerweise mit dem zum Abschlußzeitpunkt vorhandenen Vermögen identisch sein. Sie stellt deshalb keine Bilanz i.S. des § 41 Abs. 2 GmbHG dar. Nichts anderes hat der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 135, 1, BStBl II 1982, 485, entschieden. Dort wurde darauf abgestellt, daß der vorgelegte Vermögensstatus auf einer Abstimmung der Sachkonten mit dem bestandsmäßig aufgenommenen Vermögen beruhte und die Korrekturen enthielt, die üblicherweise im Rahmen einer Hauptabschlußübersicht vorgenommen werden. Nach den Feststellungen des FG fehlt es aber im Streitfall an den zuletzt genannten Voraussetzungen. Die in den Zwischenbilanzen der Klägerin enthaltenen Bilanzposten sind nicht mit dem bestandsmäßig aufgenommenen Vermögen abgestimmt worden.
Gegenüber diesen Feststellungen macht die Klägerin geltend, das FG habe sich nicht persönlich davon überzeugt, daß keine Hauptabschlußübersicht erstellt und keine Inventuren aufgenommen worden seien. Insoweit habe das FG den Sachverhalt nicht aufgeklärt, sondern sei von eigenen Vermutungen ausgegangen. Diese die Verletzung des § 76 FGO betreffende Rüge ist unbegründet. Das FG war zwar verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Dies bedeutet jedoch nicht, daß es ohne konkreten Anlaß von sich aus allen Fragen nachgehen mußte. Es konnte vielmehr unterstellen, daß die Beteiligten auf die Wahrung ihrer Interessen bedacht waren und z.B. Feststellungen, die in einem Betriebsprüfungsbericht getroffen worden sind, richtigstellten, soweit sie mit dem tatsächlichen Geschehen nicht übereinstimmten. Entsprechend konnte das FG seine Feststellungen auf die Tz. 21 des Betriebsprüfungsberichtes vom 22. Februar 1973 und auf die Tz. 2.02.1 des Betriebsprüfungsberichtes vom 26. Mai 1978 stützen, ohne deshalb einen Verfahrensfehler zu begehen. In den genannten Textziffern ist nämlich ausgeführt, daß eine Kontenabstimmung zum Zeitpunkt der 1. Betriebsprüfung nicht vorhanden war. Im Zeitpunkt der 2. Betriebsprüfung enthielt die Abstimmung der Debitorensalden immer noch ca. 170 Unstimmigkeiten, die aus der Zeit vor dem 1. Oktober 1972 stammten. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Klagebegründung gegenüber dem FG die Richtigkeit dieser Prüfungsfeststellungen nicht bestritten, sondern im Gegenteil mit Schriftsatz vom 3. Mai 1983 konkludent bestätigt, daß die Zwischenbilanzen nicht auf einer Abstimmung der Sachkonten mit dem bestandsmäßig aufgenommenen Vermögen beruhten. Damit konnte das FG zu der Feststellung gelangen, daß es sich bei den Zwischenbilanzen nur um die rechnerische Zusammenfassung der verbuchten Geschäftsvorfälle und nicht um eine Bilanz i.S. des § 41 Abs. 2 GmbHG handelt. An diese Feststellung ist der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Aus ihr ergibt sich, daß die Klägerin keine Bilanzen i.S. des § 41 Abs. 2 GmbHG für die Abschlußzeitpunkte 30. September 1969 und 30. September 1970 rechtzeitig aufgestellt hat.
4. Soweit die Klägerin mit der Revisionsbegründung eine andere Rechtsauffassung vertritt, stützt sie sich zu Unrecht auf die Entscheidung des Senats in BFHE 135, 1, BStBl II 1982, 485. Die genannte Entscheidung betraf die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung einer KG, was deshalb von Bedeutung ist, weil für KG nicht § 41 Abs. 2 GmbHG, sondern § 39 Abs. 2 Satz 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) gilt. § 39 Abs. 2 Satz 2 HGB spricht aber tatsächlich nur von dem ,,Inventar" und der ,,Bilanz", ohne daß es hier weiterer Ausführungen darüber bedürfte, was unter einer Bilanz i.S. des § 39 Abs. 2 Satz 2 HGB zu verstehen ist. Der für die Klägerin einschlägige § 41 Abs. 2 GmbHG fordert jedenfalls die Aufstellung auch einer Gewinn- und Verlustrechnung.
Es kommt hinzu, daß in dem Urteilsfall in BFHE 135, 1, BStBl II 1982, 485 das FG ausweislich der Entscheidungsgründe unter II. 2. Absatz 2 das fristgerechte Aufstellen eines Inventars und einer Hauptabschlußübersicht festgestellt hatte. Eine Hauptabschlußübersicht umfaßt aber die Gewinn- und Verlustrechnung, weshalb der vom Senat entschiedene Fall anders als der Streitfall gelegen war.
5. Hatte die Klägerin innerhalb der Frist des § 41 Abs. 2 GmbHG keine Gewinn- und Verlustrechnung aufgestellt, so ist ihre Buchführung unabhängig von den sachlichen Auswirkungen der Fristüberschreitung nicht ordnungsmäßig. Die Überschreitung der Frist ist ein Mangel der Buchführung im ganzen mit der zwangsläufigen Folge, daß die an die ordnungsmäßige Buchführung anknüpfenden Steuervergünstigungen ausnahmslos entfallen (BFHE 124, 315, BStBl II 1978, 315, und BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227). Ist damit der Jahresabschluß für die Wirtschaftsjahre 1968/69 und 1969/70 nicht ordnungsmäßig, so ist auch die Buchführung für das Wirtschaftsjahr 1970/71 nicht ordnungsmäßig. Wie in dem BFH-Gutachten vom 25. März 1954 IV D 1/53 S (BFHE 58, 740, BStBl III 1954, 195) unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 20. März 1953 IV 376/52 U (BFHE 57, 300, BStBl III 1953, 120) ausgesprochen wurde, kann die Buchführung für ein Wirtschaftsjahr nur dann als ordnungsmäßig angesehen werden, wenn ordnungsgemäße Anfangs- und Schlußbilanzen vorliegen. Ist der Jahresabschluß eines Wirtschaftsjahres nicht ordnungsgemäß aufgestellt, dann ist zwangsläufig die Anfangsbilanz für das folgende Wirtschaftsjahr nicht ordnungsmäßig. Insoweit wirkt sich das Fehlen eines ordnungsgemäßen Jahresabschlusses auf zwei Wirtschaftsjahre aus.
6. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf Verfügungen der Oberfinanzdirektionen (OFD) Karlsruhe und Bremen. Gemäß § 8 Abs. 1 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) leiten die OFD die Finanzverwaltung des Bundes und des Landes in ihrem Bezirk. Der Begriff ,,Leitung" umfaßt dabei u.a. die sog. Sachleitung und als Teil der Sachleitung das Recht, generelle Billigkeitsmaßnahmen zu erlassen, die der gleichmäßigen Gesetzesanwendung in der Praxis dienen. Das Recht der Sachleitung besteht jedoch nur gegenüber den jeweils nachgeordneten Finanzbehörden. Das ZFA Nürnberg ist aber als Finanzbehörde den OFD Karlsruhe und Bremen nicht nachgeordnet. Das ZFA hat deshalb in eigener Zuständigkeit über Billigkeitsmaßnahmen gegenüber der Klägerin zu entscheiden.
7. Ein Rechtsanspruch der Klägerin auf Bejahung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung im Billigkeitswege kann auch nicht aus dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 28. Juni 1979 IV B 2 - S 2160 - 2/79 (BStBl I 1979, 370) abgeleitet werden. In dem BMF-Schreiben ist ausgeführt, daß eine Billigkeitsmaßnahme nur dann angebracht erscheint, wenn das Buchführungsergebnis durch die Nichteinhaltung der handelsrechtlichen Bilanzierungsfrist nicht beeinflußt worden sei. Der BFH hat aber in seinen Urteilen in BFHE 109, 167, BStBl II 1973, 555, und in BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227, 230 entschieden, daß immer dann, wenn die Bilanz später als ein Jahr nach Ablauf des Geschäftsjahres aufgestellt wird, die Gefahr besteht, daß Wertansätze nicht nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag, sondern unzulässigerweise nach dem Ergebnis mehrerer inzwischen abgelaufener Wirtschaftsjahre gebildet werden. Daraus folgt, daß von einer Nichtbeeinflussung des Buchführungsergebnisses nur dann gesprochen werden kann, wenn der Jahresabschluß zumindest innerhalb eines Jahres aufgestellt wird. Dieser Grundsatz gilt im Streitfall um so mehr, als die Klägerin sich nach den Feststellungen des FG während der sog. 1. Betriebsprüfung innerhalb eines Zeitraums von neun Monaten nicht in der Lage sah, die bestehenden Mängel in der Buchführung zu beseitigen. Um so weniger kann eine Beeinflussung des Buchführungsergebnisses durch später gewonnene Erkenntnisse ausgeschlossen werden. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß das ZFA die verspätet aufgestellten Bilanzen auf ihre Richtigkeit hin nicht überprüft hat. Für eine solche Überprüfung bestand keine Veranlassung. Die Nichtüberprüfung besagt nicht, daß eine Beeinflussung des Buchführungsergebnisses durch die verspätete Aufstellung des Jahresabschlusses ausgeschlossen werden könnte.
8. Das ZFA war im Streitfall auch nicht nach Treu und Glauben gehindert, die Frist für die rechtzeitige Bilanzaufstellung nach der neueren BFH-Rechtsprechung zu beurteilen. Die Nichtbeanstandung verspäteter Bilanzaufstellungen durch die Finanzverwaltung in der Vergangenheit beinhaltete nicht die Zusicherung, künftig entsprechend zu verfahren. Deshalb ist Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes zu beachten. Nach dieser Bestimmung ist die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden. Diese Bindung schließt ein, daß die Verwaltung eine falsche Rechtsauffassung aufgeben muß, die sie in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen vertreten haben mag. Es kommt hinzu, daß die Finanzämter bei der Veranlagung eines jeden Jahres den Sachverhalt neu feststellen und beurteilen müssen. Insoweit besteht eine Bindung an die Sach- oder Rechtsbehandlung in vergangenen Veranlagungszeiträumen grundsätzlich nicht.
Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung in BFHE 82, 104, BStBl III 1965, 285. In dieser Entscheidung hat der BFH keineswegs eine Frist von fünf Jahren nach Ablauf des Geschäftsjahres als für die Bilanzaufstellung noch ordnungsmäßig angesehen. Vielmehr wurde nur entschieden, daß die Bilanzaufstellung nach mehr als fünf Jahren nicht mehr dem § 39 Abs. 2 Satz 2 HGB genüge. Damit wurde die Frage bewußt offengelassen, welche Frist noch als ordnungsmäßig i.S. des § 39 Abs. 2 Satz 2 HGB anzusehen ist. Schon damals wurden jedoch in Rechtsprechung und Schrifttum Fristen von ein bis zwei Jahren diskutiert, weshalb die Klägerin nicht davon ausgehen konnte, daß eine Bilanzaufstellung innerhalb von mehr als zwei Jahren noch als ordnungsmäßig angesehen werden würde (vgl. Urteile des FG Berlin vom 2. Juli 1969 VI 297/68, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1970, 54; des Hessischen FG vom 3. Juni 1970 IV 515-516/68, EFG 1970; Gronenborn, Steuerberater-Jahrbuch 1970/71, 425 ff.; o.V. Der Betrieb - DB - 1970, 2296; Stellungnahme des Fachausschusses des Instituts der Steuerberater Bayerns, DB 1973, 798; Suhrmann, Die steuerliche Betriebsprüfung 1972, 173; Mittelbach, Deutsches Steuerrecht 1972, 486).
Obwohl die Revision im Streitfall keinen Erfolg hat, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden, soweit der Körperschaftsteuerbescheid 1976 betroffen ist. Aufgrund des Antrags der Klägerin ist der auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützte berichtigte Körperschaftsteuerbescheid 1976 vom 17. August 1983 Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (§§ 68, 123 Satz 2 FGO). Unbeschadet der Frage, ob das Revisionsbegehren durch den Berichtigungsbescheid sachlich nicht berührt wird, muß die Sache gemäß § 127 FGO zurückverwiesen werden, weil infolge des Antrags der Klägerin der Gegenstand des Verfahrens ein anderer geworden ist. Hinsichtlich des neuen Verfahrensgegenstandes fehlen die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des FG - § 118 Abs. 2 FGO - (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1975 I R 110/72, BFHE 117, 36, BStBl II 1976, 74). Der Zurückverweisung steht nicht entgegen, daß der Berichtigungsbescheid vor Einlegung der Revision bekanntgegeben wurde (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209).
Fundstellen
Haufe-Index 422876 |
BFH/NV 1986, 92 |