Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von Haarspangen
Leitsatz (NV)
1. Die Aufhebung einer verbindlichen Zolltarifauskunft wegen geänderter Tarifauffassung ist fehlerhaft, wenn der Aufhebungsgrund nicht gerechtfertigt ist.
2. Tarifierung von ,,Haarspangen und dergleichen" (sog. Haarbänder).
Normenkette
FGO § 102; ZG § 23; AZO § 31; KN Pos. 9615
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) hatte der Klägerin zwei verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) über ,,Haarbänder" - beschrieben als haarspangenähnliche Schlaufen aus gewirkten Bändern aus Spinnstoff, mit angenähter Blüte bzw. angenähtem Pompon, zum Zusammenhalten des Haares und zur Zierde - erteilt und die Waren darin als den Haarspangen ähnliche Waren der Unterposition 9615 1900 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zugewiesen. Diese vZTA hob die OFD durch Verfügungen vom 10. Januar 1989 wegen geänderter Tarifauffassung auf. Die Einsprüche der Klägerin gegen die Aufhebungsverfügungen wurden mit der Begründung zurückgewiesen, die Waren kennzeichneten sich - wie etwa Gummiringe - als ringförmige, zum Zusammenhalten des Haares oder als Haarschmuck dienende Erzeugnisse, denen die erforderliche Befestigungsvorrichtung - Schließmechanismus - fehle.
Die Klägerin hält die aufgehobenen vZTA für zutreffend und ihre Aufhebung für rechtswidrig. Es handele sich um Zopfhalter in Form von Ringen aus elastischen Spinnstoffbändern. Die Ringe würden an Stelle einfacher Gummiringe verwendet, um den Haaren die gewünschte Form zu geben.
Entscheidungsgründe
Die Klage, mit der die Klägerin mehrere Klagebegehren verfolgt (§ 43 der Finanzgerichtsordnung), ist begründet.
Die OFD hat die Aufhebung der beiden vZTA auf § 23 des Zollgesetzes in Verbindung mit § 31 der Allgemeinen Zollordnung gestützt. Danach ist die Änderung oder Aufhebung einer vZTA im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens möglich (Senat, Urteil vom 11. Oktober 1988 VII K 5/88, BFHE 155, 1, 3, BStBl II 1989, 149, mit Hinweisen). Ist Änderungs- oder Aufhebungsgrund, daß die der vZTA zugrunde liegende Tarifauffassung nicht zutreffe, so ist es nicht rechtens, wenn die Änderung oder Aufhebung erfolgt, ohne daß der dafür in Anspruch genommene Grund tatsächlich vorliegt (Senat, Urteil vom 7. November 1972 VII K 27/69, BFHE 107, 330). So verhält es sich im Streitfalle. Die vZTA waren rechtmäßig; ihre Aufhebung ist fehlerhaft (§ 102 FGO).
Die Position 9615 KN umfaßt u. a. ,,Haarspangen und dergleichen", nicht nur solche aus Hartkautschuk oder Kunststoff, sondern auch solche aus anderen Stoffen (Unterposition 9615 1900). Nach den zolltariflichen Erläuterungen (hier ErlKN zu Position 9615 - Harmonisiertes System - Rdnr. 04.0) gehören dazu Haarspangen und ähnliche Waren, zum Zusammenhalten des Haares und zugleich als Schmuck verwendet. Unbestritten dienen die ,,Haarbänder" diesem Zweck. Haarspangen sind sie jedoch nicht. Insoweit teilt der Senat die Auffassung der OFD. Nach dem Wortsinn ist davon auszugehen, daß Haarspangen einen - womöglich sehr einfachen - Schließmechanismus aufweisen müssen. Dies wird besonders verdeutlicht durch die Warenbezeichnung in der französischen Fassung des Zolltarifs - barrette (Zusammenhang mit barrer = sperren) -, einer der beiden Fassungen, denen bei der zolltariflichen Auslegung besondere Bedeutung zukommt (hierzu Senat, Urteile vom 2. Dezember 1986 VII R 53/83, BFHE 149, 332, 334, und vom 1. September 1987 VII R 93/84, BFH/NV 1988, 406 f.). Die ,,Haarbänder" sind jedoch als den Haarspangen ähnliche Waren (,,dergleichen") anzusehen; als solche gehören sie, wie in den von der OFD aufgehobenen vZTA festgestellt, zu derselben Tarifposition wie Haarspangen, nach ihrer Beschaffenheit zu Unterposition 9615 1900 KN. Für die Beurteilung, welche Waren ähnlicher Art sind, können die Grundsätze herangezogen werden, die in dem - hier nicht gegebenen - Falle der Anwendung der Allgemeinen Vorschrift - AV - 4 für die Auslegung der KN gelten (hilfsweise Tarifierung nach der Position, unter die die ähnlichste Ware fällt). Danach ergibt sich die Ähnlichkeit aufgrund von Umständen wie Eigenschaften und Verwendungszweck (ErlKN zu AV 4 - Harmonisiertes System - Rdnr. 03.0; vgl. auch Lux in Bail/Schädel/Hutter, Zollrecht, F II 2 Rz. 66). Der Verwendungszweck der ,,Haarbänder" - Zusammenhalten des Haares, Verzierung - entspricht demjenigen von Haarspangen. Jedenfalls insoweit sind die Waren den Haarspangen ähnlich. Von solchen unterscheiden die ,,Haarbänder" sich zwar nach ihrer Beschaffenheit (Fehlen eines Schließmechanismus), doch sind sie eben danach in gleicher oder ähnlicher Weise geeignet, im Haar - auch zur Zierde - befestigt zu werden und so dem vorgesehenen Zweck zu dienen. Auch in dieser Hinsicht sind sie den Haarspangen ähnlich. Das reicht aus, sie als ,,ähnliche" Waren zu beurteilen. Sie können nach ihrer Art - Verzierung; auch stoffliche Beschaffenheit - nicht einfachen Gummiringen gleichgesetzt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 423003 |
BFH/NV 1990, 540 |