Leitsatz (amtlich)
Die einem Filmtheaterbesitzer für ein gutes Filmprogramm vom Bund gewährten Prämien sind nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei, da sie nicht unmittelbar der Förderung der Kunst dienen.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 11
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), Eigentümer des Filmtheaters, erhielt im Jahre 1971 für ein gutes Filmprogramm der Jahre 1969 und 1970 eine Prämie von insgesamt 20 000 DM. Nach dem Erlaß des Bundesministers des Innern über die Förderung des deutschen Films vom 24. April 1970 (Gemeinsames Ministerialblatt 1970 S. 306) waren die Filmprogrammprämien innerhalb von zwei Jahren seit ihrer Zuerkennung für eine gute Werbung für weitere überdurchschnittliche Filme und Gesamtprogramme zu verwenden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) unterwarf bei der Veranlagung 1971 die vom Kläger empfangenen Prämienbeträge von 20 000 DM der Einkommensteuer, da kein Preis zur Förderung der Kunst (§ 3 Nr. 11 EStG) vorliege.
Das FG wies die Sprungklage durch das in den EFG 1974, 142, veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, die Prämien unterlägen der Einkommensteuer. Sie stünden mit den Einkünften aus Gewerbebetrieb in sachlichem Zusammenhang. Sie seien eine Belohnung dafür, daß der Kläger innerhalb einer Spielzeit ein gutes Gesamtprogramm mit einem angemessenen Anteil deutscher Filme vorgeführt habe, und stellten die Gegenleistung des Bundes für sorgfältige und anspruchsvolle Gestaltung der gewerblichen Tätigkeit des Klägers dar. Gleichzeitig dienten sie dem Ersatz dafür, daß möglicherweise Einnahmen wegen Ablehnung zugkräftiger Filme ausfielen, und der weiteren Werbung für überdurchschnittliche Filme und Gesamtprogramme. Da die Prämien nicht zu dem Zweck gewährt worden seien, unmittelbar die Kunst zu fördern, seien die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 11 EStG nicht erfüllt. Aus den Urteilen des RFH vom 19. Mai 1938 IV 97/38 (RStBl 1938, 811) und des BFH vom 7. Dezember 1967 IV R 33/67 (BFHE 90, 433, BStBl II 1968, 149) ergebe sich, daß eine unmittelbare Förderung der Kunst nur dann vorliege, wenn das künstlerische Schaffen als solches unterstützt werde, wenn also mit dem Zuschuß Aufwendungen bestritten würden, die mit der künstlerischen Tätigkeit in Zusammenhang stünden, wie z. B. Anschaffungskosten für Werkzeuge, Material und Bücher. Weiter sei Voraussetzung der Steuerfreiheit, daß der Zuschußgeber mit der Gewährung der Mittel sie an die unmittelbare Förderung der Kunst binde. Nach der Zweckbindung der im Streitfall verliehenen Prämien seien diese jedoch für eine gute Werbung für weitere überdurchschnittliche Filme und Gesamtprogramme, die nicht unbedingt als künstlerisch anzusehen sein müßten, zu verwerten. Da die Mittel somit auch für die Werbung für nicht künstlerische Filme verwendet werden könnten, fehle es an der Unmittelbarkeit der Förderung. Die Mittel dienten vielmehr der Absatzförderung der Filme und flössen unmittelbar den Werbeagenturen bzw. Druckereien zu. Über die Einspielerlöse würden die Kunstschaffenden selbst nur mittelbar gefördert.
Mit der Revision rügt der Kläger, trotz seines Anerbietens habe das FG keine Beweise erhoben und damit ihm kein rechtliches Gehör gewährt. Es habe die Vorschrift des § 3 Nr. 11 EStG verletzt und die Grundsätze des RFH-Urteils IV 97/38, des Erlasses des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 1972 S 2121- 15-VB 2/S 2121-12 VB 2 (ESt-Kartei Nordrhein-Westfalen, § 2 EStG A Nr. 39) und des Erlasses des Bundesministers des Innern vom 24. April 1970 nicht richtig angewendet. Er, der Kläger, gehöre der Gilde Deutscher Filmkunst-Theater an, nach deren Satzung sich ihre Mitglieder die Aufführung und Förderung künstlerischer Filme und die Erweiterung des daran interessierten Publikumskreises zum Ziele gesetzt hätten. Der Bundesminister des Innern habe die Prämien für Zwecke der Werbung bestimmt, um sicherzustellen, daß sie nicht zur persönlichen Lebensführung des Künstlers verwendet würden und damit die Anwendung des § 3 Nr. 11 EStG ausgeschlossen werde. Er, der Kläger, habe eine künstlerische Tätigkeit ausgeübt und sich dadurch unter Verzicht auf höhere Erlöse selbst beruflich geschädigt. Wenn man den Ausführungen des FG folge, daß die Prämien seinen gewerblichen Einkünften zuzurechnen seien, könnten Filmprämien nur Freiberuflern, grundsätzlich aber nicht Gewerbetreibenden steuerbegünstigt gewährt werden. Dadurch würden die Gewerbetreibenden in grundgesetzwidriger Weise benachteiligt. Seine künstlerische Betätigung habe keinen Bezug auf ein Preisausschreiben oder die Gewährung von Prämien, daher lägen nach dem Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 1972 keine gewerblichen Einkünfte vor.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Filmprämien von 20 000 DM steuerfrei zu belassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die dem Kläger im Jahre 1971 gewährten Filmprogrammprämien in sachlichem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit und daher mit seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb stehen. Die Prämien zählen, wie auch in dem Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 1972 ausgeführt ist, zu den beruflichen Einkünften, da die Leistung des Klägers (Zusammenstellen, Auswahl und Vorführen eines guten Filmgesamtprogramms) im Rahmen eines Berufs erbracht wurde (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1964 IV 183/62 U, BFHE 80, 432, BStBl III 1964, 629). Im übrigen beruft sich der Kläger zu Unrecht auf den Erlaß vom 31. Oktober 1972 und auf den Erlaß des Bundesministers des Innern vom 24. April 1970, aus denen sich ergeben soll, die Prämien seien als steuerfreie Beihilfen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG 1969 (der für das Streitjahr geltenden Fassung) zu behandeln. Nach dieser Vorschrift sind steuerfrei u. a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Kunst unmittelbar zu fördern. Eine unmittelbare Förderung der Kunst im Sinne dieser Vorschrift liegt im Streitfall nicht vor. Sie ist nur gegeben, wenn das künstlerische Schaffen als solches unterstützt wird, d. h. wenn mit dem Zuschuß Aufwendungen bestritten werden, die mit der künstlerischen Tätigkeit in Zusammenhang stehen. RFH (Urteil IV 97/38) und BFH (Urteil IV R 33/67) haben eine Steuerfreiheit im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG - allerdings im Hinblick auf die Förderung der Wissenschaft - nur in den Fällen bejaht, in denen die Zuwendungen als Beträge für sachlichen Aufwand an Forschungsmitteln u. a. gewährt wurden, nicht dagegen, wenn die Zahlungen dem Empfänger zum Bestreiten seines Lebensunterhalts dienten. Der BFH hat in seinem Urteil vom 4. Mai 1972 IV 133/64 (BFHE 105, 374, BStBl II 1972, 566) ausgeführt, Wissenschaft und Kunst könnten durch Übernahme von Lebenshaltungskosten für bestimmte Personen nur mittelbar gefördert werden, denn erst die zwischengeschalteten geistigen Schöpfungen der Zuwendungsempfänger könnten die erstrebte Bereicherung von Wissenschaft und Kunst darstellen. Nach diesen auch auf den Streitfall anwendbaren Grundsätzen ist - entgegen der Ansicht des Klägers - das Sichtbarmachen von Filmen, also ihre Darbietung im Lichtspieltheater, ebensowenig eine durch § 3 Nr. 11 EStG zu fördernde Kunst bzw. künstlerische Tätigkeit wie das Zusammenstellen bzw. Auswählen von Programmen, für die der Kläger wohl in erster Linie die Prämien erhalten hat. Das Darbieten der Filme erfordert technische, ihre Beschaffung und Auswahl organisatorische Fähigkeiten und Tätigkeiten, die ihrem Wesen nach nicht eigenschöpferisch die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft eines Künstlers bei Erreichen künstlerischer Leistungshöhe zum Ausdruck bringen (vgl. für die Voraussetzungen künstlerischer Tätigkeit BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 IV 280/65, BFHE 102, 509, BStBl II 1971, 703, mit Rechtsprechungshinweisen). Auch nach dem Beschluß des BVerfG vom 24. Februar 1971 1 BvR 435/68 (Neue Juristische Wochenschrift 1971 S. 1645) ist das Wesentliche der künstlerischen Betätigung die freie, schöpferische Gestaltung, in der Eindrükke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Soweit der sogenannte "Wirkbereich" der Kunst, nämlich ihre Darbietung durch Zugänglichmachen gegenüber der Öffentlichkeit, ein kunstspezifischer Vorgang ist, gilt zwar auch hierfür nach dem Beschluß des BVerfG die Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG. Dadurch wird die Mittlerfunktion zwischen Künstlern bzw. Kunstproduktion und Publikum jedoch nicht selbst zur Kunst. Ferner sind Zweckbestimmung und Zweckbindung der vom Bundesminister des Innern an den Kläger vergebenen Mittel nicht unmittelbar auf die Förderung der Kunst gerichtet, sondern sollen einer guten (nicht künstlerischen!) Werbung für weitere überdurchschnittliche Filme und Gesamtprogramme dienen. Aus der Bezeichnung "Prämie" ergibt sich auch, daß damit, je nach einem guten oder besten Jahresfilmprogramm, eine Belohnung und Anerkennung des Filmtheaterinhabers für seine berufliche Arbeit zu sehen ist. Soweit durch Werbung für künstlerische Filme und deren Darbietung Herstellung und Absatz künftiger künstlerischer Filme gefördert werden, liegt allenfalls - worauf das FG zutreffend hinweist - der Fall mittelbarer Kunstförderung vor, der nicht unter die gesetzliche Steuerfreiheit fällt.
Filmdarbietung und Programmauswahl erfüllen somit nicht die Voraussetzungen, die die Rechtsprechung des BFH an die künstlerische Tätigkeit gestellt hat. Daher ist es ohne Bedeutung, daß der Kläger Mitglied der Gilde Deutscher Filmkunst-Theater ist, deren Ziel in dem Aufführen künstlerischer Filme besteht. Ebenso hat bei vorgenannter Betrachtung außer acht zu bleiben, daß der Kläger aus ideellen Gründen einen Schaden bei seinen gewerblichen Einkünften in Kauf genommen hat, wenn er auf die Darbietung von zugkräftigen, nicht künstlerischen Filmen verzichtete. Nach alldem kam es auf die vom Kläger angebotenen Beweise nicht an, so daß seine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs oder mangelnder Beweiserhebung unbegründet ist.
Fundstellen
Haufe-Index 71319 |
BStBl II 1975, 378 |