Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Vor der Aufnahme einer nach außen in Erscheinung tretenden geschäftlichen Tätigkeit kann bei einer im Handelsregister noch nicht eingetragenen GmbH der Abschluß des Gesellschaftsvertrags allein den Beginn der Steuerpflicht nicht begründen.
Normenkette
LAG § 16/1/2/a
Tatbestand
Die abgabepflichtige GmbH wurde durch Vertrag vom 5. Mai 1948 mit einem Stammkapital von 20.000 RM errichtet. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 31. August 1949. Nach der DM-Eröffnungsbilanz beträgt das Stammkapital 20.000 DM.
Das Finanzamt stellte den Einheitswert des gewerblichen Betriebes auf den 21. Juni 1948 auf 20.000 DM fest und setzte eine Vermögensabgabe von 10.000 DM fest.
Die Abgabepflichtige hat Sprungberufung eingelegt und beantragt, sie von der Vermögensabgabe freizustellen. Sie trug vor, eine GmbH entstehe handelsrechtlich erst durch die Eintragung ins Handelsregister. Steuerlich könne sie nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs schon vor der Eintragung als existent betrachtet werden, wenn sie am Wirtschaftsleben teilnehme und die Gesellschafter ihr zu diesem Zwecke Mittel zur Verfügung gestellt hätten. Sie habe ihre wirtschaftliche Tätigkeit erst am 15. Oktober 1949 aufgenommen; die Gesellschafter hätten ihr vor dem 21. Juni 1948 keinerlei Mittel zugewandt. Nach der Währungsreform hätten die Gesellschaftsgründer zunächst die Gesellschaft nicht mehr haben wollen, da sich geeignete Objekte für den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft nicht gefunden hätten. Nachdem sich das überraschend geändert habe, sei an dem Gesellschaftsvertrage festgehalten worden. Die Verspätung der Eintragung sei die Folge des Verhaltens der Gesellschafter gewesen. Auf Veranlassung des Registergerichts sei am 27. Juni 1951 ein Umstellungsbeschluß gefaßt worden; erst mit diesem Beschluß sei der Abgabepflichtigen eine Forderung auf Kapitaleinzahlung entstanden.
Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen und ausgeführt, eine GmbH entstehe steuerrechtlich - sofern die Eintragung in das Handelsregister später nachfolge - schon vor der Eintragung, sobald der Gesellschaftsvertrag abgeschlossen sei und die Gesellschaft Vermögen besitze. Nicht erforderlich sei, daß die Gesellschaft bereits ihre satzungsmäßige Tätigkeit aufgenommen habe. Als Vermögen sei der Anspruch der Gesellschaft gegen die Gesellschafter auf Leistung der Einlagen anzusehen. Da die Begründung von Einlageforderungen notwendiger Bestandteil des Gesellschaftsvertrages sei, entstehe steuerlich die GmbH bereits mit dem rechtswirksamen Abschluß des Gesellschaftsvertrages.
Mit der Rb. rügt die Abgabepflichtige unrichtige Rechtsanwendung und wesentliche Verfahrensmängel. Das Finanzgericht habe sich nicht mit dem Schreiben der Geschäftsführerin an das Amtsgericht vom 27. Dezember 1948 auseinandergesetzt, in dem diese gebeten habe, die Angelegenheit zu vertagen, und in dem sie mitgeteilt habe, sie werde den Notar bitten, den Antrag auf Eintragung zurückzunehmen. Außerdem habe das Finanzamt zur Berufung Stellung genommen und sich dabei auf ein Schreiben des Amtsgerichts vom 26. April 1956 bezogen. Der Stellungnahme habe dieses Beweismaterial nicht beigelegen, so daß sie darauf nicht habe eingehen können.
Die Rechtsansicht des Finanzgerichts stehe im Widerspruch zu den Vorschriften des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), wonach bis zur Eintragung im Handelsregister nur eine Gründergesellschaft bestehe. Wenn entgegen dieser klaren gesetzlichen Bestimmung aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise steuerliche Abweichungen vorgenommen werden sollen, dann bedürfe dies ganz besonderer Voraussetzungen. Auch der Bundesfinanzhof habe in seiner Entscheidung III 214/51 S vom 16. Mai 1952 (BStBl 1952 III S. 180, Slg. Bd. 56 S. 465) ausgeführt, daß neben der Zuwendung von Vermögen am Stichtage keine ernsten Hindernisse für die Eintragung bestehen dürften und die Eintragung alsbald nachfolgen müsse. Im Augenblick der Währungsreform seien die Gründer praktisch vermögenslos und nicht in der Lage gewesen, ihre Verpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrage zu genügen. Zwischen dem Gründungsvertrage und der Eintragung liege aber die Erklärung vom 27. Dezember 1948 an das Amtsgericht, daß man die Gesellschaft nicht mehr wolle. Dieser Erklärung komme eine entscheidende Bedeutung zu und sei ausdrücklich in der Rechtsmittelbegründung herausgestellt worden. Das Finanzgericht habe dazu nicht Stellung genommen.
Es sei auch unrichtig, wenn das Finanzgericht davon ausgehe, daß Einheitswertbescheide bindende Entscheidungen für die Fragen der Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleich seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Abgabepflichtige ist am 31. August 1949 in das Handelsregister eingetragen worden, so daß sie handelsrechtlich am 21. Juni 1948 noch nicht bestand (ß 11 Abs. 1 GmbHG). Bis zur Eintragung liegt nur eine Gesellschaft des bürgerlichen, gegebenenfalls des Handelsrechts vor. Aber auch steuerlich kann die Entstehung der GmbH vor diesem Stichtage nicht angenommen werden, weil sie keinerlei nach außen in Erscheinung tretende Tätigkeit vorgenommen hat. Der Senat hat zwar im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil III 214/51 S vom 16. Mai 1952, a. a. O., ausgesprochen, daß eine GmbH nach Abschluß des Gründungsvertrages vor dem Währungsstichtage steuerlich bereits als am Währungsstichtage entstanden gilt, wenn an diesem Tage keine ernsten Hindernisse für die Eintragung der GmbH in das Handelsregister bestanden haben und die Eintragung alsbald nachfolgte. In dem dort entschiedenen Falle war ebenfalls die Eintragung am Währungsstichtage noch nicht erfolgt, aber die Gründergemeinschaft trat bereits am Währungsstichtage im Wirtschaftsleben als GmbH auf, indem sie von Anfang an ein Kino betrieb.
Im vorliegenden Falle ist vor dem Währungsstichtage nur der Gründungsvertrag geschlossen und das Stammkapital festgesetzt worden; hierin allein liegt keine Teilnahme am Wirtschaftsleben. Der Anspruch auf Einzahlung der Stammeinlagen genügt unter dem Gesichtspunkt vorhandenen Vermögens nicht zur Annahme einer fertigen GmbH. Dieser Anspruch geht auf Zahlung an die spätere GmbH; ob er Vermögen der GmbH ist, richtet sich danach, ob die GmbH bereits besteht. Selbst eine Einzahlung der Stammanteile durch die Gründer würde für sich allein nicht zur Annahme einer GmbH genügen, solange die Gründergemeinschaft mit den zugeflossenen Mitteln nicht nach außen hin tätig geworden ist.
Der Senat ist in übereinstimmung mit dem zur Körperschaftsteuer ergangenen Urteil des I. Senats (I 31/53 vom 23. März 1953, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Körperschaftsteuergesetz, § 1 Rechtsspruch 15, Der Betrieb 1953 S. 524) der Ansicht, daß vor Aufnahme einer nach in Erscheinung tretenden geschäftlichen Tätigkeit der Abschluß des Gesellschaftsvertrages allein den Beginn der Steuerpflicht nicht begründen kann. Die GmbH hat daher auch steuerlich am Währungsstichtage noch nicht bestanden. Aus diesem Grunde sind die Vorentscheidung und der Abgabebescheid des Finanzamts vom 13. März 1956 ersatzlos aufzuheben.
Das Finanzamt hat im Verfahren über die Berufung zutreffend ausgeführt, daß als Bemessungsgrundlage bei der Vermögensabgabe der auf den 21. Juni 1948 festgestellte Einheitswert gilt und sich das Rechtsmittel gegen den Einheitswertbescheid richten müsse. Nach § 249 AO schadet die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels nicht. Die Rechtsmittelbehörden müssen vielmehr bei der Auslegung der Rechtsmittelschrift davon ausgehen, daß der Steuerpflichtige sein Rechtsmittel gegen den Bescheid einlegen will, der angefochten werden muß, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu führen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 103/58 U vom 14. November 1958, BStBl 1959 III S. 51, Slg. Bd. 68 S. 134). Der Steuerpflichtige hat zwar sein Rechtsmittel vom 14. März 1956 nur gegen den Vermögensabgabebescheid eingelegt. Bei richtiger Deutung des Parteiwillens umfaßte aber die Rechtsmitteleinlegung auch den Einheitswertbescheid vom 10. März 1956, denn die Einwendungen der Steuerpflichtigen betrafen in gleichem Maße diesen wie auch den Vermögensabgabebescheid. Da mit dem vorliegenden Urteile das Rechtsmittel gegen den Vermögensabgabebescheid erledigt ist, schwebt das Rechtsmittel gegen den Einheitswertbescheid noch. Hierüber wird das Finanzamt nunmehr noch zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 409683 |
BStBl III 1960, 319 |
BFHE 1961, 190 |
BFHE 71, 190 |