Leitsatz (amtlich)

Der nach § 2 VOL zu ermittelnde Gewinn ist bei einem Rumpfwirtschaftsjahr nur für diesen Zeitraum der Besteuerung zu unterwerfen.

Zur Maßgeblichkeit des Einheitswertes bei dem Pächter i. S. von § 3 Abs. 2 VOL.

 

Normenkette

VOL § 2; GDL 2; VOL § 3; GDL 3; VOL § 9; GDL 7; VOL § 11; GDL 10

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat durch Vertrag vom 6. Juni 1951 für die Zeit vom 10. Juni 1951 bis 15. November 1966 einen landwirtschaftlichen Hof ohne lebendes und totes Inventar gepachtet. Die übernahme der Pachtung erfolgte nach den Angaben des Bf. erst am 18. September 1951.

Das Finanzamt hat den Gewinn 1951/52 und 1952/53 nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1949 - VOL - (Steuer- und Zollblatt - StuZBl - 1949 S. 158) berechnet. Durch Gegenüberstellung der Geldeinnahmen zuzüglich des Mehrwertes an lebendem Inventar mit den Geldausgaben und einer Schuld bei einer Getreidemühle machte der Bf. im Einspruchsverfahren einen Verlust von 8.617 DM (richtig 8.697 DM) geltend.

Das Finanzgericht hat die Berechnung des Finanzamts gebilligt.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Bf. Verstöße wider den klaren Inhalt der Akten.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel führt, wenn auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen, zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Bf. ist nicht buchführungspflichtig; er hat auch freiwillig keine Bücher im Sinne der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 908, Reichssteuerblatt - RStBl - 1935 S. 955) geführt. Bei der Bucheinsicht durch das Finanzamt haben lediglich Grundbuchungen über den Geldverkehr vorgelegen. Die Gegenüberstellung von geldlichen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben allein, wie sie der Bf. anerkannt wissen will, entspricht aber nicht dem Ergebnis einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Grund einer ordnungsmäßigen landwirtschaftlichen Buchführung. Zutreffend haben deshalb die Vorinstanzen das Vorliegen einer solchen verneint und die Anwendung der VOL, deren Voraussetzungen im übrigen gegeben sind, bejaht.

Die nach § 29 EStG aufgestellten Durchschnittsätze für die Ermittlung des Gewinnes aus Landwirtschaft nach der VOL sind sowohl für den Steuerpflichtigen wie auch für die Verwaltung und die Gerichte rechtsverbindlich. Es liegt im Wesen der Durchschnittssätze, daß ein fiktiver Betrag als Gewinn für die einzelnen Wirtschaftsjahre angesetzt wird, und daß Ertragsschwankungen unberücksichtigt bleiben; diese gleichen sich im Laufe der Zeit aus. Die Veranlagung nach Durchschnittsätzen kann sich somit in dem einzelnen Jahre gegenüber dem tatsächlichen Gewinn zuungunsten oder zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken. Für 1951/1952 handelt es sich um ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 18. September 1951 bis 30. Juni 1952. Nach dem Inhalt des Pachtvertrages und dem Zeitpunkt der ohne übernahme von lebendem und totem Inventar erfolgten Pachtübernahme kann angenommen werden, daß der Bf. nicht oder nur noch zu einem geringen Teil in den Genuß der Ernte 1951 gekommen ist. In derartigen Fällen wird das Rumpfwirtschaftsjahr bei Beginn der Pachtzeit regelmäßig nicht mit einem Gewinn abschneiden. Der buchführende Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebes ist in derartigen Fällen berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Feldbestellungskosten zu aktivieren, um diesen Aufwand mit Mehreinnahmen des Rumpfwirtschaftsjahres am Ende der Pachtzeit auszugleichen. Bei der VOL-Besteuerung ist aber ein solcher Ausgleich nicht möglich.

Die Anerkennung eines Verlustes hätte der Bf. nur auf Grund einer ordnungsmäßigen Buchführung erreichen können; mangels einer solchen muß er grundsätzlich die sich aus der VOL ergebende und von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Gewinnberechnung in Kauf nehmen. Diese ist jedoch nach zwei Richtungen hin nicht bedenkenfrei.

Der Bf. hat unwidersprochen die Pachtung erst am 18. September 1951 übernommen. Es durften danach nur die der Dauer des Rumpfwirtschaftsjahres 1951/52 (18. September 1951 bis 30. Juni 1952) entsprechenden Teilbeträge der nach der VOL anzusetzenden Jahresbeträge der Besteuerung unterworfen werden; das ist 1/2 der für die Zeit vom 18. September 1951 bis 30. Juni 1952 und für das Wirtschaftsjahr 1952/53 ermittelten Gewinne (siehe auch RStBl 1938 S. 722 unter VI).

Des weiteren erscheint es zweifelhaft, ob von dem zutreffenden ha-Satz ausgegangen ist. Die VOL regelt bei der Verpachtung die Frage, welcher ha-Satz bei dem Pächter für das Pachtland zugrunde zu legen ist, nur für den Fall, daß der Pächter zu seinem eigenen Besitz Ländereien zupachtet, und daß für die zugepachteten Flächen kein besonderer Einheitswert besteht. Einen eigenen Betrieb hat der Bf. nicht; er bewirtschaftet nur Pachtland. Ein besonderer Einheitswert für dieses ist offenbar nicht vorhanden, da das Finanzamt nicht den Einheitswert der Verpächter zugrunde gelegt hat, sondern von einem ha-Satz von 1.210 DM ausgegangen ist. Danach scheint nicht das gesamte im Einheitswert der Verpächter erfaßte Land verpachtet zu sein. Es ist dann grundsätzlich richtig, wenn das Finanzamt für die Zwecke der Gewinnermittlung nach der VOL einen Einheitswert errechnet hat. Die Unterlagen lassen nicht erkennen, wie das Finanzamt den ha-Satz von 1.210 DM ermittelt hat. Nach dem zu der aufgehobenen VOL vom 31. Dezember 1936 (RGBl I 1937 S. 1, RStBl 1937 S. 33) ergangenen Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 31. Dezember 1936 (RStBl 1937 S. 35) kann zur Vereinfachung ein ha-Satz angewendet werden, der dem Durchschnitt der ha-Sätze der Gemeinde entspricht, in der der größte Teil des Pachtlandes belegen ist; es werden auch keine Bedenken bestehen, den beim Einheitswert des Verpächters zugrunde gelegten ha-Satz anzuwenden, wenn das den wirtschaftlichen, insbesondere den ertragsbedingten Verhältnissen des Pachtlandes entspricht. In jedem Falle muß aber bei der Ermittlung des ha- Satzes der Tatsache Rechnung getragen werden, daß der Bf. das Pachtland ohne lebendes und totes Inventar übernommen hat. Es handelt sich hierbei um Umstände, die nach §§ 36, 40 des Bewertungsgesetzes (BewG) Abschläge rechtfertigen, da in jedem ha- Satz hinsichtlich der Betriebsmittel Verhältnisse unterstellt sind, die für die Bewirtschaftung als regelmäßig anzusehen sind (§ 36 Abs. 2 BewG). Bei dem auf den Pachtbeginn (18. September 1951) festzustellenden Einheitswert ist von dem an sich anzuwendenden ha-Satz für das fehlende lebende und tote Inventar und für etwa sonst noch vorliegende ertragsmindernde Umstände ein Abschlag zu machen. Der nach diesem ha-Satz errechnete Einheitswert ist solange maßgebend, bis die ertragsmindernden Umstände ganz oder zum Teil beseitigt und im Sinne des entsprechend anzuwendenden § 9 VOL eine Gewinnabweichung um mindestens 300 DM gegeben ist. Beim Vorliegen dieser Voraussetzungen bedarf es keiner formellen Wertfortschreibung, da der nach § 3 Abs. 2 VOL errechnete Einheitswert auf keinem Feststellungsbescheid im Sinne des § 214 der Reichsabgabenordnung (AO) beruht. Das ergibt sich auch aus § 9 Abs. 1 VOL.

Der Streitfall wird, auch unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung, an das Finanzamt zurückverwiesen, das unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen eine neue Gewinnberechnung vorzunehmen hat. Soweit der Bf. glaubt, daß seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch bei der neuen Gewinnberechnung noch nicht hinreichend Rechnung getragen ist, muß ihm anheimgestellt werden, einen Erlaßantrag nach § 11 VOL oder § 131 AO zu stellen; zu dessen Entscheidung sind aber zunächst die Verwaltungsbehörden zuständig (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs IV 474/52 U vom 5. Februar 1953, Slg. Bd. 57 S. 192, Bundessteuerblatt 1953 III S. 76).

Sollte festgestellt werden, daß ein gesonderter Einheitswert für die gepachteten Flächen besteht, dann muß grundsätzlich dieser Einheitswert auch trotz des bei der Pachtübernahme fehlenden toten und lebenden Inventars zugrunde gelegt werden, es sei denn, daß für den Pachtübernahmetag die Voraussetzungen für eine - nur noch von Amts wegen mögliche - Wertfortschreibung zugunsten des Bf. gegeben sind, und eine solche auch durchgeführt wird. Sonst kommt eine Gewinnkorrektur nur wegen des Rumpfwirtschaftsjahres 1951/52 in Betracht. Der durch das Fehlen des toten und lebenden Inventars herbeigeführten Ertragsminderung kann in diesem Falle nur im Rahmen eines Erlasses nach § 11 VOL oder § 131 AO Rechnung getragen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408641

BStBl III 1957, 65

BFHE 1957, 169

BFHE 64, 169

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge