Leitsatz (amtlich)
Zu den typischen Krankheitskosten, die mit den steuerfreien Pauschbeträgen nach § 26 LStDV abgegolten sind, gehören auch Aufwendungen für eine besondere Diät, die das zu dem steuerfreien Pauschbetrag führende Leiden erfordert.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 6; LStDV § 26
Tatbestand
Die Erwerbsfähigkeit der Ehefrau des Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen) war nach einer amtsärztlichen Bescheinigung wegen eines chronischen Nierenleidens um 70 v. H. gemindert; nach einer weiteren ärztlichen Bescheinigung mußte sie ständig eine entsprechende Diät einhalten. Das FA gewährte dem Steuerpflichtigen einen steuerfreien Pauschbetrag für Körperbehinderte gemäß § 26 LStDV, lehnte es aber ab, daneben einer außergewöhnliche Belastung wegen Diätkosten gemäß Abschn. 39 Abs. 6 LStR anzuerkennen. Es vertrat den Standpunkt, die Diätkosten seien durch den steuerfreien Pauschbetrag für Körperbehinderte abgegolten. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG gab der Klage statt. Es verwies auf ein in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1967 S. 511 veröffentlichtes Urteil vom 5. April 1967, in dem es entschieden hatte, daß Diätkosten neben einem steuerfreien Pauschbetrag für Körperbehinderte zu berücksichtigen seien und führte aus: In den steuerfreien Pauschbeträgen für Körperbehinderte seien die den Körperbehinderten erfahrungsgemäß allgemein erwachsenden zusätzlichen, im einzelnen oft nicht abgrenzbaren Aufwendungen für Wäsche, Hilfeleistung, Medikamente, Stärkungsmittel und Erholung berücksichtigt. Soweit den Körperbehinderten weitere Aufwendungen entständen, könnten sie neben dem Pauschbetrag gesondert als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, ohne daß es erforderlich wäre, nunmehr die gesamten Mehrkosten unter Einbeziehung auch der allgemeinen Aufwendungen im einzelnen nachzuweisen. Das gelte nicht nur für die Kosten einer Erkrankung, die mit der Körperbehinderung nicht zusammenhinge; zu Recht habe die Rechtsprechung vielmehr auch die Kosten der Benutzung eines Kraftfahrzeugs durch einen Schwerkörperbehinderten (Urteile des BFH VI 38/62 U vom 22. November 1963, BFH 78, 360, BStBl III 1964, 139; VI 297/65 U vom 17. Dezember 1965, BFH 84, 574, BStBl III 1966, 208; VI 66/65 vom 28. Januar 1966, BFH 85, 224, BStBl III 1966, 291) und die Kosten einer akuten Verschlimmerung der zur Körperbehinderung führenden Krankheit (BFH-Urteil VI 313/64 vom 30. November 1966, BFH 88, 407, BStBl III 1967, 457) neben dem Pauschbetrag für Körperbehinderte zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zugelassen. Offenbar aus denselben Erwägungen gewährten § 33a Abs. 3 Nr. 4 EStG und § 25a Abs. 3 Nr. 4 LStDV Schwerkörperbehinderten für die Beschäftigung einer Hausgehilfin einen zusätzlichen Freibetrag, obwohl die allgemeinen Kosten fremder Hilfeleistung bereits im Pauschbetrag für die Körperbehinderung berücksichtigt seien. Die Diätkosten aus einer für die Körperbehinderung ursächlichen Krankheit gehörten ebenfalls nicht zu den allgemeinen durch den Pauschbetrag abgegoltenen Kosten der Körperbehinderung. Es könne nicht zweifelhaft sein, daß durch eine solche Erkrankung, insbesondere auch ein Nierenleiden, zunächst die vorbezeichneten allgemeinen Mehraufwendungen, zusätzlich aber noch die nicht unerheblichen Kosten einer besonderen Ernährung entstünden. Diese Kosten bedürften gesonderter Berücksichtigung. Sie könnten schon ihrem Umfang nach nicht in den Pauschbeträgen für Körperbehinderte enthalten sein, da die für Diätkosten zuerkannten Beträge (Abschn. 39 Abs. 6 Satz 2 LStR) auch nach Absetzung der zumutbaren Eigenbelastung vielfach über den Pauschbeträgen lägen, die bei einem geringeren Grad der Erwerbsminderung zuzubilligen seien.
Mit der Revision beantragt das FA Aufhebung der Vorentscheidung. Zur Begründung führt es aus, die festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit beruhe ausschließlich auf einem Nierenleiden. Hiernach seien sämtliche Aufwendungen aufgrund des Nierenleidens durch den Pauschbetrag für Körperbehinderte abgegolten, soweit nicht höhere Aufwendungen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht würden. Die Mehraufwendungen wegen einer Nierendiät gehörten zu den laufenden und typischen Kosten einer Nierenkrankheit. Diese Mehraufwendungen seien somit durch den Pauschbetrag für Körperbehinderte abgegolten und könnten nicht neben diesem Pauschbetrag berücksichtigt werden. Außerordentliche Krankheitskosten, die durch einen akuten Anlaß verursacht worden seien, seien bisher nicht geltend gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Für Körperbehinderte werden, wenn nicht höhere Aufwendungen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht sind, wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die unmittelbar auf der Körperbehinderung beruhen, auf Antrag steuerfreie Pauschbeträge nach Maßgabe des § 26 LStDV gewährt. Die Vorschriften des § 26 LStDV sind aufgrund der Ermächtigung in § 33a Abs. 6 EStG erlassen worden. Die danach in Betracht kommenden steuerfreien Pauschbeträge dienen der Vereinfachung; sie sollen den Nachweis der oft nur schwer nachweisbaren infolge der Körperbehinderung erwachsenden Aufwendungen entbehrlich machen. Deshalb sind mit den steuerfreien Pauschbeträgen insbesondere auch die vom FG angeführten zusätzlichen Aufwendungen für Wäsche, Hilfeleistung, Medikamente, Stärkungsmittel und Erholung abgegolten. Die steuerfreien Pauschbeträge gelten aber entgegen der Ansicht des FG nicht nur die in diesem allgemeinen Bereich liegenden Aufwendungen ab. Mit den Pauschbeträgen nach § 33a Abs. 6 EStG, § 26 LStDV sind vielmehr alle typischen Krankheitskosten abgegolten, die mit der Körperbehinderung, derentwegen die Pauschbeträge gewährt werden, in Zusammenhang stehen (Urteil des erkennenden Senats VI R 192/67 vom 28. Februar 1968, BFH 92, 3, BStBl III 1968, 437). In diesem Urteil, durch das das in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1967 S. 511 veröffentlichte Urteil der Vorinstanz aufgehoben wird, hat der erkennende Senat entschieden, daß dann, wenn der Steuerpflichtige die steuerfreien Pauschbeträge nach § 26 LStDV wählt, nach dem Urteil des erkennenden Senats VI 313/64 vom 30. November 1966 (a. a. O.) Aufwendungen für Krankheiten nur in begrenztem Umfang geltend gemacht werden können, so vor allem dann, wenn die Krankheit mit der Körperbehinderung nicht im Zusammenhang steht oder wenn sie zwar klar mit der Körperbehinderung zusammenhängt, aber die entstandenen Kosten nicht typisch sind, wie z. B. die Kosten für eine Operation oder einen Krankenhausaufenthalt. Dagegen werden die Kosten, die üblicherweise durch die Krankheit, die die Körperbehinderung verursacht, entstehen, durch den Pauschbetrag abgegolten. Dazu gehören auch Mehraufwendungen für Diätkost, wenn das Leiden, das die Diät erfordert, mit der Körperbehinderung, derentwegen der steuerfreie Pauschbetrag gewährt wird, in Zusammenhang steht.
An dieser Auffassung hält der Senat fest. Die Ausführungen in der Vorentscheidung geben zu einer anderen Entscheidung keinen Anlaß. Die Abgrenzung des Bereichs der durch die steuerfreien Pauschbeträge für Körperbehinderte abgegoltenen Aufwendungen durch das FG ist zu eng. Dem Sinn der steuerfreien Pauschbeträge, die eine Vereinfachung, aber keine Steuervergünstigung bezwekken, entspricht es, mit ihnen alle typischen Krankheitskosten, die mit der den Pauschbeträgen zugrunde liegenden Körperbehinderung im Zusammenhang stehen, abgegolten sein zu lassen. Zu diesen typischen Krankheitskosten gehören bei einem Nierenleiden aber auch die Mehraufwendungen für Diätkosten.
Der Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Berücksichtigung von Kraftfahrzeugkosten bei Schwerkörperbehinderten (vor allem in den Urteilen VI 297/65 U, a. a. O., und VI 66/65 vom 28. Januar 1966, a. a. O.) kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Wie der erkennende Senat im Urteil VI R 192/67 (a. a. O.) ausgeführt hat, beruht die Auffassung, daß in bestimmten Fällen, nämlich bei schwer geh- und stehbehinderten Körperbehinderten, in gewissem Umfang Kraftfahrzeugaufwendungen neben den steuerfreien Pauschbeträgen für Körperbehinderte zu berücksichtigen sind, vor allem darauf, daß die steuerfreien Pauschbeträge zu einer Zeit geschaffen wurden, als die Motorisierung in dem heutigen Umfang nicht bestand, und man deshalb annehmen muß, daß die Mehrkosten für die Benutzung eines Kraftfahrzeugs bei schwer Gehbehinderten durch die steuerfreien Pauschbeträge auch nicht abgegolten sein können.
Ebensowenig kann der Hinweis des FG auf die Berücksichtigung eines steuerfreien Pauschbetrags für die Beschäftigung einer Hausgehilfin neben einem steuerfreien Pauschbetrag für Körperbehinderte seine Auffassung stützen. Beide Steuervergünstigungen stehen selbständig nebeneinander. Die erstere beruht auf § 33a Abs. 3 Nr. 4 EStG, die letztere auf der Ermächtigung in § 33a Abs. 6 EStG.
Auch der Hinweis des FG darauf, daß im Einzelfall der steuerfreie Pauschbetrag für Diätkosten eines Steuerpflichtigen den ihm zustehenden steuerfreien Pauschbetrag wegen Körperbehinderung übersteigen kann, vermag die Ansicht des FG nicht zu stützen. Es ist dem FA darin zuzustimmen, daß diese Fälle selten sein werden, jedenfalls nicht die Regel bilden. Das FG übersieht bei seinen Darlegungen daß die Inanspruchnahme der steuerfreien Pauschbeträge für Körperbehinderte nicht zwingend ist. Ein Steuerpflichtiger mit geringem steuerfreien Pauschbetrag wegen Körperbehinderung ist nicht auf diesen Pauschbetrag beschränkt. Es steht ihm frei, etwaige höhere tatsächliche Aufwendungen infolge der Körperbehinderung nachzuweisen oder auch, wenn er das nicht kann, lediglich den steuerfreien Pauschbetrag wegen der Krankendiät in Anspruch zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 69309 |
BStBl II 1971, 104 |
BFHE 1971, 397 |