Leitsatz (amtlich)
1. Die Gruppen von Geschäftsgrundstücken, deren Wert nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Sachwertverfahren zu ermitteln ist, sind für den gesamten Geltungsbereich des Bewertungsgesetzes einheitlich zu bestimmen; ein Wechsel der Bewertungsmethode von FA-Bezirk zu FA-Bezirk ist grundsätzlich ausgeschlossen (Fortentwicklung der Entscheidung BFHE 111, 116, BStBl II 1974, 98).
2. Grundstücke, die einer im Sachwertverfahren zu bewertenden Gruppe von Geschäftsgrundstücken angehören, können auch dann nicht im Ertragswertverfahren bewertet werden, wenn sie im Einzelfall vermietet oder verpachtet sind.
2. Abschn. 16 Abs. 6 und 7 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr), der im Sachwertverfahren zu bewertende Gruppen von Geschäftsgrundstücken aufführt, gibt einen Erfahrungssachverhalt wieder, den die Gerichte ihren Entscheidungen grundsätzlich ohne weitere Sachverhaltserforschung zugrunde legen können.
2. Ein Prozeßbeteiligter braucht nicht durch Beschluß, sondern er kann auch formlos zur Mitwirkung an der Sachaufklärung aufgefordert werden.
Normenkette
BewG 1965 § 76 Abs. 3 Nr. 2; FGO § 76 Abs. 1-2; BewRGr Abschn. 16 Abs. 6-7
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines Grundstücks mit einer Fläche von 2 310 qm. Das Vorderland mit einer Größe von 1 380 qm war am 1. Januar 1964 nicht bebaut. Auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks befand sich ein eingeschossiges Saunagebäude mit einer Nutzfläche von 240 qm (bebaute Fläche rd. 320 qm), das verpachtet war. Außerdem waren auf dieser Teilfläche zwei Garagen erbaut worden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ermittelte den Wert dieses Grundstücks im Sachwertverfahren und stellte zum 1. Januar 1964 durch Hauptfeststellung die Grundstücksart Geschäftsgrundstück fest. Auf den Einspruch, mit dem sich die Klägerin gegen die Wertermittlung im Sachwertverfahren wandte, ermäßigte das FA lediglich den Einheitswert.
Die Klage führte zu einer Feststellung des Einheitswerts im Sachwertverfahren von ... DM. Das FG errechnete unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bodenwerte für die drei Zonen des Grundstücks einen Gesamtbodenwert von ... DM und für die Gebäude einen Wert von zusammen ... DM. Auf den sich dadurch ergebenden Ausgangswert wendete es die Wertzahl 80 an.
Mit der Revision greift die Klägerin erneut die Bewertung im Sachwertverfahren an.
In förmlicher Hinsicht rügt die Klägerin, das FG habe zu Unrecht darauf abgestellt, sie habe es unterlassen, vermietete Vergleichsobjekte zu benennen. Es sei nicht Sache des Steuerpflichtigen, sondern des FG, den Sachverhalt aufzuklären. Im übrigen hätte es einer gerichtlichen Aufforderung unter Fristsetzung bedurft, Vergleichsobjekte zu benennen. Es genüge nicht, daß der Steuerpflichtige gelegentlich der Erörterung des Sach- und Rechtsstandes nur gesprächsweise hierzu aufgefordert werde.
In sachlicher Hinsicht trägt die Klägerin vor, die Pächterin betreibe auf dem Grundstück nicht nur eine Sauna, sondern ein Kurbad und verabreiche auch medizinische Bäder. Derartige Kurbäder i. V. m. einer Sauna gebe es in Deutschland in jeder Stadt und vielfach auch auf dem Lande; es müsse auch vergleichbare vermietete Objekte dieser Art geben. Für die Klägerin stelle die Bewertung ihres Grundstücks im Sachwertverfahren eine unbillige Härte dar, so daß im Hinblick auf die tatsächliche Vermietung die Bewertung im Ertragswertverfahren durchgeführt werden müsse, auch wenn eine übliche Miete an Ort und Stelle nicht festgestellt werden könne.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert für ihr Grundstück im Ertragswertverfahren zu ermitteln.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Nach § 76 Abs. 1 BewG 1965 wird der Wert bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren ermittelt. Abweichend von dieser gesetzlichen Regel ist für die Wertermittlung das Sachwertverfahren u. a. für solche Gruppen von Geschäftsgrundstücken anzuwenden, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete geschätzt werden kann (§ 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG). Der Senat stimmt dem FA zu, daß die jeweilige Gruppe von Geschäftsgrundstücken, die im Sachwertverfahren zu bewerten ist, für den gesamten Geltungsbereich des Bewertungsgesetzes einheitlich bestimmt werden muß; ein Wechsel des Bewertungsverfahrens von FA-Bezirk zu FA-Bezirk für Grundstücke einer solchen Gruppe ist grundsätzlich ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus dem Wesen des Gesetzes als einer allgemeinen Regelung für dessen Geltungsbereich. Ein Wechsel des Bewertungsverfahrens von FA-Bezirk zu FA-Bezirk würde gegen den Gleichheitssatz und damit auch gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen.
a) Die Richtigkeit dieser Auffassung wird auch durch den Sinnzusammenhang der Vorschriften und durch die Gesetzesmaterialien für das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren bestätigt.
Das Ertragswertverfahren der §§ 78 ff. BewG ist ein typisiertes Reinertragsverfahren (vgl. Entscheidung des BFH vom 31. Oktober 1974 III R 160/72, BFHE 114, 108, BStBl II 1975, 106). Der typisierte Grundstücksreinertrag wird als Jahresbetrag einer Rente verstanden, die teils als Zeitrente, begrenzt durch die Nutzungsdauer des Gebäudes, und teils als ewige Rente (Bodenertrag) anzusehen ist; der Kapitalwert dieser Rente entspricht dem Grundstückswert (vgl. Rössler-Langner, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 3. Aufl., S. 90 ff.; Begründung der Regierungsvorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 1. Oktober 1963, Bundestags[BT]-Drucksache IV/1488 S. 56 ff.). Zur Bestimmung der Vervielfältiger, mit denen der Grundstücksreinertrag zu kapitalisieren ist, um den Grundstückswert zu erhalten, war es notwendig, die Verzinsung des in einem bebauten Grundstück angelegten Kapitals, unterschieden nach den verschiedenen Grundstücksarten, festzustellen. Diese Feststellung hat der beim BdF gebildete Schätzungsausschuß in mehrjähriger Arbeit anhand von Probebewertungen durchgeführt (vgl. BT-Drucksache IV/1488 S. 33). In diese Ermittlungen konnten zwangsläufig nur solche Gruppen von Grundstücken einbezogen werden, die regelmäßig vermietet zu werden pflegen und damit einen eindeutig abgrenzbaren Grundstücksertrag haben.
Demgegenüber sollte das Sachwertverfahren bei den Grundstücken bevorzugt werden, bei denen ein Ertragswert nicht oder nur schwer feststellbar ist und deshalb auch nicht bei der Kaufpreisbildung in Erscheinung tritt. Für die Abgrenzung des Ertragswert- vom Sachwertverfahren bei Geschäftsgrundstücken sollte demnach entscheidend sein, ob eine zutreffende Mietermittlung möglich ist. Dabei sollte nicht auf das einzelne Objekt, sondern auf die Gruppe der zu bewertenden Geschäftsgrundstücke abgestellt werden. Wenn bei der Mehrheit dieser Gruppe Schwierigkeiten bei der Mietermittlung zu erwarten seien, so soll die Wertermittlung nach dem Sachwertverfahren vorgenommen werden (vgl. BT-Drucksache IV/1488 S. 54).
b) Ist für eine Gruppe von Geschäftsgrundstücken, die für die Bewertung im Ertragswertverfahren erforderliche Zahl vermieteter Objekte nicht vorhanden, so sind Grundstücke, die dieser Gruppe angehören, wie das FG zutreffend entschieden hat, auch dann im Sachwertverfahren zu bewerten, wenn sie im Einzelfall tatsächlich vermietet sind und damit ein Mietertrag feststellbar wäre (so auch Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 10. Aufl., § 76 BewG, Anm. 11 Abs. 4). Denn wenn sich die Verhältnisse einer bestimmten Gruppe von Grundstücken mangels einer hinreichenden Zahl vermieteter Objekte nicht auf die gesetzliche Gestaltung des Ertragswertverfahrens, insbesondere auf die Gestaltung der Vervielfältiger ausgewirkt haben konnten, so kann die Bewertung auch im Einzelfall nicht im Ertragswertverfahren mit der Begründung durchgeführt werden, es liege ausnahmsweise eine Grundstücksmiete vor.
Im Fall der Klägerin kommt noch dazu, daß ihr Grundstück nicht vermietet, sondern verpachtet ist. Die Pacht bezieht sich hier aber nicht nur auf den Grundstücksgebrauch, sondern auf die Nutzung eines eingerichteten Gewerbebetriebs (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 29. Aufl., Einführung vor § 535 Anm. 2a) und damit auch auf Wirtschaftsgüter, die wie z. B. Betriebsvorrichtungen, jedenfalls nicht zum Grundstück i. S. des Bewertungsrechts gehören (vgl. § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG), selbst wenn sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks i. S. des bürgerlichen Rechts sind. Damit sind aber Pachtzahlungen für eine Bewertung eines Grundstücks im Ertragswertverfahren meistens nicht geeignet.
2. Der Senat hat im Urteil vom 5. Oktober 1973 III R 118/72 (BFHE 111, 116, BStBl II 1974, 98) darauf hingewiesen, daß die Fassung des § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG gegenüber der Regierungsvorlage eingeschränkt wurde. Nach der Regierungsvorlage sollte das Sachwertverfahren für bestimmte Gruppen von Geschäftsgrundstücken dann angewendet werden, wenn die Jahresrohmiete oder die übliche Miete "schwer" zu ermitteln oder zu schätzen ist (BT-Drucksache IV/1488 S. 12, § 51 e Abs. 3 Nr. 1). Nach der zum Gesetz gewordenen Fassung ist Voraussetzung für die Bewertung einer Gruppe von Grundstükken im Sachwertverfahren, daß eine Jahresrohmiete oder eine übliche Miete weder ermittelt noch geschätzt werden kann. Eine Begründung für diese Änderung ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht. Der Senat ist aber in Fortentwicklung seiner Entscheidung III R 118/72 der Auffassung, daß dieser Gesetzeswortlaut nicht eng ausgelegt werden darf. Dies ergibt sich aus den oben dargestellten Gründen, die dazu führten, bestimmte Gruppen von Geschäftsgrundstücken aus der Bewertung im Ertragswertverfahren auszuscheiden. Eine zu enge wörtliche Auslegung könnte dazu führen, daß der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG sinnwidrig auf nur ganz wenige Fallgruppen beschränkt würde. Hieraus sind nachstehende Folgerungen zu ziehen:
a) Der Senat hat für die Bewertung von Wohngrundstücken entschieden, daß auch die Kostenmiete als übliche Miete in Betracht kommen könne (BFH-Entscheidung vom 11. Oktober 1974 III R 103/73, BFHE 113, 382, BStBl II 1975, 54, und vom 13. Dezember 1974 III R 82/73, BFHE 114, 264, BStBl II 1975, 191). Eine Kostenmiete ließe sich aber häufig auch für Geschäftsgrundstücke berechnen, die nicht vermietet zu werden pflegen, so daß die übliche Miete nicht zwangsläufig aus vermieteten Vergleichsfällen abgeleitet werden müßte. Die Möglichkeit, eine Kostenmiete zu errechnen, schließt jedoch die Anwendung des Sachwertverfahrens nicht aus. Bei Wohngrundstücken ist der Ansatz der Kostenmiete als die der Lebenserfahrung entsprechende übliche Miete deshalb gerechtfertigt, weil bei diesen die Vermietung die typische Nutzungsart ist und die Vermietung zur Kostenmiete durchaus üblich und bei wirtschaftlicher Nutzung geradezu geboten ist. Dies gilt auch für Wohngrundstücke, die der Eigentümer selbst bewohnt; denn er muß bei wirtschaftlicher Betrachtung den Wohnwert seines eigenen Grundstücks unter der Sicht der Kostenmiete beurteilen. Geschäftsgrundstücke, die nicht vermietet zu werden pflegen, werden dagegen unter anderen wirtschaftlichen Gesichtspunkten errichtet, nämlich unter denen des Gewerbes, das in ihnen betrieben wird. Ein besonderer Grundstücksertrag ist im Rahmen des Gesamtgewerbeertrags meistens nicht feststellbar und auch vielfach nicht von entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grund kann die Bewertung im Sachwertverfahren in den Fällen des § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG keinesfalls mit dem Hinweis ausgeschlossen werden, die übliche Miete lasse sich in Höhe der Kostenmiete ermitteln (so auch Stenger, Finanz-Rundschau 1974 S. 344 - FR 1974, 344 -).
b) Die Schätzung der üblichen Miete für die im Ertragswertverfahren zu bewertenden Gruppen von Geschäftsgrundstücken ist damit aber nur anhand einer hinreichenden Zahl vermieteter Objekte gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung möglich. Diese Zahl muß so groß sein, daß die daraus abgeleitete Miete als regelmäßig gezahlte gesichert ist. Die Einheitsbewertung wird von den FÄ für die in ihrem Amtsbezirk belegenen Grundstücke durchgeführt (§ 72 Nr. 1 AO). Deshalb müssen die Vermietungsfälle über das Bundesgebiet so verteilt sein, daß es jedem FA möglich ist, die Bewertung im Ertragswertverfahren eigenverantwortlich durchzuführen.
Der Vergleich mit vermieteten Objekten wird um so schwieriger und unzuverlässiger, je mehr die vermieteten Objekte voneinander abweichen; damit steigt die Zahl der erforderlichen vermieteten Objekte, um daraus eine regelmäßig bezahlte Miete herleiten zu können. Geschäftsgrundstücke, die ohne Vermietung im eigenen gewerblichen Betrieb genutzt werden, weichen häufig in ihrer baulichen Gestaltung weitgehend voneinander ab, so daß auch aus einer verhältnismäßig großen Zahl vermieteter Objekte eine übliche Miete nicht ohne weiteres abgeleitet werden könnte.
3. Die Gruppe von Geschäftsgrundstücken, die nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG aus der Bewertung im Ertragswertverfahren ausgenommen ist, muß nach obigen Ausführungen anhand von Merkmalen bestimmt werden, die sich aus den Verhältnissen des gesamten räumlichen Anwendungsbereichs des Bewertungsgesetzes ergeben. Damit kann, worauf das FG zutreffend hingewiesen hat, die Behörde, die die Einheitsbewertung durchführen muß, die für die Abgrenzung von Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren erforderlichen Feststellungen nicht eigenverantwortlich treffen. Auf diesen Widerspruch, der sich aus der bestehenden Rechtslage ergibt, hat in der Literatur auch Stenger (a. a. O.) hingewiesen, mit der Anregung, die nach dem Sachwertverfahren zu bewertenden Gruppen von Geschäftsgrundstücken sollten in Zukunft im Gesetz selbst oder durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden.
a) Die gesetzliche Regelung ist insoweit ergänzungsbedürftig. Die Bundesregierung hat die erforderliche Ergänzung durch eine allgemeine Verwaltungsanweisung gemäß Art. 108 Abs. 6 GG i. d. F. vor dem Gesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 359) mit Zustimmung des Bundesrats vorgenommen. Sie hat in Abschn. 16 Abs. 6 und 7 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien zur Bewertung des Grundvermögens -BewRGr - (Bundesanzeiger Nr. 183 vom 29. September 1966 - Beilage -, BStBl I 1966, 890) die bedeutendsten Gruppen von Geschäftsgrundstücken aufgeführt, die nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Sachwertverfahren zu bewerten sind. Inhalt, Zweck und Ausmaß dieser Verwaltungsanweisung ergeben sich, wie es für die Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung durch die Regierung in Art. 80 Abs. 1 GG zwingend vorgeschrieben ist, unmittelbar aus dem Gesetz, nämlich aus § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG. Es handelt sich darum, die Gruppen von Geschäftsgrundstücken konkret zu bezeichnen, für die, weil sie meist im eigenen gewerblichen Betrieb genutzt werden und in ihrer Gestaltung dessen Besonderheiten angepaßt sind, weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete geschätzt werden kann. Die Beteiligung der Fachkreise zur Beschaffung von Unterlagen für die Vorbereitung einer allgemeinen Verwaltungsanweisung nach Art. 108 Abs. 6 GG (jetzt Art. 108 Abs. 7 GG) ist dieselbe wie bei der Vorbereitung von Gesetzen und Rechtsverordnungen (vgl. § 74 und § 62 i. V. m. § 23 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil, GGO II, Kohlhammer-Verlag). Die allgemeine Verwaltungsanweisung ist außerdem ähnlich wie ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung veröffentlicht, und zwar im Bundesanzeiger.
b) Diese die Rechtsordnung ergänzende allgemeine Verwaltungsanweisung ist für die Finanzverwaltung bindend. Abweichungen von der Anweisung verbietet der Grundsatz der Selbstbindung (vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 514 f.). Die Rechtsprechung hat den Bewertungsrichtlinien wegen der durch sie sichergestellten Gleichmäßigkeit der Bewertung eine hohe Bedeutung beigemessen, eine Bindung der Gerichte aber stets verneint (vgl. Entscheidung des RFH vom 19. Januar 1939 III 97/37, RFHE 46, 67, BFH-Urteil vom 17. Mai 1974 III R 156/72, BFHE 112, 510, BStBl II 1974, 626).
Im Streitfall stellt die Aufzählung der Geschäftsgrundstücke in Abschn. 16 Abs. 6 und 7 BewRGr, die nach dem Sachwertverfahren zu bewerten sind, das Ergebnis der Erfahrungen dar, die bei der Vorbereitung des Gesetzes gewonnen worden sind. Es handelt sich um die typischen Geschäftsgrundstücke, die nach dem Sachwertverfahren zu bewerten sind. Die Richtlinien müssen deshalb in diesem Zusammenhang in dem Sinn verstanden werden, daß sie einen Erfahrungssachverhalt wiedergeben, der insoweit den auch im Besteuerungsverfahren anwendbaren Beweis des ersten Anscheins erbringt (vgl. BFH-Entscheidungen vom 27. November 1974 I R 250/72, BFHE 114, 236, BStBl II 1975, 306; vom 28. November 1973, I R 66/71, BFHE 110, 502, BStBl II 1974, 70, und vom 20. Mai 1969 II 25/61, BFHE 96, 129 [135], BStBl II 1969, 550) und damit zu einer Umkehr der Behauptungslast führt (vgl. Ossenbühl, a. a. O., S. 348 und 525/526). Daraus folgt allgemein, daß die Gerichte eine solche mit erhöhten Garantien versehene Verwaltungsanordnung den Entscheidungen grundsätzlich ohne weitere Sachverhaltserforschung zugrunde legen können. Für den konkreten Fall der Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Ertragswertverfahrens und des Sachwertverfahrens bei der Bewertung von Geschäftsgrundstücken bedeutet dies, daß derjenige Grundstückseigentümer, der die Richtlinienaussage bestreitet, für die Gerichte nachprüfbar darlegen muß, im gesamten Bundesgebiet sei für die betreffende Grundstücksgruppe eine hinreichende Zahl vermieteter Objekte vorhanden, so daß es allen mit der Bewertung befaßten FÄ möglich ist, diese Grundstücke eigenverantwortlich im Ertragswertverfahren zu bewerten. Erforderlichenfalls wird sich der Steuerpflichtige hierfür des für ihn zuständigen Wirtschaftsverbandes mit einschlägiger Erfahrung bedienen müssen.
4. Das mit einem Saunagebäude und zwei Garagen bebaute Grundstück der Klägerin gehört zur Gruppe der in Abschn. 16 Abs. 6 BewRGr aufgeführten Badehäuser, deren Wert nach § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Sachwertverfahren zu ermitteln ist. Unter Badehäusern sind, wie der Zusammenhang mit den ebenfalls aufgeführten Hallenbädern zeigt, nicht Schwimmbäder zu verstehen, sondern Gebäude, in denen Wannenbäder, Duschbäder, Saunas u. ä. eingerichtet sind.
a) Die Einwendung der Klägerin, das FG habe den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, hat keinen Erfolg. Denn sie hat nicht dargetan, aufgrund welcher Feststellungen das FG sich die Überzeugung verschaffen sollte, daß für die Gruppe der Badehäuser im Bundesgebiet eine hinreichende Zahl von Vermietungsfällen gegeben sei, die es ermöglichten, die Jahresrohmiete für diese Grundstücksgruppe zu ermitteln oder die übliche Miete zu schätzen. Die Behauptung der Klägerin, es müsse genügend vergleichbare Badehäuser in anderen Städten und auch auf dem Lande geben und darunter seien auch sicher genügend vermietete Objekte, erfüllt nicht die Anforderungen, die eine Sachaufklärung des FG in diese Richtung ermöglicht hätte.
b) Der Senat kann der Klägerin auch nicht zustimmen, daß das FG sie durch Beschluß mit Terminsbestimmung zur Mitwirkung bei der Sachaufklärung hätte auffordern müssen. Nach § 76 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, daß alle für die Feststellung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Dies kann, wie sich aus § 76 Abs. 1 FGO ergibt, durch "Anforderung" geschehen. Die Anforderung ist ebenso wie die Anordnung im Prozeßrecht kein scharf umrissener Begriff (vgl. Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 53 FGO Anm. 1). Aus diesem Begriff kann nicht abgeleitet werden, daß ein Gerichtsbeschluß ergehen müßte. Dies ergibt sich auch daraus, daß die Beteiligten nicht nur durch das Gericht, d. h. durch den Spruchkörper, sondern auch durch dessen Vorsitzenden zur Mitwirkung bei der Sachaufklärung aufgefordert werden können. Diese Aufforderung kann aber ebenso wie auch andere prozeßleitende Verfügungen des Vorsitzenden formlos ergehen.
c) Die Klägerin kann auch keinen Erfolg mit der Einwendung haben, die Bewertung ihres Grundstücks im Sachwertverfahren sei eine unbillige Härte, denn im Ertragswertverfahren ergäbe sich ein Wert, der nur etwa halb so hoch sei, wie der nach dem Sachwertverfahren ermittelte. Selbst wenn man die Pachteinnahmen als geeigneten Maßstab für die Bewertung im Ertragswertverfahren ansehen könnte, so muß sich die Klägerin entgegenhalten lassen, daß der wertvollste Teil ihres Grundstücks jedenfalls am 1. Januar 1964 noch nicht bebaut war. Damit kann sich in einem Ertragswertverfahren mit pauschalierten Bodenertragsanteilen (vgl. BT-Drucksache IV/1488 S. 32) selbst unter Berücksichtigung der Erhöhung des Ertragswerts wegen einer übergroßen unbebauten Fläche (§ 82 Abs. 2 Nr. 1 BewG) ein zutreffender Wert nicht ergeben.
Fundstellen
Haufe-Index 71774 |
BStBl II 1976, 277 |
BFHE 1976, 59 |