Leitsatz (amtlich)
Eine Molkerei kann für die Großhandelslieferungen von Butter, die sie in Fässern erworben und in Kleinhandelspackungen ausgeformt hat, die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Ziff. 20 UStG nicht in Anspruch nehmen.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 20; UStDB § 12 Abs. 1 S. 3
Tatbestand
Streitig ist für 1956 und 1957, ob die Bfin. für die Großhandelslieferungen von Butter, die sie in Fässern erworben und in Kleinhandelspackungen ausgeformt hatte, die Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 20 UStG in Anspruch nehmen kann. Das Finanzamt hat die Frage verneint und die Bfin. für 1956 im Wege einer Berichtigungsveranlagung gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO, für 1957 bei der erstmaligen Veranlagung mit den streitigen Umsätzen zur Umsatzsteuer herangezogen. Einspruch und Berufung blieben erfolglos.
Mit der Rb. begehrt die Bfin. die Anerkennung der Umsatzsteuerfreiheit mit der Begründung, Faßbutter und Pfundbutter seien verschiedene Verkehrsgüter, weil der Stoff "Butter" eine andere Aufmachung erhalte; das Abpfunden von Butter stelle einen Bearbeitungsvorgang und damit eine Herstellung dar. Die Voraussetzung des § 4 Ziff. 20 UStG, daß das gelieferte Milcherzeugnis (Pfundbutter) aus einem anderen Milcherzeugnis (Faßbutter) hergestellt sein muß, sei daher erfüllt.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
1. Die Umsatzsteuerschuld der Bfin. für 1956 betrug nach der ursprünglichen Veranlagung ..... DM, nach der Berichtigungsveranlagung ..... DM. Der Unterschiedsbetrag von ..... DM rechtfertigt nach dem Urteil des Senats V 180/59 U vom 8. Februar 1962 (BStBl 1962 III S. 225, Slg. Bd. 74 S. 610) die höhere Veranlagung nicht, weil er unter 1000 DM (obere absolute Grenze) liegt und im Verhältnis zur bisherigen Steuerschuld den Satz von 10 v. H. (relative Grenze) nicht erreicht. Für 1956 war daher unter Aufhebung der Vorentscheidungen und der ihnen zugrunde liegenden Berichtigungsveranlagung die ursprüngliche Veranlagung wiederherzustellen.
2. Für 1957 folgt der Senat im Ergebnis den Vorentscheidungen. Nach § 4 Ziff. 20 UStG sind steuerfrei die Lieferungen von Milcherzeugnissen im Großhandel durch Unternehmer, die diese Gegenstände aus erworbener Milch, aus erworbenem Fettgehalt von Milch oder aus erworbenen anderen Milcherzeugnissen hergestellt haben. Man kann zweifeln, ob die Ansicht des Finanzamts zutrifft, schon nach dem Wortlaut des Gesetzes müßten die gelieferten Milcherzeugnisse anderer Art sein als die erworbenen, aus denen sie hergestellt wurden. Es dürfte sprachlich richtiger sein, das Wort "anderen" in § 4 Ziff. 20 erster Satz (erster Halbsatz) UStG auf die unmittelbar vorangehenden Worte "Fettgehalt von Milch" zu beziehen; denn "Fettgehalt von Milch" ist in Satz 2 Buchst. e dieser Vorschrift ausdrücklich als Milcherzeugnis im Sinne des Satzes 1 angeführt.
Die Richtigkeit der Auffassung der Vorinstanzen ergibt sich aber aus dem Inhalt des § 4 Ziff. 20 UStG. Der Gesetzgeber hat in § 4 Ziff. 20 UStG nicht Waren in ihrer verkaufsfertigen Gestalt (also z. B. nicht verpackte Butter), sondern mehr oder weniger genau umschriebene Gegenstände in ihrer jeweiligen stofflichen Beschaffenheit im Auge. Unterscheidet man nicht substanzmäßig zwischen den gelieferten und den erworbenen Milcherzeugnissen, setzt man vielmehr "Milcherzeugnis" gleich "Milcherzeugnis", im vorliegenden Falle also Butter gleich Butter, so müßte § 4 Ziff. 20 Satz 1 (erster Halbsatz) UStG wie folgt gelesen werden können: "Umsatzsteuerfrei sind die Lieferungen von Butter im Großhandel durch Unternehmer, die Butter aus erworbener Butter hergestellt haben." Einen vernünftigen Sinn erhält die Vorschrift nur, wenn man davon ausgeht, daß die gelieferten und die erworbenen Milcherzeugnisse grundsätzlich mehr oder weniger stofflich verschieden sein müssen. Wo der Gesetzgeber eine stoffliche Verschiedenheit nicht verlangt, hat er dies in Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich hervorgehoben, z. B. in Buchst. d ("Buttermilch und geschlagene Buttermilch") und Buchst. e ("Sahne, ... saure Sahne, Schlagsahne"). Ein Teil des ausführlichen Katalogs des § 4 Ziff. 20 Satz 2 UStG wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber jede Art von Bearbeitung, insbesondere auch Verpackungsmaßnahmen, als "Herstellung von Milcherzeugnissen" ansehen würde. In diesem Falle müßten auch die Butterlieferungen reiner Großhändler, soweit sie die Butter ausgeformt und verpackt haben, begünstigt sein. Der Zweck des § 4 Ziff. 20 UStG ist aber, bei den Lieferungen von Milcherzeugnissen nur die Hersteller im eigentlichen Sinne des Wortes von der Umsatzsteuer zu befreien, nicht dagegen auch Großhändler, die bestimmte, auf der Großhandelsstufe übliche Maßnahmen (Verpacken, Umfüllen, Kennzeichnen usw.) durchführen.
Es kommt hinzu, daß das Umpacken nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB nicht als Bearbeitung oder Verarbeitung gilt. Setzt man mit der Bfin. die Herstellung der Bearbeitung und Verarbeitung gleich, so ergibt sich die Folgerung, daß das Verpacken auch nicht als Herstellung zu gelten hat. § 12 UStDB bezieht sich nicht etwa bloß auf bestimmte, sondern infolge seiner Einreihung unter die "Allgemeinen Vorschriften" der UStDB auf alle Vorschriften des UStG. Auch so gesehen fehlt es an der Voraussetzung, daß die Bfin. in den streitigen Fällen die Butter "hergestellt" hat.
Die Rb. der Bfin. war daher für 1957 als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1964, 64 |
BFHE 1964, 164 |