Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergebliche Planungskosten als Herstellungskosten eines Einfamilienhauses
Leitsatz (NV)
Zu den Herstellungskosten eines in Fertigbauweise errichteten Einfamilienhauses gehören auch Planungskosten in Zusammenhang mit der zunächst vorgesehenen Errichtung des Hauses in konventioneller Bauweise. Eine Absetzung für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung in Höhe dieser Planungskosten ist nicht zulässig.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 3, § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 Nr. 7, § 11 Abs. 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine mit ihm zusammenveranlagte Ehefrau erwarben im Kalenderjahr 1974 ein unbebautes Grundstück, um darauf ein Einfamilienhaus zu errichten. Im Zusammenhang mit der Planung wandten sie 40 630 DM auf, die überwiegend auf Architektenhonorare und Schadensersatz für entgangene Architektenhonorare entfielen. Die Planung, ein Einfamilienhaus in konventioneller Bauweise zu bauen, gaben die Kläger im Streitjahr 1978 auf. Statt dessen begann der Kläger, 1978 ein Einfamilienhaus in Fertigbauweise zu errichten.
Mit der Einkommensteuererklärung 1978 machten der Kläger und seine Ehefrau vergebliche Planungskosten in Höhe von 40 630 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dem nicht, sondern behandelte die Planungskosten als Teil der Herstellungskosten des Fertighauses. Das FG wertete die Behandlung der vergeblichen Planungskosten als Teil der Herstellungskosten des später tatsächlich aufgrund anderer Planung errichteten Hauses als Verstoß gegen den nicht nur für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, sondern seinem Sinn und Zweck nach auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltenden Grundsatz der Einzelbewertung. Der entgegengesetzten Auffassung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteile vom 6. März 1975 IV R 146/70, BFHE 115, 438, BStBl II 1975, 574; vom 11. März 1976 IV R 176/72, BFHE 119, 240, BStBl II 1976, 614, und vom 25. Juli 1978 VIII R 42/76, BFHE 126, 18, BStBl II 1979, 14) könne nicht gefolgt werden. Rechne man gleichwohl die vergeblichen Planungskosten zu den Herstellungskosten, so sei in Höhe dieser Kosten eine Absetzung wegen außergewöhnlicher wirtschaftlicher Abnutzung (AfaA) gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist teilsweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG-Urteil verletzt § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Denn das FG hat rechtsfehlerhaft die vergeblichen Planungskosten als sofort abziehbare Werbungskosten behandelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. die Urteile in BFHE 115, 438, BStBl II 1975, 574; BFHE 119, 240, BStBl II 1976, 614; vom 29. November 1983 VIII R 96/81, BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303, und vom 29. November 1983 VIII R 173/81, BFHE 140, 212, BStBl II 1984, 306) gehören die Kosten einer früheren, nicht verwirklichten Planung (vergebliche Planungskosten) grundsätzlich zu den Herstellungskosten eines Gebäudes. Vergebliche Planungskosten gehören nur dann nicht zu den Herstellungskosten des Gebäudes, wenn es sich bei dem ursprünglich geplanten Gebäude und bei dem tatsächlich errichteten Gebäude nach Zweck und Bauart um zwei völlig verschiedene Bauwerke handelt, z. B. die Errichtung eines Fabrikgebäudes anstelle eines ursprünglich geplanten Wohngebäudes oder die Errichtung eines zweigeschossigen Terrassenhauses mit Schwimmbad, und wenn daher die erste Planung in keiner Weise der Errichtung des neuen Gebäudes dient (BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303 und BFHE 140, 212, BStBl II 1984, 306). Diese Auffassung beruht auf der Überlegung, daß bei gleichem Zweck und bei gleicher Bauart des ursprünglich geplanten und des später errichteten Bauwerks auch die Kosten der ursprünglichen Planung wertbestimmend in das neue Gebäude eingehen (BFH-Urteile vom 9. September 1980 VIII R 44/78, BFHE 131, 479, BStBl II 1981, 418; BFHE 140, 208, BStBl II 1984, 303). Im Streitfall handelt es sich sowohl bei dem ursprünglich geplanten als auch dem später in Fertigbauweise errichteten Gebäude um ein Einfamilienhaus und daher nicht um im Sinne der angeführten BFH-Rechtsprechung völlig verschiedenen Bauwerke. Daß das tatsächlich durchgeführte Bauvorhaben nicht in konventioneller Bauweise, sondern in Fertigbauweise erfolgte, ist ohne Belang. Denn die ursprünglichen Planungen vermitteln auch für die Errichtung des Hauses in Fertigbauweise zumindest Erkenntnisse über dessen in Betracht kommende Ausgestaltung.
2. Der Auffassung der Vorinstanz, die Einbeziehung vergeblicher Planungskosten in die Herstellungskosten verstoße gegen den Grundsatz der Einzelbewertung, kann nicht gefolgt werden. Das FG verkennt den Begriff der Herstellungskosten. Wie der Große Senat des BFH im Beschluß vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620) ausgeführt hat, gehören zu den Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts nicht nur die Kosten, die unmittelbar der Herstellung dienen, sondern auch solche, die zwangsläufig im Zusammenhang mit der Herstellung des Wirtschaftsguts anfallen. Aufwendungen, die in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes stehen, sind als Herstellungskosten dieses Gebäudes anzusehen. Dies gilt - wie an den in der genannten Entscheidung behandelten Abbruchkosten deutlich wird - auch dann, wenn die Aufwendungen - wie die vergeblichen Planungskosten - zunächst für ein anderes Gebäude gemacht worden sind.
3. Auch der Auffassung der Vorinstanz, es sei eine AfaA (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 1 Satz 4 EStG) zulässig, kann nicht zugestimmt werden. Eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung liegt vor, wenn die wirtschaftliche Nutzbarkeit eines Wirtschaftsguts durch außergewöhnliche Umstände gesunken ist (BFH-Urteil vom 8. Juli 1980 VIII R 176/78, BFHE 131, 310, BStBl II 1980, 743). Die geplante Nutzung des zu errichtenden Gebäudes als Einfamilienhaus ist durch die Verwerfung der ursprünglichen Planung und ihre Ersetzung durch eine andere Planung nicht beeinträchtigt worden. Der Umstand allein, daß im gedachten Veräußerungsfall der Erwerber die Kosten der ursprünglichen Planung bei der Kaufpreisbemessung möglicherweise nicht berücksichtigen würde, rechtfertigt eine AfaA nicht; diese soll nicht etwaige im Veräußerungsfall eintretende Wertminderungen, sondern Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit eines Wirtschaftsguts berücksichtigen, die nicht durch den gewöhnlichen Gebrauch, sondern durch einen außergewöhnlichen Umstand verursacht werden.
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Nach den Feststellungen des FG ist in dem streitigen Betrag von 40 630 DM auch ,,Schadensersatz für entgangene Architektenhonorare" enthalten. Tatsächliche Feststellungen für den Grund dieser Schadensersatzleistungen, über deren Höhe und über den Zeitpunkt der Zahlung (§ 11 Abs. 2 EStG) enthält das Urteil des FG nicht. Das FG muß entsprechende Feststellungen nachholen und auf deren Grundlage entscheiden, ob es sich hierbei um Aufwendungen handelt, die außerhalb des Bereichs der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angefallen sind oder um solche, die als Werbungskosten bei diesen Einkünften abzuziehen sind, oder ob es sich hierbei um Aufwendungen handelt, die nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. die Urteile in BFHE 115, 438, BStBl II 1975, 574; BFHE 119, 240, BStBl II 1976, 614, und vom 25. Juli 1978 VIII R 42/76, BFHE 126, 18, BStBl II 1979, 14) zu den Herstellungskosten des Einfamilienhauses gehören.
Fundstellen
Haufe-Index 61175 |
BFH/NV 1986, 528 |