Leitsatz (amtlich)
Wird in einem einheitlichen Vertrag vereinbart, daß V ein Grundstück an S überträgt, während E allein den Kaufpreis schuldet, so wird E nicht allein darum ermöglicht, dieses Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, weil S für die ihm von E erbrachte Leistung diesem ein anderes Grundstück gibt.
Normenkette
GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger und seine Ehefrau hatten an dem einer Stiftung gehörenden Grundstück ein Erbbaurecht erworben. Diese hatte sich im Erbbaurechtsvertrag verpflichtet, das Grundstück an die Ehegatten zu übereignen, wenn sie ein gleichwertiges Grundstück zum Tausch gäben. Der Kläger fand ein solches, das Eheleuten - künftig: Verkäufer - gehörte. Mit diesen einigte sich der Kläger mündlich, daß sie ihr Grundstück der Stiftung übereigneten und er ihnen dafür den baren Preis zahle. Der Kläger leistete eine Anzahlung, die ihm der Ehemann privatschriftlich mit dem Zusatz bestätigte, er sei zur Übereignung bereit, sobald dem Kläger die Tauschbereitschaft der Stiftung angezeigt sei. Diese fand das angebotene Grundstück geeignet; sie nahm an, es gehöre dem Kläger. Zwischen der Stiftung und den Verkäufern wurde bis zur notariellen Beurkundung nicht verhandelt. Bei dieser waren anwesend der Vertreter der Stiftung, die Verkäufer sowie der Kläger und seine Ehefrau. In dieser überließen die Verkäufer ihr Grundstück der Stiftung, diese ihr (mit dem Erbbaurecht belastetes) Grundstück dem Kläger und seiner Ehefrau; die Auflassungen wurden erklärt. Festgestellt wurde, daß die Stiftung Grundstücke in gleichem Wert gibt und erhält und daher eine Zahlung weder zu leisten noch zu erhalten hat. Der Kläger und seine Ehefrau verpflichteten sich, den Verkäufern den Kaufpreis zu zahlen; sie übernahmen die Kosten der Beurkundung und der Genehmigungen sowie die Grunderwerbsteuer.
Das FA (Beklagter) hat für die Übertragung des Grundstücks der Verkäufer zweimal die Grunderwerbsteuer aus dem Kaufpreis bzw. dem gleich hohen Wert des eingetauschten Grundstücks festgesetzt, und zwar zum einen wegen Übertragung der Verwertungsbefugnis, wobei als Erwerber der Kläger und seine Ehefrau bezeichnet sind, zum anderen wegen Weiterübertragung der Verwertungsbefugnis von diesen auf die Stiftung. Beide Bescheide wurden nur gegen den Kläger ausgefertigt. Der Einspruch richtet sich dem äußeren Wortlaut nach gegen beide Bescheide, seinem im weiteren Verfahren unstreitigen Inhalt nach dagegen nur gegen den erstgenannten Bescheid. Diesen hat das FA gegen den Kläger und seine Ehefrau zurückgewiesen. Das FG hat nach Beiladung der Verkäufer die Einspruchsentscheidung insoweit, als sie gegen die Ehefrau gerichtet war, aufgehoben, weil der Steuerbescheid nur gegen den Kläger gerichtet gewesen sei. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.
Dazu hat das FG ausgeführt: Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG sei erfüllt, wenn jemand hinsichtlich eines Grundstücks vom Eigentümer die Verkaufsermächtigung erlange und die von diesem beabsichtigte Veräußerung vereinbarungsgemäß auf Rechnung des Berechtigten gehe. Eine bürgerlich-rechtlich vollgültige Verfügungsmacht sei nicht erforderlich; insofern reiche § 1 Abs. 2 GrEStG 1940 weiter als § 5 Abs 4 Nr. 5 GrEStG 1919. Der Kläger - und nur dieser, nicht auch seine Ehefrau - habe die Verfügungsmacht jedenfalls durch Abschluß der notariellen Verhandlung erlangt und das Grundstück durch Tausch mit der Stiftung verwertet. Er habe auf Grund der Vereinbarungen mit den Verkäufern in der Hand gehabt, diese zur Übertragung des Grundstücks an die Stiftung zu veranlassen. Daß beides in einer Urkunde erfolgt sei, sei ebenso unerheblich, wie daß die Veräußerer von vornherein die unmittelbare Übertragung im Auge gehabt haben mögen. Entscheidend sei, daß zwischen den Verkäufern und der Stiftung keine Bindung bestanden habe und den Verkäufern gleichgültig gewesen sei, an wen sie übereigneten, wie umgekehrt auch die Stiftung nur vom Kläger habe erwerben wollen. Die Geschäfte seien also auf seine Rechnung gegangen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Klägers ist begründet.
Gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem andern rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Die Vorschrift ergänzt die in § 1 Abs. 1 GrEStG bezeichneten Tatbestände, welche den Anspruch auf Übereignung, die Übereignung oder den Eigentumsübergang betreffen. Soweit ein Anspruch auf Übereignung begründet wird und dieser Vorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG der Steuer unterliegt (zu diesem Merkmal vgl. Beschluß des BFH II B 42/68 vom 12. Dezember 1968, BFH 94, 359), ist für eine Anwendung des § 1 Abs. 2 GrEStG kein Raum.
Der vorliegende notariell beurkundete Vertrag ist mehrseitig. Vertragsteile sind nicht nur die Verkäufer - als Veräußerer des hier allein maßgebenden Grundstücks - einerseits und die Stiftung - als Erwerber dieses Grundstücks - andererseits, sondern auch der Kläger und seine Ehefrau. Dabei erscheint die Ehefrau des Klägers nicht etwa nur als Erwerberin hälftigen Miteigentums (§ 1008 BGB) an dem von der Stiftung abgegebenen Grundstück, sondern auch als Gesamtschuldnerin des den Verkäufern geschuldeten Preises (§ 427 BGB).
Dieses Geschäft kann, soweit es das hier maßgebende Grundstück betrifft, nicht in zwei Erwerbsvorgänge zerlegt werden. Anders als im Falle des Urteils des BFH II 30/62 U vom 14. April 1965 (BFH 82, 478, BStBl III 1965, 420) hat der Kläger nicht für sich gekauft und das gekaufte Grundstück weiterverkauft (dort: vertauscht), wobei beide Geschäfte erst im Vollzug durch eine einzige Auflassung vom Erstverkäufer an den Letzterwerber zu verbinden waren. Vielmehr liegt schon obligatorisch nur ein Kauf (§ 433 BGB) vor, bei dem allerdings die Rechte und Pflichten der Käuferseite gespalten sind. Den Kaufpreis schuldeten allein der Kläger und seine Ehefrau, während die Rechte der Käuferseite überwiegend bei der Stiftung lagen. Darin mag man zwar insofern auch Elemente des Tausches (§ 515 BGB) finden, als für die Stiftung der Erwerb dieses Grundstücks unabdingbare Voraussetzung dafür war, daß sie ihr Grundstück an den Kläger und seine Ehefrau abgab (vgl. bezüglich des anderen Grundstücks § 1 Abs. 4 GrEStG). Das setzt aber nicht voraus, daß der Kläger und seine Ehefrau das Grundstück zuvor selbst erworben haben müßten; ein Erwerb des Klägers allein liegt insoweit ohnehin außerhalb des Kreises möglicher Betrachtung. Als Tauschobjekt des Klägers und seiner Ehefrau reichte vielmehr aus, daß sie der Stiftung das Grundstück der Veräußerer verschafften; das konnten sie aber ohne eigene Verwertungsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG.
Der Kläger hatte auch vor dem notariellen Vertrag keine Verwertungsmöglichkeit im Sinne dieser Vorschrift erlangt. Die vorherigen mündlichen Abreden waren unwirksam (§ 313 Satz 1 BGB); sie zielten nicht auf eine Verwertungsbefugnis des Klägers, sondern gingen allein dahin, der Stiftung nicht nur die Verwertungsbefugnis, sondern das Eigentum zu verschaffen. Auch in Verbindung mit diesen Abreden erzeugt der bezahlte Vorschuß allein weder eine Bindung der Veräußerer noch eine Verwertungsbefugnis des Klägers. In Fällen, in denen die Steuerpflicht bisher bejaht wurde, waren die Bindungen wesentlich enger und für den Veräußerer entweder rechtlich verpflichtend oder wirtschaftlich wirksamer (vgl. Urteil des RFH II A 21/33 vom 12. Juli 1933, RFH 34, 93, RStBl 1933, 1148; Urteile des BFH II 53/58 vom 17. Februar 1960, BFH 71, 19, BStBl III 1960, 254; II 78/62 vom 21. Juli 1965, BFH 83, 166, BStBl III 1965, 561; Beschlüsse des BFH II B 39/68 vom 3. Dezember 1968, BFH 94, 352, BStBl II 1969, 170; II B 42/68 vom 12. Dezember 1968, BFH 94, 359).
Da somit außer dem bereits versteuerten Erwerb der Stiftung hinsichtlich dieses Grundstücks kein Besteuerungstatbestand erfüllt ist, waren das angefochtene Urteil, soweit es den Kläger belastet, die Einspruchsentscheidung und der angefochtene Steuerbescheid aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1, § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 68602 |
BStBl II 1969, 558 |
BFHE 1969, 74 |