Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltszahlungen an Verlobte als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (NV)
Unterhaltszahlungen an Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind grundsätzlich auch dann nur unter den für die nichteheliche Lebensgemeinschaft geltenden Einschränkungen als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, wenn die Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft miteinander verlobt sind.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 2, § 33a Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (EFG 1997, 233) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) machte für das Streitjahr (1992) Unterhaltsaufwendungen für seine aus Portugal stammende Verlobte S als außergewöhnliche Belastung geltend. Er hat S, die sich seit Juni 1991 in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) aufhielt, am 25. September 1993 geheiratet. Ende Juli 1990 hatte S in Portugal ihr Studium abgeschlossen und sich bei der zuständigen portugiesischen Behörde um eine Lehrerstelle beworben. Eine Einstellung als Lehrerin erfolgte nicht. Gegenüber der deutschen Ausländerbehörde gab sie an, ein Studium aufnehmen zu wollen, woraufhin sie zunächst zwei auf drei Monate befristete Aufenthaltsgenehmigungen erhielt, in denen ihr die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit untersagt war; im März 1992 folgte dann eine einjährige Aufenthaltsbewilligung ohne Nebenbestimmungen. Im Februar 1992 hatte der Kläger gegenüber der Stadt B erklärt, für den Lebensunterhalt seiner damaligen Verlobten bürgen zu wollen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) lehnte ―auch im Einspruchsverfahren― die Berücksichtigung des vom Kläger getragenen Unterhalts als außergewöhnliche Belastung mit der Begründung ab, den Aufwendungen fehle die Zwangsläufigkeit.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 233 veröffentlichten Urteil statt. Es war der Auffassung, die Bedürftigkeit der damaligen Verlobten des Klägers sei gemeinschaftsbedingt. Diese habe zwar vor ihrer Einreise in die Bundesrepublik noch keinen existenzsichernden Beruf ausgeübt. Sie habe jedoch, um mit dem Kläger eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eingehen zu können, die begründete Aussicht, nach ihrem erfolgreich abgeschlossenen Studium eine Anstellung als Lehrerin zu erhalten, aufgegeben. Allein dieses müsse schon ausreichen, eine gemeinschaftsbedingte Unterhaltsbedürftigkeit zu bejahen. Zudem sei auch deshalb eine solche Unterhaltsbedürftigkeit anzunehmen, weil die Verlobte von den Eltern keinen Unterhalt mehr erhalten habe, nachdem sie sich über den Wunsch des Vaters hinweggesetzt habe, vor ihrer Ausreise in die Bundesrepublik zu heiraten. Die Verlobte habe auch nicht selbst für ihren Unterhalt sorgen können, da ihr in der Bundesrepublik zunächst eine Erwerbstätigkeit untersagt worden sei. Das vom Bundesfinanzhof (BFH) aufgestellte Erfordernis, eine beabsichtigte Eheschließung müsse alsbald durchgeführt werden, sei zu eng. Die Zeitnähe der nachfolgenden Heirat könne zwar ein Indiz für das Vorhandensein und die Ernsthaftigkeit eines Eheversprechens sein, dürfe aber keinen Grund darstellen, eine sittliche Verpflichtung bei größerem Zeitabstand zur Heirat auszuschließen.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung i.V.m. § 33 Abs. 2 EStG.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG hat zu Unrecht die Zwangsläufigkeit der streitigen Unterhaltsaufwendungen bejaht.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag nicht besteht, so können die Aufwendungen im Rahmen der Höchstbeträge als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 EStG). Aufwendungen entstehen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 EStG).
Das FG hat zutreffend das Vorliegen einer rechtlichen Verpflichtung des Klägers zur Unterhaltsgewährung gegenüber seiner damaligen Verlobten und jetzigen Ehefrau im Streitjahr verneint. Eine Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen ist offensichtlich nicht gegeben. Die Aufwendungen sind dem Kläger auch nicht aus sittlichen Gründen zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine sittliche Pflicht im Sinne dieser Vorschrift nur dann zu bejahen, wenn diese so unabwendbar auftritt, daß sie ähnlich einer Rechtspflicht von außen her auf den Steuerpflichtigen derart einwirkt, daß ihre Erfüllung als eine selbstverständliche Handlung von der Gesellschaft erwartet und die Mißachtung dieser Erwartung als anstößig angesehen wird (vgl. z.B. Urteile vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BFHE 149, 240, BStBl II 1987, 432, und vom 24. Juli 1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 715).
Legt man diesen Maßstab zugrunde, so besteht grundsätzlich keine sittliche Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt zwischen Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft - und um eine solche handelt es sich im Streitfall. Deshalb hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 27. Oktober 1989 III R 205/82 (BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294) grundlegend entschieden, daß sich eine derartige Verpflichtung zur Unterhaltsleistung nur annehmen läßt, wenn zu dem Tatbestand des Zusammenlebens und des gemeinsamen Wirtschaftens hinzu kommt, daß die Bedürftigkeit gemeinschaftsbedingt ist und besondere Umstände vorliegen, die die Unterhaltsgewährung an den Partner bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweichlich erscheinen lassen. Als Beispiel gemeinschaftsbedingter Bedürftigkeit hat der Senat den Fall der Betreuung gemeinsamer Kinder oder des pflegebedürftigen anderen Partners genannt und in weiteren Entscheidungen eine solche Bedürftigkeit dann bejaht, wenn dem hilfebedürftigen Partner im Hinblick auf das Zusammenleben mit dem berufstätigen Steuerpflichtigen Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe verwehrt oder gekürzt wird (BFH-Urteile vom 21. September 1993 III R 15/93, BFHE 172, 516, BStBl II 1994, 236; vom 30. Juli 1993 III R 38/92, BFHE 174, 19, BStBl II 1994, 442, und vom 4. August 1994 III R 62/93, BFHE 175, 127, BStBl II 1994, 897) oder wenn eine Verlobte wegen der beabsichtigten und alsbald durchgeführten Eheschließung ihre Berufstätigkeit infolge des Ortswechsels aufgeben mußte (BFH-Urteil vom 30. Juli 1993 III R 16/92, BFHE 172, 85, BStBl II 1994, 31). Die sittliche Pflicht zur Unterhaltsgewährung beruhte in den vorgenannten Fällen stets darauf, daß das Verhalten des Steuerpflichtigen oder ein in seiner Person liegender Umstand alleiniger oder zusätzlicher Anlaß für die Bedürftigkeit der Partnerin war und ihn daher eine Mitverantwortung für deren Unterhaltsbedürftigkeit traf.
Dies trifft im Streitfall jedoch nicht zu. Die Unterhaltsbedürftigkeit der jetzigen Ehefrau des Klägers beruhte im Streitjahr auf der fehlenden Unterstützung durch ihre Eltern für das in der Bundesrepublik aufgenommene Studium bzw. der Aussichtslosigkeit, eine ihrem Studienabschluß entsprechende Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können.
Eine Mitverantwortung für die Bedürftigkeit der jetzigen Ehefrau des Klägers läßt sich auch nicht mit dem gegebenen Heiratsversprechen begründen. Denn grundsätzlich löst ein Verlöbnis allein eine Unterhaltsverpflichtung nicht aus, wie sich schon aus den §§ 1360 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt, nach denen erst die Eheschließung selbst eine Unterhaltspflicht begründet. Der Senat hat in seiner Entscheidung in BFHE 172, 85, BStBl II 1994, 31 jedoch darauf abgestellt, daß die ―unter dem besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) stehende― eheliche Lebensgemeinschaft bereits gewisse Vorwirkungen habe, die es gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, eine im Zuge der Ehebegründung auftretende Unterhaltsbedürftigkeit eines Partners steuerlich zu begünstigen. Den eigentlichen Rechtsgrund für eine Unterhaltsverpflichtung sah der Senat somit nicht in dem eheähnlichen Zusammenleben, sondern in der beabsichtigten Eheschließung und der im Hinblick darauf vom Kläger mitveranlaßten Aufgabe der Arbeitsstelle der Partnerin. Er hat dabei ausdrücklich betont, Voraussetzung hierfür sei, daß die beabsichtigte Eheschließung alsbald durchgeführt werde und Anlaß und Grund für die Bedürftigkeit sei. Deshalb kann die sittliche Zwangsläufigkeit von Unterhaltszahlungen mit den Vorwirkungen einer möglichen Eheschließung nicht begründet werden, wenn die Eheschließung ―wie im Streitfall aus rein privaten Gründen (vornehmlich aus dem Wunsch nach einer "angemessenen" Hochzeitsfeier im Kreise der großen Familie in Portugal)― erst Jahre nach dem Verlöbnis erfolgt. Die nicht näher begründeten Argumente des Einzelrichters rechtfertigen nach Ansicht des erkennenden Senats auch keine Ausweitung seiner bisherigen Rechtsprechung zur Zwangsläufigkeit von Unterhaltsaufwendungen an den mit dem Steuerpflichtigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner.
Das Urteil des FG, das auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Fundstellen
Haufe-Index 424789 |
BFH/NV 2000, 560 |
HFR 2000, 355 |
EStB 2000, 118 |