Leitsatz (amtlich)
1. Eine stille Gesellschaft, bei der die Einlage des Stillen in Form einer Dienstleistung erbracht wird, ist im Unterschied zum partiarischen Arbeitsverhältnis dann anzunehmen, wenn das Rechtsverhältnis nach den Umständen des Einzelfalls entscheidend das Gepräge einer Partnerschaft (Neben- oder Gleichordnung) trägt, wie es dem gesellschaftsrechtlichen Gedanken des Zusammenwirkens zu einem gemeinschaftlichen Zweck entspricht.
2. Ein am Gewinn beteiligter Geschäftsführer ist nicht allein deshalb als stiller Gesellschafter anzusehen, weil der Unternehmer mit ihm wichtige, den Betrieb betreffende Entscheidungen erörtert und ihm Einsicht in die Bilanzen und Bücher gewährt.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 3
Tatbestand
Alleininhaberin der Firma "Brüder X", die Handelsvertretungen betreibt, ist seit dem Tode des Mitinhabers und Ehemanns im Jahre 1959 die am 7. August 1899 geborene Revisionsklägerin (Steuerpflichtige). Ihr verheirateter Sohn D., der im Jahre 1955 die Ingenieurschule absolvierte, war als Geschäftsführer der Firma tätig.
Am 24. Mai 1963 teilte der Vertreter der Steuerpflichtigen dem Revisionsbeklagten (FA) mit, die Steuerpflichtige habe als Alleininhaberin mit ihrem Sohn D. ein stilles Gesellschaftsverhältnis geschlossen. Es seien dazu folgende Vereinbarungen getroffen worden: D. werde auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit nun als stiller Gesellschafter am laufenden Gewinn beteiligt. Für 1962 erhalte er eine einmalige Tantieme in Höhe von 5 000 DM und außerdem vom Jahresgewinn einen Anteil von 10 v. H. Im Jahre 1963 stünden ihm als stillem Gesellschafter 20 v. H. des Gesamtgewinns zu. Mit dieser Erhöhung des Gewinnanteils auf 20 v. H. entfalle ab 1963 der Anspruch auf die Tantieme. D. solle weder an den stillen Reserven noch am Verlust beteiligt sein.
In der Gewinn- und Verlustrechnung der Steuerpflichtigen auf den 31. Dezember 1963 ist für den Sohn D. ein Geschäftsführergehalt von 27 000 DM enthalten. Der ihm zustehende Gewinnanteil wurde mit 13 508 DM als Verbindlichkeit der Steuerpflichtigen ausgewiesen. Eine weitere Verbindlichkeit an D. war in der Bilanz nicht aufgeführt. Ebenso enthalten die Bilanzen zum 31. Dezember 1962 und zum 31. Dezember 1964 Verbindlichkeiten an D., die den für das Bilanzjahr angefallenen, am Bilanzstichtag noch nicht ausgeschütteten Gewinnanteilen entsprechen. D. hat den Gewinnanteil für das Streitjahr 1963 am 30. Oktober 1964 voll abgehoben.
Das FA rechnete unter Bezugnahme auf § 8 Nr. 3 GewStG dem Gewerbeertrag der Steuerpflichtigen für den Erhebungszeitraum 1963 den Betrag von 13 508 DM hinzu. Einspruch und (in diesem Punkt) auch die Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Für ein stilles Gesellschaftsverhältnis spreche im Streitfall zunächst schon der Umstand, daß die Steuerpflichtige und ihr Sohn sich ausdrücklich dieses rechtlichen Instituts bedient hätten. Das sei durch entsprechende Erklärungen gegenüber dem FA und nach der Zeugenaussage des Sohnes "höchstwahrscheinlich" auch in einem dementsprechenden zwischen Mutter und Sohn schriftlich niedergelegten Vertrag geschehen. Es müßten schon ganz gewichtige Gründe gegeben sein, die die Vermutung ausräumen könnten, daß das Erklärte auch gewollt gewesen sei. Die Tatsachen wiesen jedoch gerade in die entgegengesetzte Richtung. Zwischen der Steuerpflichtigen und ihrem Sohn sei nicht das für ein Arbeitsverhältnis typische Verhältnis der Über- und Unterordnung gegeben gewesen, sondern ein Verhältnis der Gleich- und Nebenordnung. Die Überwachungsrechte des Sohnes seien sehr umfassende und eingehende gewesen. Er habe nicht nur die Jahresbilanz, sondern auch nach Belieben die gesamte Buchführung einsehen können und habe dies auch gelegentlich getan. Die für den Betrieb wichtigen Entscheidungen (Hinnahme von Provisionskürzungen, Abschluß von neuen Werkvertretungsverträgen) seien zwar letzten Endes von der Steuerpflichtigen getroffen, jedoch jeweils mit dem Sohn vorher besprochen worden. Daraus folge eine weitgehende Mitsprachebefugnis in allen betriebswesentlichen Angelegenheiten.
Schließlich könne auch nicht außer acht gelassen werden, daß der Sohn voraussichtlicher alleiniger Erbe und Geschäftsnachfolger der Betriebsinhaberin sei, ohne daß es darauf ankomme, daß eine solche Nachfolge völlig gesichert sei.
Nach diesen entscheidend für eine stille Gesellschaft sprechenden Umständen komme es nach Auffassung des FG nicht auf die nur als untergeordnetes Merkmal zu berücksichtigende Frage der ausreichenden Altersversorgung des Sohnes an. Die Beurteilung könne auch nicht anders ausfallen, wenn angenommen werde, daß für den Sohn durch die von ihm angegebene private Lebensversicherung eine ausreichende Altersversorgung geschaffen worden sei.
Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und Verstoß gegen den Inhalt der Akten. Sie macht geltend:
Die Mitsprachebefugnisse und Überwachungsrechte des Sohnes seien nicht geeignet, eine stille Gesellschaft zu begründen. Auch im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer könne man heute nicht mehr von einem Verhältnis der Über- und Unterordnung sprechen. Angestellte, die für ein bestimmtes Arbeitsgebiet eine Mitverantwortung trügen, würden heute nicht mehr als Untergebene, sondern als Mitverantwortliche angesehen. Die Mitsprachebefugnisse des Sohnes, die Einsicht in die Bilanz und Buchführung, sowie der Umstand, daß der als Geschäftsführer angestellte Sohn voraussichtlich alleiniger Erbe und Geschäftsnachfolger der Steuerpflichtigen sei, spreche nicht gegen die Eigenschaft eines bloßen gewinnbeteiligten Geschäftsführers. Ein Geschäftsführer müsse im Interesse des von ihm geführten Betriebes laufend über Geschäfts- und Ertragslage unterrichtet sein. Er sei daher zur Einsichtnahme der Buchführung nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet. Die Übernahme des Unternehmens durch den Sohn sei noch offen. Es sei durchaus denkbar, daß einige von den fünf vertretenen Firmen sich entschlössen, die Handelsvertreterverträge nicht auf den Sohn D. zu übertragen. Die Gewinnbeteiligung stehe im Streitfall im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Dies ergebe sich schon daraus, daß sich die Gesamtbezüge des Sohnes im Jahre 1963 gegenüber denen des Jahres 1962 nur um weniger als 6 v. H. erhöht hätten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Die Voraussetzungen einer stillen Gesellschaft (§ 8 Nr. 3 GewStG) sind nach den Grundsätzen des Handelsrechts zu bestimmen. Für die Annahme einer stillen Gesellschaft genügt jedoch die Beteiligung an einem Gewerbe schlechthin; eine Beteiligung an einem Handelsgewerbe (§ 335 HGB) ist nicht erforderlich (Urteil des BFH IV 213/60 S vom 5. Juni 1964, BFH 81, 138, BStBl III 1965, 49).
Wesentliches Merkmal der stillen Gesellschaft ist, daß sich die Beteiligten zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes (vgl. § 705 BGB) verbunden haben (Urteil des BGH III ZR 226/64 vom 9. Februar 1967, BB 1967, 349; BFH-Urteil I R 73/67 vom 10. März 1971, BFH 102, 242, BStBl II 1971, 589). Der Beitrag des stillen Gesellschafters kann auch in einer Dienstleistung bestehen (BFH-Urteil I 233/64 vom 7. Februar 1968, BFH 91, 373, BStBl II 1968, 356 mit weiteren Hinweisen). Wird für eine Dienstleistung eine Gewinnbeteiligung eingeräumt, so fragt sich, ob ein partiarisches Arbeitsverhältnis oder eine stille Beteiligung vorliegt. Eine Dienstleistung ist dann nicht mehr Ausfluß eines partiarischen Arbeitsverhältnisses, sondern wird im Rahmen einer stillen Gesellschaft erbracht, wenn das bestehende Rechtsverhältnis nach den Umständen des Einzelfalles entscheidend das Gepräge einer Partnerschaft (Neben- oder Gleichordnung) trägt, wie sie dem gesellschaftsrechtlichen Gedanken des Zusammenwirkens zu einem gemeinschaftlichen Zweck entspricht. Diese Partnerschaft kann ihren Niederschlag z. B. in einem Überwachungs- und Mitspracherecht des stillen Gesellschafters oder in der ungewöhnlichen Höhe der Gewinnbeteiligung oder seines (gebundenen) Beteiligungskontos finden (vgl. BFH-Urteile I 233/64, a. a. O.; I R 78/68 vom 28. Juli 1971, BFH 103, 204, BStBl II 1971, 815). Ist in einem Vertrag über die Beteiligung eines anderen am Gewinn eines Unternehmens die Verpflichtung des Unternehmens zur unveränderten Fortführung des Betriebs ausgeschlossen, so fehlt ein wesentliches Merkmal der stillen Gesellschaft (BFH-Urteil I R 73/67, a. a. O.).
Im Streitfall rechtfertigen es die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht, eine stille Gesellschaft anzunehmen.
Das FG hat die festgestellten Tatsachen zu Unrecht dahin gewürdigt, daß zwischen der Steuerpflichtigen und ihrem Sohn ein Gleich- oder Nebenordnungsverhältnis bestanden habe. Ein Überwachungs- und Mitspracherecht, das ein Gleich- oder Nebenordnungsverhältnis begründen kann, erfordert mehr als das (unter Umständen weit gespannte) Beratungs- und Entscheidungsrecht eines angestellten Geschäftsführers. Daß die Steuerpflichtige wichtige unternehmerische Entscheidungen mit ihrem Sohn erörtert hat, versteht sich aus dessen Stellung als Geschäftsführer von selbst. Wenn - wie das FG ausführt - die Steuerpflichtige aber letzten Endes selbst die unternehmerischen Entscheidungen getroffen hat, so bedeutet die Mitwirkung des Sohnes an diesen Entscheidungen letztlich nicht mehr als eine - wenn auch im Hinblick auf seine Geschäftsführertätigkeit gewichtige - Beratung. Auch das Recht des Sohnes, Bilanzen und Bücher einzusesehen, läßt im Streitfall keinen Schluß auf ein Gesellschaftsverhältnis zu. Rechte dieser Art gehören in aller Regel zum Tätigkeitsbereich eines Geschäftsführers.
Im Streitfall war es dem Sohn auch nicht verboten, wesentliche Teile seiner gewinnabhängigen Bezüge zu entnehmen (vgl. hierzu BFH-Urteil I 138/63 vom 13. Januar 1965, HFR 1965, 370). Nach den Feststellungen des FG hat der Sohn vielmehr den ihm zustehenden Gewinnanteil in voller Höhe entnommen. Schließlich kann auch die Höhe der Gewinnbeteiligung im Streitfall nicht als Anzeichen für eine stille Beteiligung des Sohnes gewertet werden.
Fehlt es demnach an einem die Arbeitnehmerstellung überschreitenden Mitsprache- und Überwachungsrecht ebenso wie an einer engen kapitalmäßigen Verknüpfung mit dem Unternehmen und einer ungewöhnlich hohen Gewinnbeteiligung, so kann auch die Stellung des Sohnes als voraussichtlicher Erbe und Geschäftsnachfolger die Annahme einer stillen Gesellschaft allein nicht rechtfertigen. Bei einem Unternehmen, das Handelsvertretungen betreibt, hängt die Geschäftsübernahme zudem auch vom Willen der Geschäftsherren ab, mit denen die Vertreterbeziehungen bestehen.
Allerdings ist, wenn auch nicht entscheidend, so doch von Bedeutung, daß der Steuerberater der Steuerpflichtigen dem FA gegenüber das mit dem Sohn bestehende Rechtsverhältnis als stille Gesellschaft bezeichnet und dies noch dahin erläutert hat, der Sohn sei weder am Verlust noch an den stillen Reserven beteiligt. Es bedarf - erforderlichenfalls durch Einvernahme des Beraters - noch tatsächlicher Feststellungen darüber, durch welche Vorgänge diese Mitteilung an das FA veranlaßt worden ist. Die Vorentscheidung wird daher aufgehoben und der Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen. Das FG wird außerdem noch prüfen, welche Vereinbarungen - schriftlich und mündlich - zwischen der Steuerpflichtigen und ihrem Sohn über die Gewinnbeteiligung des Sohnes getroffen worden sind. Denn daß die Beteiligten "höchstwahrscheinlich" einen schriftlichen Vertrag über eine stille Gesellschaft abgeschlossen haben, ist als bloße Vermutung für die Entscheidung des Streitfalles nicht verwertbar. Insbesondere wird das FG noch prüfen, ob nach den Vereinbarungen der Steuerpflichtigen mit ihrem Sohn die Steuerpflichtige berechtigt sein sollte, den Betrieb ohne Zustimmung des Sohnes aufzugeben oder in veränderter Form fortzuführen (vgl. BFH-Urteil I R 73/67, a. a. O.).
Fundstellen
Haufe-Index 412998 |
BStBl II 1972, 187 |
BFHE 1972, 572 |