Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung eines für gewerbliche Zwecke mitbenutzten Einfamilienhauses vom gemischtgenutzten Grundstück
Leitsatz (NV)
1. Bei der Bestimmung des Flächenverhältnisses der Nutzung eines Gebäudes zu Wohnzwecken und der Mitbenutzung zu anderen Zwecken ist ein vollständig von Wohnräumen umgebenes Arbeitszimmer dem Wohnbereich zuzuordnen.
2. Der Betrieb eines Planungsbüros im Untergeschoß, die Nutzung einer Garage und des Garagenvorplatzes für Lagerzwecke und bestimmte Holzbearbeitungen sowie die zeitweilige Nutzung des Gebäudes als Musterhaus verändern den Wohncharakter eines Grundstücks nicht.
Normenkette
BewG § 75
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) errichtete im Jahre 1981 auf ihrem Grundstück einen im selben Jahr bezugsfertigen Neubau mit Büro- und Wohnräumen sowie ein Garagengebäude mit zwei Stellplätzen. Mit Anerkennungsbescheid des zuständigen Landratsamts wurde die im Erdgeschoß und Dachgeschoß gelegene Wohnung mit einer - nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) um 10 v. H. gekürzten - Wohnfläche von 137,16 qm als grundsteuerbegünstigt anerkannt. In der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1982 gab die Klägerin das im Untergeschoß befindliche Büro mit einer Nutzfläche von 50 qm und die im Erdgeschoß und Dachgeschoß belegenen fünf Wohn- und Schlafräume, eine Küche sowie zwei Bäder mit einer Fläche von 157 qm an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete daraufhin das Grundstück im Wege der Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1982 als Einfamilienhaus.
Hiergegen legte die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage ein und beantragte, die Grundstücksart gemischtgenutztes Grundstück festzustellen, da mehr als die Hälfte der Wohn- und Nutzflächen zu fremden gewerblichen Zwecken vermietet sei. Die Klägerin verwies insoweit auf die von ihr vorgelegte ,,Berechnung der Wohn- und Nutzfläche zum Wohn- und Geschäftshaus", wonach die gewerbliche Nutzfläche 133,68 qm, die Wohnfläche aber nur 124,53 qm betrage. Im übrigen präge die gewerbliche und freiberufliche Nutzung durch die A-GmbH, deren Gesellschafter die Klägerin und ihr Ehemann seien, das Grundstück in starkem Maße. Die A-GmbH errichte Häuser in . . .-Bauweise und führe Zimmereiarbeiten durch; sämtliche Geschäfte der GmbH und des Planungsbüros würden vom Grundstück der Klägerin aus abgewickelt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 75 des Bewertungsgesetzes - BewG -) sowie die Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Vorinstanz hat im Ergebnis zu Recht die vom FA zum 1. Januar 1982 getroffene Feststellung der Grundstücksart Einfamilienhaus bestätigt, weil das Grundstück der Klägerin an diesem Stichtag nur eine Wohnung enthielt und die Eigenart als Einfamilienhaus durch die gewerbliche Mitbenutzung nicht wesentlich beeinträchtigt wurde.
1. Wohngrundstücke (§ 75 Abs. 1 Nrn. 1, 3 bis 5, Abs. 2, 4 bis 6 des Bewertungsgesetzes - BewG -) sind dadurch gekennzeichnet, daß sie - wenn auch in unterschiedlichem Umfang - Wohnzwecken dienen. Wohngrundstücke, die eine Wohnung enthalten, sind Einfamilienhäuser (§ 75 Abs. 5 Satz 1 BewG), Wohngrundstücke, die zwei Wohnungen enthalten, sind Zweifamilienhäuser (§ 75 Abs. 6 Satz 1 BewG). Erst wenn ein Wohngrundstück weder ein Einfamilienhaus noch ein Zweifamilienhaus ist, stellt sich kraft des entsprechenden Vorbehalts in § 75 Abs. 2 bzw. 4 BewG die Frage, ob es ein Mietwohngrundstück oder ein gemischtgenutztes Grundstück ist (vgl. Senatsurteil vom 9. November 1988 II R 61/87, BFHE 155, 128, 130, BStBl II 1989, 135, 136 m. w. N.).
Wird ein Wohngrundstück, das nur eine Wohnung enthält, zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken mitbenutzt, so gilt es (auch dann) als Einfamilienhaus, wenn durch diese Mitbenutzung die Eigenart als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird (§ 75 Abs. 5 Satz 4 BewG). Das Gesetz bietet damit zwei Abgrenzungskriterien, nämlich zum einen den Begriff der ,,Mitbenutzung" und zum anderen die dadurch verursachte wesentliche Beeinträchtigung der Eigenart des (Wohn-)Grundstücks als Einfamilienhaus.
a) ,,Mitbenutzung" i. S. des § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG kann nur dann vorliegen, wenn die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken nicht den Umfang der Nutzung zu Wohnzwecken erreicht bzw. übersteigt (vgl. Senatsurteil in BFHE 155, 128, 130, BStBl II 1989, 135, 136). Dabei ist allein auf das Verhältnis der Nutzflächen, nicht jedoch auf das Verhältnis der Jahresrohmieten abzustellen (vgl. Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 II R 250/81, BFHE 145, 92, BStBl II 1986, 173). Überwiegt die Nutzung zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken, so kommt es nicht mehr darauf an, ob die Eigenart als Einfamilienhaus wesentlich beeinträchtigt wird. Denn eine Mitbenutzung ist dann nicht gegeben. Andererseits beschränkt sich eine Mitbenutzung nicht auf eine Nutzung von untergeordneter Bedeutung. Die Mitbenutzung kann insbesondere einen Anteil von 20 v. H. übersteigen; die in § 75 Abs. 2 und 3 BewG für das Rohmietenverhältnis gezogene Grenze ist insoweit nicht maßgebend (vgl. hierzu das Senatsurteil in BFHE 155, 128, 131, BStBl II 1989, 135, 136).
Für die Bestimmung des Flächenverhältnisses der Nutzung zu Wohnzwecken und der Mitbenutzung zu anderen Zwecken sind auch die Räume einzubeziehen, die wie Zubehörräume oder Nebenräume (z. B. Kellerräume oder Garagen) nach der II. BV nicht in der Wohnflächenberechnung enthalten sind, wenn sich die Mitbenutzung zu anderen als Wohnzwecken auf derartige Räume erstreckt. Unerheblich ist, daß die nicht zu Wohnzwecken genutzten Räume baulich von der Wohnung getrennt sind und innerhalb eines äußerlich einheitlich erscheinenden Gebäudes eine gewisse Selbständigkeit aufweisen (vgl. Senatsurteil in BFHE 155, 128, 131, BStBl II 1989, 135, 136 m. w. N.).
b) Ein Grundstück, das derart zu anderen als Wohnzwecken mitbenutzt wird, gilt nur dann nicht als Einfamilienhaus, wenn dadurch die Eigenart als Einfamilienhaus wesentlich beeinträchtigt wird. Diese Frage ist in erster Linie nach dem äußeren Erscheinungsbild des Grundstücks unter Berücksichtigung von bewertungsrechtlichen Einfamilienhäusern zu beantworten, die nicht zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken mitbenutzt werden. Da der Begriff des Einfamilienhauses im bewertungsrechtlichen Sinne nicht ein von der Verkehrsanschauung bestimmter Begriff, sondern ein durch die Umschreibung in § 75 Abs. 5 BewG gekennzeichneter Rechtsbegriff ist (vgl. Senatsurteile vom 5. Februar 1986 II R 31/85, BFHE 146, 167, BStBl II 1986, 448, sowie in BFHE 155, 128, 131, BStBl II 1989, 135, 136), kann nicht von einer etwa bestehenden allgemeinen Vorstellung vom Erscheinungsbild eines Einfamilienhauses ausgegangen werden. Daraus folgt, daß eine dem Begriff des Einfamilienhauses entgegenstehende Mitbenutzung des (Wohn-) Grundstücks zu anderen als Wohnzwecken nach außen in der Weise hervortreten muß, daß sie die Eigenart des Grundstücks deutlich prägt, also in den Vordergrund tritt (vgl. auch Senatsurteile vom 23. Oktober 1985 II R 250/81, BFHE 145, 92, BStBl II 1986, 173; vom 12. November 1986 II R 48/85, BFHE 148, 76, BStBl II 1987, 104, und in BFHE 155, 128, 131, BStBl II 1989, 135, 136).
2. Das Grundstück der Klägerin enthält nur eine Wohnung. Es wird auch nicht überwiegend zu anderen als Wohnzwecken genutzt; denn die Wohnzwecken dienenden Räume umfassen mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche des Gebäudes.
Zwar hat das FG die Frage nicht für entscheidungserheblich angesehen, welche von der Klägerin erklärten Flächen tatsächlich gewerblich genutzt wurden. Doch bedarf es hierzu keiner weiteren Feststellungen. Eine Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung gem. § 76 FGO liegt nicht vor. Auch wenn man die von der Klägerin vorgelegte Flächenberechnung zugrunde legt, ergibt sich die überwiegende Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken. Denn die Klägerin hat bei der Berechnung der nicht Wohnzwecken dienenden Flächen mit insgesamt 133,68 qm nicht nur die Räume im Untergeschoß und den Garagenbau, sondern auch das im Dachgeschoß belegene Arbeitszimmer mit einer Fläche von 13,33 qm erfaßt. Da dieser Raum nach den Feststellungen des FG jedoch vollständig von Wohnräumen umgeben und von den gewerblich genutzten Räumen im Untergeschoß sowie vom Garagenbau deutlich abgegrenzt ist, ist er entgegen der Auffassung der Klägerin dem Wohnbereich zuzuordnen. Der Senat verweist insoweit auf sein Urteil in BFHE 155, 128, BStBl II 1989, 135. Damit verringert sich die von der Klägerin erklärte Fläche der gewerblich genutzten Räume um 13,33 qm auf insgesamt 120,35 qm, während sich gleichzeitig die erklärte Fläche der Wohnzwecken dienenden Räume um 13,33 qm auf 137,86 qm erhöht und damit die gewerblich genutzte Fläche übersteigt.
Somit kommt es im Streitfall entscheidend darauf an, ob die Mitbenutzung zu gewerblichen Zwecken die Eigenart des Grundstücks der Klägerin wesentlich beeinträchtigt. Dies ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Fall.
Soweit das FG unter Schilderung des äußeren Erscheinungsbilds des Wohngrundstücks der Klägerin ausgeführt hat, daß die Mitbenutzung des Grundstücks für den Betrieb der GmbH und für das Planungsbüro nicht in den Vordergrund tritt, also die Eigenart des Grundstücks als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinflußt, läßt die Entscheidung des FG keinen Rechtsfehler erkennen.
Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, verändert der Betrieb des Planungsbüros und bestimmter Teile des Geschäftsbetriebs der GmbH im Untergeschoß das Gesamtbild des Wohnhauses nicht, da derartige Büroarbeiten in Räumen innerhalb des Hauses ausgeübt werden, die ebensogut für andere Verwaltungsarbeiten, für eine freiberufliche Tätigkeit oder zu Wohnzwecken genutzt werden können. Ebensowenig trat die Nutzung des Garagengebäudes für bestimmte Holzbearbeitungen und zu Lagerzwecken sowie die Nutzung des Garagenvorplatzes für ergänzende und vorbereitende Tätigkeiten für die von der GmbH betriebene Montage von Häusern in den Vordergrund. Da diese Arbeiten nach den Feststellungen des FG nur einen geringen Umfang hatten, weil die wesentlichen Bauteile durch Fremdfirmen unmittelbar an die Baustellen geliefert und dort von der GmbH montiert wurden, konnten sie dem Grundstück auch kein gewerbliches Gepräge geben. Auf den von der Klägerin geltend gemachten Umstand, daß gewerblich und freiberuflich genutzte Räume durch die Vielzahl von Mitarbeitern sowie durch den im Vergleich zu Wohnräumen stärkeren Besucherverkehr intensiver genutzt würden, kommt es insoweit nicht an. Denn auch dadurch wird das äußere Erscheinungsbild des Grundstücks nicht beeinträchtigt.
Dies gilt auch, worauf das FG zutreffend hingewiesen hat, für die zeitweilige Nutzung des Grundstücks als Musterhaus. Denn das von der Klägerin und ihrer Familie bewohnte Grundstück kann nicht wie ein typisches Musterhaus ständig oder zu bestimmten Geschäftszeiten besichtigt werden; es wird vielmehr von der Klägerin im Geschäftsinteresse der GmbH nur einzelnen Interessenten vorgestellt. Dadurch tritt aber die Nutzung zu Wohnzwecken nicht so stark zurück, daß eine gewerbliche Nutzung bejaht werden könnte oder der Wohncharakter des Grundstücks insgesamt verändert würde.
Fundstellen
Haufe-Index 418104 |
BFH/NV 1992, 644 |