Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung durch Darlehensgewährung an eine dem Alleingesellschafter nahestehende, konkursreife GmbH
Leitsatz (NV)
Gewährt eine GmbH ein ungesichertes, nicht schriftlich vereinbartes Darlehen an eine konkursreife andere GmbH, für deren Verbindlichkeiten der Alleingesellschafter der darlehensgewährenden GmbH eine Bürgschaft übernommen hat, so ist bereits die Hingabe der Darlehensvaluta, spätestens jedoch die Teilwertberichtigung der Darlehensforderung eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Normenkette
KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2, §§ 27, 54 Abs. 6
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter der M-GmbH, deren Anteile zu 100 v. H. von Herrn H gehalten werden. H war im Streitjahr Geschäftsführer der M-GmbH. Am 12. Oktober 1981 buchte die Geschäftsbank der M-GmbH . . . DM vom Konto der M-GmbH auf das Konto der G-GmbH um. Der von der Bank ausgestellte Überweisungsbeleg trägt den Vermerk ,,lt. tel. Anruf". An der G-GmbH waren zur Zeit der Überweisung H zu 66 "/3 v. H. und die Treuhand GmbH mit 33 1/3 v. H. beteiligt. Zwischen der M-GmbH und der G-GmbH bestanden keine Geschäftsbeziehungen.
Die M-GmbH belastete in ihrer eigenen Buchführung von den überwiesenen . . . DM einen Teilbetrag von . . . DM dem Verrechnungskonto des H und aktivierte über den Restbetrag eine Darlehensforderung an die G-GmbH. Das Darlehen wurde buchmäßig mit . . . DM verzinst. Ein Darlehensvertrag zwischen der M-GmbH und der G-GmbH war nicht geschlossen worden. Die G-GmbH befand sich im Zeitpunkt der Überweisung in erheblichen Zahlungsschwierigkeiten. Ihren Kreditrahmen bei der Bank hatte sie um . . . DM bis auf . . . DM überschritten.
Die G-GmbH ging noch im gleichen Jahr in Konkurs. Darauf buchte die M-GmbH die zunächst eingebuchten Forderungen gegen die G-GmbH zum 31. Dezember 1981 als uneinbringlich aus.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah im Anschluß an eine Außenprüfung das Darlehen zuzüglich der Zinsen als verdeckte Gewinnausschüttung an, weil bereits im Zeitpunkt der Hingabe mit seiner Uneinbringlichkeit zu rechnen gewesen sei. Im Körperschaftsteuer-Änderungsbescheid vom 13. August 1985 erhöhte das FA das Einkommen 1981 um . . . DM. Gleichzeitig kürzte es das Einkommen um eine auf . . . DM erhöhte Gewerbesteuer-Rückstellung.
2. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Körperschaftsteuer auf . . . DM herab. Dabei wurde die durch die Vermindung des Gewinns verringerte Gewerbesteuer-Rückstellung berücksichtigt.
Das FG führte aus, daß die Zahlung der M-GmbH im persönlichen Interesse des H lag. Er sei an der Erhaltung des Firmenverbundes interessiert gewesen und habe sich durch die Zahlung der M-GmbH von einem persönlichen Bürgschaftsrisiko befreit. Betriebliche Gründe für die M-GmbH seien nicht erkennbar. Kein Kaufmann habe einen betrieblichen Anlaß, einem mit ihm nicht verbundenen Dritten in aussichtsloser Lage zu helfen. Die M-GmbH habe in Wahrheit H helfen wollen. Das sei aber kein betrieblicher Grund. Für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis spreche auch das Fehlen eines Darlehensvertrages und entsprechender Sicherheiten.
Der Bankangestellte X der Bank habe als Zeuge zwar ausgesagt, es sei möglich gewesen, daß mit der Kündigung des Kredits für den gesamten Firmenverbund gedroht worden sei. X habe jedoch nicht sagen können, auf welche rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sich eine Kreditkündigung gegen die M-GmbH hätte stützen lassen. Die M-GmbH habe bei der Bank vor der Umbuchung ein Guthabenkonto unterhalten.
Der Gesellschafter H habe ausgesagt, die Bank sei aufgrund vertraglicher Abmachungen berechtigt gewesen, alle Kredite des Firmenverbundes zu kündigen, wenn eine Firma des Verbunds notleidend würde. Für die Richtigkeit dieser Aussage spreche jedoch nichts. Denn zwei Monate vor der Überweisung habe die Bank schriftlich einer Verlängerung des Gesamtkredits der Firmengruppe bis zum 30. August 1982 zugestimmt. Allenfalls habe H befürchten müssen, persönlich als Bürge in Anspruch genommen zu werden, in einen persönlichen Konkurs zu geraten und dabei seine Anteile an der M-GmbH zu verlieren. Das seien aber keine betrieblichen sondern gesellschaftsrechtliche Gründe. Sie verdeutlichen, daß die Darlehensgewährung durch die M-GmbH lediglich den an sich interessengerechten Zahlungsfluß über H an die G-GmbH abgekürzt habe.
Allerdings müßten nach Überzeugung des FG Vorstellungen und Bewertungen der Zeugen der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt werden. Wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter von seiner Bank massiv unter Druck gesetzt werde und - wenn auch u. U. unzutreffend - mit einer Kündigung des Kreditrahmens und damit letztlich mit einem Zusammenbruch seines Unternehmens rechnen müsse, hätte er das ,,Darlehen" auch einem Nichtgesellschafter gewährt.
3. Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977.
Der Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sei ein objektiver Maßstab. Irrige Vorstellungen des Geschäftsleiters H seien bedeutungslos.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 1981 zugrunde liegende Einkommen der Klägerin ist zutreffend um eine verdeckte Gewinnausschüttung erhöht worden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977).
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Juni 1989 I R 89/85, BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854). Die Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) ist nach der Rechtsprechung des BFH durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Wird an eine einem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person aufgrund nicht eindeutiger und von vornherein getroffener Vereinbarungen geleistet, so besteht die Vermutung, daß die Zuwendung im Gesellschaftsverhältnis begründet ist (BFH-Urteil vom 2. März 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786).
2. Die Überweisung von . . . DM an die G-GmbH führte bei der M-GmbH zu einer Vermögensminderung. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Vermögensminderung bereits mit der Überweisung an die notleidende G-GmbH eintrat oder erst am Ende des Streitjahres 1981 durch die dann erforderliche Abschreibung der ,,Darlehensforderung" auf den niedrigeren Teilwert. Beide Zeitpunkte liegen noch im Streitjahr.
3. Die Vermögensminderung war durch das Gesellschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und H veranlaßt.
a) Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ergab sich zum einen dadurch, daß die Klägerin einer dem beherrschenden Gesellschafter nahestehenden Person . . . DM ohne eindeutige und im voraus getroffene Vereinbarung zuwandte.
Als Alleingesellschafter beherrscht H die M-GmbH. Die G-GmbH ist eine ihm nahestehende Person, da er mehrheitlich an dieser Gesellschaft beteiligt ist.
Das FG hat ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze festgestellt, daß die Umbuchung zumindest mit Zustimmung des Geschäftsführers H erfolgte. Mit der Überweisung hat die M-GmbH der G-GmbH einen Vorteil zugewandt. Da kein Darlehensvertrag geschlossen wurde, fehlte es an einer eindeutigen und im voraus getroffenen Vereinbarung über die Vermögensübertragung. Daraus ergibt sich die Vermutung, daß die Zuwendung ihren Grund im Gesellschaftsverhältnis hatte.
b) Diese Vermutung wird durch die Feststellungen und Folgerungen des FG nicht widerlegt sondern verstärkt. Nach den Feststellungen des FG sprechen alle Umstände des Falles dafür, daß die M-GmbH die Überweisung ausschließlich im Interesse ihres Gesellschafters H vornahm. Der Senat verweist auf die insoweit zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils.
c) Soweit das FG gleichwohl eine verdeckte Gewinnausschüttung verneint hat, tragen seine Feststellungen die Entscheidung nicht. Das FG hat aus den ,,Vorstellungen" und ,,Bewertungen" der Zeugen gefolgert, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter das ,,Darlehen" unter dem Druck einer drohenden Kreditsperre ebenfalls gewährt hätte.
Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum. Der Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters richtet sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen des individuellen Geschäftsleiters, sondern ist ein objektiver Maßstab (BFH-Urteil vom 20. August 1986 I R 283/82, BFH/NV 1987, 63 m. w. N.). Die objektiven Sorgfaltspflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sind im Streitfall durch die Feststellungen des FG abgegrenzt. Da die M-GmbH keine Geschäftsbeziehungen zur G-GmbH unterhielt und deren wirtschaftliche Schwierigkeiten vor der Umbuchung des Betrages bereits bekannt waren, bestand für einen ordentlichen und gewissenhaften, an den Interessen der M-GmbH orientierten Geschäftsleiter keine Veranlassung, der notleidenden G-GmbH eine bedeutende Summe ohne Sicherheiten zu überlassen. Das galt um so mehr, als sogar die vom Zeugen X als ,,möglich" bezeichnete Drohung der Bank mit einer Kreditkündigung die M-GmbH unmittelbar nicht berühren konnte, da sie über ein erhebliches Guthaben bei dieser Bank verfügte. Selbst wenn aber durch eine Kreditkündigung für andere Unternehmen der Firmengruppe nachteilige betriebliche Auswirkungen auch für die M-GmbH zu befürchten gewesen wären, hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Umbuchung nicht ohne Darlehensvertrag und ohne Sicherheit oder ohne sonstige Gegenleistung zugestimmt. Die einzigen wirtschaftlichen Gründe für die Umbuchung lagen - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - in der Person des Alleingesellschafters H, der mit der Inanspruchnahme aus Bürgschaften rechnen mußte und dem letztlich ein persönlicher Konkurs drohte. Die Umbuchung war damit durch das Verhältnis zum Alleingesellschafter veranlaßt.
4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
a) Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen eine Überprüfung der vom FA angenommenen verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in Höhe des Zinsbetrages von . . . DM nicht zu. Nach den Feststellungen des FG könnte die Klägerin den Betrag von . . . DM der G-GmbH als Darlehen überlassen haben. Für diese Betrachtung spricht die bilanzielle Behandlung bei der Klägerin, die Darlehen und Zinsanspruch zunächst als Forderungen und den Zinsanspruch als Ertrag gebucht hatte. Beide Forderungen wurden erst am Jahresende wertberichtigt. Bei dieser Sachlage wäre das Einkommen der Klägerin um eine vGA in Höhe von . . . DM (Zinsanspruch) zu erhöhen. Die nicht zu verwirklichenden Zinsansprüche führten zu einer entsprechenden Vermögensminderung bei der Klägerin. Diese Vermögensminderung beruhte ebenso auf dem Gesellschaftsverhältnis wie die Übertragung der Hauptsumme, da es an einer klaren und im voraus getroffenen Vereinbarung fehlte und da ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer notleidenden fremden GmbH kein Darlehen ohne Sicherheiten gewährt hätte. Sollte wegen fehlender Zinsabreden kein Zinsanspruch entstanden sein, läge ebenfalls eine vGA vor, da die verhinderte Vermögensmehrung ebenfalls durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt wäre. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte einem fremden Kreditnehmer kein zinsloses Darlehen gewährt.
Nach den Feststellungen des FG ist allerdings nicht auszuschließen, daß das ,,Darlehen" bereits bei Hingabe als verlorener Zuschuß der Klägerin an die G-GmbH anzusehen war. Für diesen Sachverhalt spricht der kurze Zeitraum zwischen der Umbuchung am 12. Oktober 1981 und der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der G-GmbH noch vor Jahresende 1981. Hat die Klägerin einen von vornherein verlorenen Zuschuß gewährt, dürften keine Zinsansprüche entstanden sein. Bei diesem Sachverhalt könnte auch keine vGA wegen verhinderter Vermögensmehrung durch unentgeltliche Nutzungsüberlassung angenommen werden, weil der Betrag von . . . DM nicht darlehensweise überlassen worden wäre. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen noch nachholen müssen und entsprechend den obigen Ausführungen eine vGA in Höhe des Zinsbetrags bestätigen oder verneinen müssen.
b) Das FG muß im zweiten Rechtsgang ferner Feststellungen über die Höhe der einzelnen Teile des verwendbaren Eigenkapitals am 31. Dezember 1980 bzw. am 31. Dezember 1981 und über einen möglicherweise gestellten Antrag gemäß § 54 Abs. 6 KStG 1977 in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes - StEntlG - 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1983, 1583, BStBl I 1984, 14) treffen. Die Höhe der für den Veranlagungszeitraum 1981 festzusetzenden Körperschaftsteuer hängt von den durch die vGA ausgelösten Körperschaftsteuererhöhungen bzw. -minderungen gemäß § 27 KStG 1977 ab. Diese Erhöhungen oder Minderungen sind abhängig von dem verwendbaren Eigenkapital, mit dem die vGA zu verrechnen ist. Ohne Feststellungen über die Höhe der einzelnen Teile des maßgebenden verwendbaren Eigenkapitals kann die festgesetzte Körperschaftsteuer vom Revisionsgericht nicht überprüft werden, wenn die Körperschaft durch Ausschüttungen beeinflußt wird (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 1989 I R 73/85, BFHE 156, 155, 158, BStBl II 1989, 522).
Sollte die Klägerin einen Antrag gemäß § 54 Abs. 6 KStG 1977 i. d. F. des StEntlG 1984 gestellt haben, ist die vGA mit dem verwendbaren Eigenkapital zum 31. Dezember 1981, andernfalls mit dem verwendbaren Eigenkapital zum 31. Dezember 1980 zu verrechnen (§ 28 Abs. 2 i. d. F. des Körperschaftsteuerreformgesetzes vom 31. August 1976, BGBl I 1976, 2597, BStBl I 1976, 445).
Fundstellen
Haufe-Index 417435 |
BFH/NV 1991, 839 |