Leitsatz (amtlich)
1. Der Mietwert eines Einfamilienhauses, das dem Vorstandsmitglied einer AG als Dienstwohnung zugewiesen wird, ist steuerlich so zu bemessen, daß sich für die AG bei einer Vermietung des Einfamilienhauses nach Abzug aller Kosten eine angemessene Verzinsung des im Grundstück angelegten Kapitals ergeben würde.
2. Der Wohnungswert wird nicht dadurch gemindert, daß das Vorstandsmitglied das Einfamilienhaus auf Wunsch der AG zu einer seiner Stellung gemäßen Repräsentation bezogen hat.
Normenkette
EStG 1961 §§ 19, 8 Abs. 2, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige ist seit dem Jahre 1960 Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft (AG). Seine Bezüge betrugen im Streitjahr 1962 rund 200 000 DM. Die AG baute auf einem zu diesem Zweck erworbenen 3185 qm großen Grundstück ein Einfamilienhaus, das der Steuerpflichtige als Dienstwohnung 1962 bezog. Die gesamten Aufwendungen der AG für das Grundstück, das Haus, die Gartenanlagen und den Zufahrtsweg betrugen 463 136 DM. Das Haus hat eine Wohnfläche von 323,5 qm.
Den Nutzungswert der Dienstwohnung setzte die AG in der Lohnsteuerbescheinigung mit 367 DM monatlich ein. Das FA schätzte den Wert auf 1 548 DM. Dabei wandte es die Richtlinien für den Nutzungswert der Dienstwohnungen von Vorstandsmitgliedern im Ruhrbergbau an, die auf die ersten 300 000 DM Gestehungskosten einen Satz von 4,5 v. H., auf die folgenden 100 000 DM einen solchen von 3,5 v. H. und auf den Rest einen Satz von 2,5 v. H vorsehen.
Der Steuerpflichtige will den Wohnungswert mit höchstens 1 000 DM monatlich bewertet haben. Er trägt dazu vor, die AG gehöre zur ... Industrie, so daß die Sätze für den Bergbau nicht anwendbar seien. Außerdem sei nach der Entscheidung des BFH VI 31/61 U vom 8. September 1961 (BFH 73, 606, BStBl III 1961, 487) für Werkswohnungen nicht die Kostenmiete, sondern die Marktmiete anzusetzen. Zu seiner Familie gehörten seine Frau und eine Tochter. Für ihn und seine Familie habe die bisherige Etagenwohnung mit einem Monatsmietwert von 367 DM genügt. Er habe nur auf Verlangen seiner Arbeitgeberin aus Repräsentationsgründen das Einfamilienhaus beziehen müssen. Auf die bauliche Gestaltung des Hauses habe er keinen Einfluß gehabt.
Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, da für aufwendig gebaute Einfamilienhäuser keine Marktmiete bestehe, sei der Mietwert nach den Kosten der AG zu berechnen. Der Steuerpflichtige wolle etwa ein Drittel des Mietwertes als auf die Repräsentation entfallend abziehen, weil ihm zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses 200 qm genügten. Das sei aber nach § 12 EStG nicht möglich. Das BFH-Urteil VI 31/61 U (a. a. O) habe eine echte Werkswohnung behandelt. Es betreffe einen anderen Sachverhalt als im Streitfall. Bei der Schätzung könnten die Richtlinien für Dienstwohnungen der Vorstandsmitglieder im Kohlenbergbau ein Anhalt sein. Der Steuerpflichtige habe nichts vorgebracht, was im Bereich der ... Industrie einen niedrigeren Nutzungswert rechtfertige.
Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige unrichtige Rechtsanwendung. Er beanstandet vor allem, daß das FG zur ortsüblichen Marktmiete keinen Sachverständigen gehört habe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 19 Nr. 1 EStG 1961 gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern und Löhnen auch "andere Bezüge und Vorteile" aus dem Dienstverhältnis. Überläßt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt eine Wohnung, so ist dieser Sachbezug gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit dem üblichen Mittelpreis des Wohnortes anzusetzen. Der Mietwert kann nur durch eine Schätzung (§ 217 AO) ermittelt werden. Dies ist verhältnismäßig einfach, wenn es sich etwa um eine normale Wohnung in einem Miethaus handelt. Für solche Wohnungen besteht ein "Markt", der die Feststellung des Marktpreises unter Anwendung eines qm-Satzes ermöglicht. Bei Wohnungen in anderen Gebäuden mit bestimmten Eigenarten ist diese einfache Schätzung aber nicht möglich, sondern es müssen andere Schätzungsmaßstäbe angewandt werden. Ein solcher kann darin bestehen, daß der Nutzungswert auf der Grundlage einer angemessenen Verzinsung des Kapitaleinsatzes errechnet wird. Dieser Schätzungsmaßstab beruht auf der wirtschaftlichen Überlegung, daß ein Vermieter die Miete mindestens so hoch ansetzen würde, daß sie ihm eine angemessene Verzinsung des investierten Kapitals garantiert. Eine solche Schätzung der "Kostenmiete" ist im Rahmen von § 8 Abs. 2 EStG durchaus zulässig und sinnvoll. Sie ist eine eigene, die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles berücksichtigende Berechnungsmethode.
Das streitige Einfamilienhaus ist kein normales kleines Haus, für das sich etwa aus Vergleichsobjekten eine Marktmiete ermitteln ließe. Nach dem Willen der AG ist es eine den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen eines ihrer Spitzenangestellten entsprechende Wohnung, das zugleich der Repräsentation für die AG dient. Bei einem Aufwand von über 463 000 DM ist das Anwesen überdurchschnittlich groß und gut ausgestattet. Es liegt in einem großen Garten vor den Toren einer Großstadt auf einem Hügel. Die Schätzung des Mietwerts auf der Grundlage der Baukosten war hier eine sachlich gerechtfertigte Schätzungsmethode im Sinne von § 217 AO, wie das FG angenommen hat.
Der Hinweis des Steuerpflichtigen auf die Entscheidung des Senats VI 31/61 U (a. a. O.) greift nicht durch. Diese Entscheidung betraf Werkswohnungen im Obergeschoß eines Betriebsgebäudes für zwei Arbeitnehmer mit Monatsbezügen von 700 bzw. 750 DM, die im Werksgelände stets erreichbar sein mußten.
Auch der weitere Einwand des Steuerpflichtigen, die Wohnfläche des Hauses von 323,5 qm überstiege seinen Wohnbedarf, kann keinen Erfolg haben. Der Steuerpflichtige hat das Haus voll ausmöbliert und kann es ganz benutzen. Darauf allein kommt es an. Es mag sein, daß der Steuerpflichtige das Haus nicht allein zur Befriedigung seines persönlichen Wohnbedürfnisses bezogen hat, sondern weil das dem Wunsch seiner Firma und der Pflicht des Steuerpflichtigen zu einer seiner Stellung gemäßen Repräsentation entsprach. Das rechtfertigt aber keine Minderung des Nutzungswerts. Nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG dürfen Ausgaben, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, nicht einkommensmindernd angesetzt werden, auch wenn sie gleichzeitig der Förderung des Berufs und der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen. Es ist zwar richtig, daß die hohen Wohnkosten des Steuerpflichtigen sicher wesentlich mit durch seine herausragende dienstliche Stellung bedingt sind. Das ergibt sich schon daraus, daß er das Haus erst bezog, nachdem er Vorstandsmitglied geworden war. Es ist aber durchaus üblich, daß Steuerpflichtige allein oder vorwiegend durch ihren Beruf zu gewissen Repräsentationsausgaben in Wohnung, Kleidung, gesellschaftlichem Verkehr usw. veranlaßt werden. Gerade diese Ausgaben, die man gewöhnlich zusammenfassend als "Repräsentationskosten" bezeichnet, hat der Gesetzgeber allgemein wertend und typisierend in den Bereich der einkommensteuerrechtlich neutralen Lebenshaltungskosten verwiesen. Sie können als Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur behandelt werden, wenn sie eindeutig und leicht nachweisbar ausschließlich oder ganz überwiegend durch den Beruf veranlaßt sind. Davon kann hier nicht die Rede sein. Denn bei dem hohen Lebensstandard in der Bundesrepublik ist es normal, daß Steuerpflichtige in den Einkommens- und Lebensverhältnissen des Steuerpflichtigen zur Befriedigung ihrer gesteigerten Wohnansprüche solche Villen bewohnen und dafür einen erheblichen Teil ihres Einkommens binden.
Was die Höhe des geschätzten Nutzungswertes angeht, so ist das eine dem FG obliegende Feststellung tatsächlicher Art, an die der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist. Keinesfalls ist der Steuerpflichtige dadurch benachteiligt, daß die Richtlinien für die Dienstwohnungen der Vorstandsmitglieder im Bergbau angewandt worden sind; denn diese Sätze dürften für die betroffenen Steuerpflichtigen sehr günstig sein. Der Senat hat keine Möglichkeit zu prüfen, ob diese Richtlinien nicht sogar den Schätzungsrahmen von § 8 Abs. 2 EStG, § 217 AO unterschreiten, da der Steuerpflichtige als Revisionskläger von den Steuergerichten nicht höher besteuert werden kann, als es das FA getan hat. Der vom FA angesetzte Jahresnutzungswert von 18 576 DM entspricht einer Verzinsung des eingesetzten Kapitals von 463 136 DM mit etwa 4 v. H. Die Miete beträgt etwa 4,80 DM je Quadratmeter. Dabei ist das Gartengelände noch außer Betracht gelassen. Der Mietwert beträgt etwa 9,3 % der Bezüge des Steuerpflichtigen und liegt damit weit unter dem üblichen Satz. Die Schätzung ist also offensichtlich maßvoll und nicht übersetzt.
Den Antrag, einen Sachverständigen zu hören, hatte der Steuerpflichtige beim FG nicht gestellt; im Revisionsverfahren kann ein solcher auf weitere Aufklärung gerichteter Antrag nicht gestellt werden (§ 118 Abs. 1 und 2 FGO). Im übrigen hatte das FG angesichts seiner anderweitigen Feststellungen keinen Anlaß, etwa von Amts wegen ein Sachverständigengutachten als Schätzungsgrundlage einzuholen.
Fundstellen
Haufe-Index 68007 |
BStBl II 1968, 435 |
BFHE 1968, 8 |