Leitsatz (amtlich)
1. Geht am gleichen Tag ein Antrag auf Wohnungsbau-Prämie bei der Bausparkasse und ein Antrag auf Spar-Prämie bei einem Kreditinstitut ein, so gilt der Antrag als zuerst gestellt, der für den Antragsteller günstiger ist.
2. Hat ein Sparer zuerst einen Antrag auf Wohnungsbau-Prämie und sodann einen Antrag auf Spar-Prämie gestellt, der auf vermögenswirksame Leistungen bis zu 624 DM i. S. des § 12 Abs. 1 des 3. VermBG begrenzt ist, so ist dies auch dann nicht kumulierungsschädlich, wenn ihm wegen Überschreitens der Einkommensgrenze keine Arbeitnehmer-Sparzulage gewährt wird.
Normenkette
3. VermBG § 12 Abs. 1; SparPG 1972 § 1 Abs. 4 Nr. 3a, § 2 Abs. 6
Tatbestand
Der ledige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte im August 1970 einen vermögenswirksamen Sparvertrag und im Februar 1972 einen Bausparvertrag abgeschlossen. Für das Streitjahr 1973 beantragte er am 13. August 1974 eine Wohnungsbau-Prämie für Bausparleistungen in Höhe von 1 648 DM und eine Spar-Prämie für vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 624 DM. Beide Anträge gingen an diesem Tage bei der Bank bzw. der Bausparkasse ein. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) gewährte die Wohnungsbau-Prämie. Nachdem das FA die Arbeitnehmer-Sparzulage wegen Überschreitens der 24 000-DM-Grenze des § 12 Abs. 1 des Dritten Vermögensbildungsgesetzes (3. VermBG) zurückgefordert hatte, lehnte es den Antrag auf Spar-Prämie für die vermögenswirksamen Leistungen wegen des Kumulierungsverbots ab. Der Einspruch gegen die Versagung der Spar-Prämie war erfolglos.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG führte u. a. aus, das sog. kleine Kumulierungsverbot nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 a SparPG 1972 sei nach § 2 Abs. 6 Satz 2 SparPG 1972 im Streitfall nicht anwendbar. Eine Auslegung des Spar-Prämiengesetzes gegen seinen Wortlaut entsprechend der korrespondierenden, aber anderslautenden Bestimmung des § 3 Abs. 6 WoPG 1969 sei nicht zulässig. Eine unterschiedliche Betrachtung des SparPG und des WoPG sei schon deshalb geboten, weil Prozentsätze und Höchstgrenzen der Spar-Prämie niedriger als die der Wohnungsbau-Prämie seien. Das FG hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Durch ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers seien die strengeren Erfordernisse des § 3 Abs. 6 Satz 1 WoPG 1969 nicht in § 2 Abs. 6 Satz 1 SparPG 1972 aufgenommen worden. Da ein sachlicher Differenzierungsgrund nicht ersichtlich sei, müsse die Vorschrift im SparPG wie die entsprechende Norm im WoPG ausgelegt werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
1. Die Gewährung einer Spar-Prämie setzt nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 a SparPG 1972 voraus, daß weder der Prämienberechtigte noch eine zur sog. Höchstbetragsgemeinschaft i. S. von § 2 Abs. 1 SparPG 1972 gehörende Person (Ehegatte und Kinder, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem die Sparbeiträge geleistet worden sind, das 17. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten oder die in diesem Kalenderjahr lebend geboren wurden) für dasselbe Kalenderjahr, in dem die Sparbeiträge geleistet worden sind, eine Prämie nach dem WoPG beantragt hat (sog. kleines Kumulierungsverbot des SparPG). Für die Prämienberechtigten besteht insoweit ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme einer Spar-Prämie und der Inanspruchnahme einer Wohnungsbau-Prämie. Das Wahlrecht wird zugunsten der Prämie dadurch ausgeübt, daß der Prämiensparer einen Antrag auf Gewährung der Prämie stellt. In Fällen, in denen für dasselbe Kalenderjahr Wohnungsbau- und Spar-Prämienanträge gestellt werden, die sich nach den obigen Vorschriften über das sog. kleine Kumulierungsverbot gegenseitig ausschließen, gilt das Wahlrecht zugunsten der Prämienvergünstigung als ausgeübt, die als erste beantragt ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 18. August 1972 VI R 154/68, BFHE 107, 332, BStBl II 1973, 99) wird das Wahlrecht zugunsten einer Prämie mit dem Eingang des Prämienantrags beim FA rechtswirksam rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrages bei dem Kreditinstitut oder der Bausparkasse ausgeübt. Im Streitfall läßt sich jedoch nicht feststellen, ob der Antrag auf Spar-Prämie früher gestellt wurde als der Antrag auf Wohnungsbau-Prämie. Beide Anträge, die am gleichen Tage, dem 11. August 1974, vom Antragsteller unterschrieben wurden, gingen am gleichen Tag, nämlich am 13. August 1974, bei der Bank und der Bausparkasse ein, ohne daß die Uhrzeit des Eingangs der Anträge bei der Bank und der Bausparkasse feststellbar ist. Der Gesetzgeber hat weder im WoPG noch im SparPG im Rahmen der sog. kleinen Kumulierungsverbote die Frage geregelt, welche Anträge in einem solchen Fall als zuerst gestellt angesehen werden sollen. Der Senat schließt diese Gesetzeslücke, indem er von den beiden möglichen Lösungen die für den Antragsteller günstigere als vom Gesetzgeber gewollt ansieht. Gehen Anträge auf Wohnungsbau-Prämie und Spar-Prämie am gleichen Tag bei dem Kreditinstitut und der Bausparkasse ein, so gilt also der Antrag als früher gestellt, der für den Antragsteller der günstigere ist. Sollten hierüber im Einzelfall Zweifel bestehen, so muß das FA ggf. beim Antragsteller rückfragen, welchen Antrag er als vorteilhafter ansieht. Im Streitfall ist der Antrag auf Wohnungsbau-Prämie eindeutig günstiger, weil hiermit eine höhere Prämie erreichbar ist. Davon ist auch das FA ausgegangen. Denn es hat wegen Verstoßes gegen das kleine Kumulierungsverbot nicht die Wohnungsbau-Prämie, sondern die Spar-Prämie versagt.
Es ist daher im Streitfall nach den Vorschriften des SparPG 1972 zu entscheiden, ob der zuletzt gestellte Antrag auf Spar-Prämie gegen das sog. kleine Kumulierungsverbot des § 1 Abs. 4 Nr. 3 a SparPG 1972 verstieß. Das ist gemäß nachstehenden Ausführungen zu verneinen.
2. Nach § 2 Abs. 6 Satz 1 SparPG 1972 werden Spar-Prämien für Sparbeiträge, die vermögenswirksame Leistungen i. S. des Zweiten oder Dritten Vermögensbildungsgesetzes darstellen, auf den Prämienhöchstbetrag des § 2 Abs. 2 SparPG 1972 nicht angerechnet, soweit die vermögenswirksamen Leistungen die nach diesen Gesetzen geförderten Beträge nicht übersteigen. Nach § 2 Abs. 6 Satz 2 SparPG 1972 ist § 1 Abs. 4 Nr. 3 a SparPG "in diesem Fall" nicht anzuwenden. Danach gilt das sog. kleine Kumulierungsverbot des § 1 Abs. 4 Nr. 3 a SparPG 1972 also nicht, wenn vermögenswirksame Leistungen vom Arbeitgeber nach den Vorschriften des Zweiten oder Dritten Vermögensbildungsgesetzes als Sparbeiträge für den Arbeitnehmer erbracht werden, soweit die vermögenswirksamen Leistungen die nach diesen Gesetzen geförderten Beträge nicht übersteigen.
a) Nach § 2 Abs. 1 des 3. VermBG sind "vermögenswirksame Leistungen" u. a. solche Beträge, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer als Sparbeiträge des Arbeitnehmers oder als Aufwendungen des Arbeitnehmers erbringt, die nach den Vorschriften des SparPG oder des WoPG angelegt werden. Nach § 4 Abs. 4 des 3. VermBG sind auch vermögenswirksam angelegte Teile des Arbeitslohns vermögenswirksame Leistungen i. S. des Gesetzes. Vermögenswirksame Leistungen werden vom Gesetzgeber u. a. dadurch gefördert, daß für sie nach § 12 Abs. 1 des 3. VermBG eine sog. Arbeitnehmer-Sparzulage gewährt wird, wenn der zu versteuernde Einkommensbetrag (§ 32 Abs. 1 EStG) im Kalenderjahr der vermögenswirksamen Leistungen 24 000 DM oder bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26 b EStG 48 000 DM nicht übersteigt. Die Arbeitnehmer-Sparzulage beträgt grundsätzlich 30 v. H. der vermögenswirksamen Leistungen nach diesem Gesetz, soweit sie 624 DM im Kalenderjahr nicht übersteigen.
b) Wie der Senat im Urteil vom 7. Juli 1976 VI R 217/75 (BStBl II 1976, 584) ausgeführt hat, kann der Sparer einen Antrag auf Gewährung der Spar-Prämie auf vermögenswirksame Leistungen bis zu 624 DM i. S. des § 12 Abs. 1 des 3. VermBG beschränken mit der Folge, daß er ohne Verstoß gegen das Kumulierungsverbot eine Spar-Prämie für diese Leistungen neben einer vorher oder nachher beantragten Wohnungsbau-Prämie erhalten kann.
c) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß das kleine Kumulierungsverbot auch dann nicht eingreift, wenn der Sparer, der seinen Antrag auf zulagefähige vermögenswirksame Leistungen i. S. des § 12 Abs. 1 des 3. VermBG beschränkt, die Zulagebegünstigung, nämlich die Arbeitnehmer-Sparzulage, wegen Überschreitens der Einkommensgrenzen des § 12 Abs. 1 des 3. VermBG nicht erhalten kann. Der einschränkende Halbsatz des § 2 Abs. 6 Satz 1 SparPG 1972 "soweit die vermögenswirksamen Leistungen die nach diesen Gesetzen geförderten Beträge nicht übersteigen" ist entsprechend dem eindeutigen Wortlaut dahin auszulegen, daß der Gesetzgeber hiermit eine Höchstbetragsregelung hat treffen wollen, und zwar, daß die vermögenswirksamen Leistungen nicht den zulagefähigen Höchstbetrag des § 12 Abs. 1 des 3. VermBG von 624 DM übersteigen dürfen. Aus § 2 Abs. 6 Satz 1 SparPG 1972 ist mithin nicht zu entnehmen, daß dem Prämiensparer im Einzelfall tatsächlich eine Arbeitnehmer-Sparzulage gewährt werden mußte. Sollte der Gesetzgeber die Absicht gehabt haben, die zusätzliche Spar-Prämie nur für solche Leistungen zu gewähren und das kleine Kumulierungsverbot des SparPG 1972 nur für solche Aufwendungen einzuschränken, die als vermögenswirksame Leistungen nach dem Zweiten oder Dritten Vermögensbildungsgesetz tatsächlich gefördert worden sind, so hätte er dies sprachlich anders ausdrükken können und müssen, so z. B., daß er den oben zitierten Nebensatz des § 2 Abs. 6 Satz 1 SparPG 1972 etwa formuliert hätte: "... soweit die vermögenswirksamen Leistungen nach diesen Gesetzen gefördert worden sind."
d) § 3 Abs. 6 Satz 2 i. V. m. Satz 1 WoPG 1969 bestimmt zwar für die Gewährung von Wohnungsbau-Prämien, daß das kleine Kumulierungsverbot nicht eintritt, wenn Wohnungsbau-Prämien für Aufwendungen zur Förderung des Wohnungsbaus begehrt werden, die vermögenswirksame Leistungen darstellen und für die der Prämienberechtigte eine Arbeitnehmer-Sparzulage nach § 12 Abs. 1 des 3. VermBG erhält. Diese Vorschrift ist im Streitfall aber nicht anwendbar, da es hier um die Rückforderung von Spar-Prämien geht. Sie kann entgegen der Ansicht des FA auch nicht zur Auslegung des § 2 Abs. 6 Satz 1 SparPG 1972 mit der Erwägung herangezogen werden, beide Vorschriften müßten, da sie miteinander korrespondierten, in gleicher Weise gehandhabt werden mit der Folge, daß das kleine Kumulierungsverbot des SparPG nur dann entfällt, wenn die Arbeitnehmer-Sparzulage tatsächlich gewährt oder belassen wird. Das FA übersieht, daß § 2 Abs. 6 Satz 1 SparPG 1972 und § 3 Abs. 6 Satz 1 WoPG 1969 schon deshalb nicht gleichbedeutend sind, weil die dort angesprochenen Prozentsätze der Prämien und die Prämienhöchstbeträge bei Spar-Prämien und Wohnungsbau-Prämien unterschiedlich sind. Im übrigen ist ein Gesetz grundsätzlich aus sich selbst heraus auszulegen. Es sind auch keine sicheren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Gesetzgeber etwas anderes gewollt haben könnte. Der Gesetzgeber hat eine Änderung des Kumulierungsverbots im Spar-Prämiengesetz unter Angleichung an das Wohnungsbau-Prämiengesetz ausdrücklich erst mit Wirkung für das Kalenderjahr 1975 vorgenommen (§§ 1 b, 8 Abs. 1 SparPG 1975). Hätte er die Fassung des § 2 Abs. 6 Satz 1 SparPG 1972 als Redaktionsversehen betrachtet, hätte er das Spar-Prämiengesetz auch schon für die vorangehenden Kalenderjahre entsprechend ändern können. Die Neufassung des § 3 Abs. 6 WoPG 1969 geht auf das Gesetz zur Änderung des Zweiten Vermögensbildungsgesetzes vom 27. Juni 1970 (BGBl I 1970, 925, BStBl I 1970, 801) zurück. Das Spar-Prämiengesetz ist erst später unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Änderung des SparPG vom 31. Juli 1972 (BGBl I 1972, 1337, BStBl I 1972, 475) neu bekanntgemacht worden, ohne daß die Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 6 SparPG 1972 zum kleinen Kumulierungsverbot der Fassung des § 3 Abs. 6 WoPG 1969 angeglichen wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 71969 |
BStBl II 1976, 700 |
BFHE 1977, 354 |