Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine sofortigen Anschaffungskosten bei aufschiebend bedingter Kaufpreiszahlungsverpflichtung
Leitsatz (NV)
1. Können Eltern nicht ernstlich damit rechnen, den ,,Kaufpreis" von der Tochter zu erhalten, da eine Zahlung nur für den Fall der Grundstücksveräußerung oder des Vermögensverfalls der Tochter vorgesehen ist, so liegt hierin keine Stundung eines von der Tochter in jedem Fall zu leistenden Kaufpreises. Vielmehr handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtung, die gemäß § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG 1965) erst nach Bedingungeintritt berücksichtigt werden kann und erst dann zu Anschaffungskosten führt (Anschluß an Urteil vom 10. April 1991 XI R 7,8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791).
2. Auch im Rahmen von Vermögensübertragungen gilt der Grundsatz, daß entgeltliche Verträge zwischen nahen Angehörigen nur dann der Besteuerung zugrunde gelegt werden können, wenn sie klar vereinbart und ernsthaft gewollt sind, tatsächlich durchgeführt werden und nach Inhalt und Durchführung einem Fremdvergleich standhalten.
Normenkette
EStG § 7b; BewG 1965 § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1; EStDV § 11d
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erwarb durch eine als Kaufvertrag bezeichnete Vereinbarung im Jahre 1979 ein ihren Eltern gehörendes Einfamilienhaus. Der Kaufpreis sollte 150 000 DM betragen und mit 130 000 DM auf das Gebäude sowie mit 20 000 DM auf das Grundstück entfallen; diese Aufteilung entsprach nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) den Verkehrswerten. Vom Kaufpreis waren 75 000 DM sogleich zu zahlen; die Eltern leiteten diesen Betrag an die Geschwister der Klägerin weiter. Die Klägerin finanzierte die Zahlung aus einem Bankkredit. Der Restbetrag wurde tilgungsfrei gestundet; er sollte nur fällig werden, wenn das Grundstück verkauft wurde oder die Klägerin in Vermögensverfall geriet. Jedoch hatte die Klägerin vierteljährlich 4 v. H. Zinsen auf den Restbetrag an die Eltern zu zahlen; die Zahlungen sind nach Feststellung des FG erfolgt. Wie im Kaufvertrag vorgesehen, vermietete die Klägerin das Einfamilienhaus an ihre Eltern. Die Eltern zahlten eine ortsübliche Miete von 350 DM monatlich.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1979 vertrat der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß ein Abzug erhöhter Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie von Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht möglich sei, weil es sich um eine unentgeltliche Grundstücksübertragung gehandelt habe. Daraufhin vereinbarte die Klägerin im Dezember 1982 mit ihren Eltern, daß der Restbetrag mit monatlich 350 DM getilgt werden solle; die Zinsen sollten vom jeweiligen Restbetrag berechnet werden.
In der Einkommensteuererklärung 1981 behandelten die Kläger die Anzahlung als Anschaffungskosten und machten Absetzungen nach § 7 b EStG nach einer Bemessungsgrundlage von 130 000 DM geltend. Außerdem verlangten sie den Abzug der Schuldzinsen und der Geldbeschaffungskosten zur Finanzierung der Anzahlung. Das FA berücksichtigte zunächst nur Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 11 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV), § 7 Abs. 4 EStG. Nach Klageerhebung erließ es einen Änderungsbescheid.
Das FG ging davon aus, daß ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft vorliege und in Höhe von 65 000 DM Anschaffungskosten auf das Gebäude gegeben seien. Der angeblich gestundete Kaufpreisanteil habe tatsächlich nicht gezahlt werden sollen und stelle deshalb keine Gegenleistung dar; die Vertragsänderung des Jahres 1982 könne im Streitjahr noch nicht berücksichtigt werden. Als Gegenleistung kämen jedoch die laufend gezahlten Stundungszinsen in Betracht; ihr Barwert stelle zusätzliche Anschaffungskosten dar. Demgemäß berechnete das FG die 7 b-Absetzung nach Anschaffungskosten von 90 454 DM und die AfA nach § 11 d EStDV, § 7 b Abs. 1 Satz 2 EStG jedoch hinsichtlich des verbleibenden unentgeltlichen Geschäftsteils.
Mit seiner Revision begehrte das FA zunächst die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage. Nunmehr macht es lediglich noch geltend, daß die angeblichen Stundungszinsen nicht als Veräußerungs-, sondern als Versorgungsrente zu behandeln seien; die Kläger könnten deshalb nur den Ertragsanteil als Sonderausgabe absetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Bei der zwischen der Klägerin und ihren Eltern getroffenen Vereinbarung handelte es sich trotz der abweichenden Bezeichnung um eine Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Dies wird dadurch deutlich, daß die Eltern den erhaltenen Barbetrag sogleich an die Geschwister der Klägerin weitergeleitet haben und daß die Klägerin in Höhe des angeblich gestundeten Teilbetrags eine unentgeltliche Zuwendung empfangen hat. Die Eltern konnten nicht ernstlich damit rechnen, diesen Teilbetrag von der Klägerin zu erhalten, da eine Zahlung nur für den Fall der Grundstücksveräußerung oder des Vermögensverfalls der Klägerin vorgesehen war. Hierin lag keine Stundung eines von der Klägerin in jedem Fall zu leistenden Kaufpreises. Vielmehr handelte es sich um eine aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtung, die gemäß § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG 1965) erst nach Bedingungseintritt berücksichtigt werden kann und erst dann zu Anschaffungskosten führt (BFH-Urteil vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791).
Dies bedeutet, daß es sich bei den von der Klägerin erbrachten Zahlungen in Höhe von 4 v. H. des vermeintlichen Kaufpreisrestes nicht um Stundungszinsen, d. h. um Entgelt für eine Kapitalüberlassung handelte; sie können deshalb nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden. Das FG hat in ihnen ein zusätzliches Entgelt für die Vermögensübertragung gesehen und sie wie eine Veräußerungsrente mit ihrem Kapitalwert berücksichtigt. Es hat hierbei angenommen, daß die Zahlungen mit dem Tode des längstlebenden Elternteils enden sollten. Derartiges ist zwischen den Beteiligten aber nicht vereinbart worden. Darum ist auch der Auffassung des FA nicht zu folgen, daß es sich um eine Versorgungsrente handle, deren Ertragsanteil gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG als Sonderausgabe abgezogen werden könne. Ebensowenig kommt ein Abzug als dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG in Betracht. Maßgebend ist vielmehr, daß die Beteiligten Zinszahlungen für einen steuerlich nicht anzuerkennenden Kaufpreisanspruch der Eltern der Klägerin vereinbart haben. Auch im Rahmen von Vermögensübertragungen gilt der Grundsatz, daß entgeltliche Verträge zwischen nahen Angehörigen nur dann der Besteuerung zugrunde gelegt werden können, wenn sie klar vereinbart und ernsthaft gewollt sind, tatsächlich durchgeführt werden und nach Inhalt und Durchführung einem Fremdvergleich standhalten (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. Urteile des BFH vom 5. Februar 1988 III R 216/84, BFH/NV 1988, 553 zum Pachtvertrag; vom 29. November 1988 VIII R 83/82, BFHE 155, 114, BStBl II 1989, 281 zum Arbeitsvertrag; vom 7. November 1990 X R 126/87, BFHE 163, 49, BStBl II 1991, 291; vom 18. Dezember 1990 VIII R 138/85, BFHE 163, 431, BStBl II 1991, 581; vom 18. Dezember 1990 VIII R 290/82, BFHE 163, 423, BStBl II 1991, 391; vom 18. Dezember 1990 VIII R 134/86, BFHE 163, 438, BStBl II 1991, 882 zum Darlehensvertrag). Kann danach ein von den Beteiligten gewolltes Darlehen nicht berücksichtigt werden, bleiben auch die Zinszahlungen steuerlich außer Betracht. Entsprechendes muß im Streitfall gelten, in dem die vorgebliche Kaufpreisrestzahlung außer Betracht bleibt. Der erst im Jahre 1982 abgeschlossene Änderungsvertrag kann für das Streitjahr nicht berücksichtigt werden; ob sich aus ihm überhaupt eine zusätzliche Gegenleistung für die Grundstücksübertragung ableiten läßt, kann dahinstehen.
Entsprechend den Grundsätzen des BFH-Beschlusses vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) hat die Klägerin das Grundstück zur Hälfte entgeltlich und zur weiteren Hälfte unentgeltlich erlangt. Das bedeutet, daß sie auf ihre Gebäudeanschaffungskosten Absetzungen nach § 7 b EStG vornehmen kann und daß die den Eltern zustehende AfA nach § 11 d EStDV, § 7 b Abs. 1 Satz 2 EStG und nach § 82 a EStDV nur zur Hälfte berücksichtigt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 418106 |
BFH/NV 1992, 297 |