Entscheidungsstichwort (Thema)

Weihnachtsartikel im zolltariflichen Sinne

 

Leitsatz (NV)

Gegenstände, die ihrer allgemeinen Art nach herkömmlicherweise beim Weihnachtsfest verwendet werden, sind auch dann Weihnachtsartikel im zolltariflichen Sinne, wenn sie eine starke Verfremdung erfahren haben (,,Weihnachtsmänner").

 

Normenkette

KN Unterpos. 9505 1090, 6307 9010, Anm.1t zu Abschn. XI

 

Tatbestand

Die beklagte Oberfinanzdirektion - OFD - erteilte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) - Nr. . . . vom September 1991 - über einen als ,,Plüschnilpferd im Strumpf" bezeichneten, als adventliches und weihnachtliches Behältnis zur Aufbewahrung von Süßigkeiten usw. dienenden Artikel aus Zuschnitten aus Plüschgewirke mit ,,Nilpferdkopf mit Weihnachtsmannmütze", unten in Form eines ,,Nikolausstiefels oder-sockens" mit Einfüllöffnung, unter Zuweisung zu Unterposition 6307 9010 der Kombinierten Nomenklatur - KN - (andere konfektionierte Spinnstoffwaren). Der Einspruch, mit dem die Klägerin die Einreihung als Weihnachtsartikel - Position 9505 -, hilfsweise: als Spielzeug - Position 9503 - begehrte, wurde zurückgewiesen, u.a. mit der Begründung, Weihnachtsartikel seien nur Waren, deren Beschaffenheit erkennen lasse, daß sie speziell für zum Feiern des Weihnachtsfestes dienende Schmuckzwecke verwendet werden sollten. Eine derartige Ware liege nicht vor. Der Artikel diene vielmehr in der vorweihnachtlichen Zeit und während des Weihnachtsfestes lediglich als Verpackung für Süßigkeiten usw.; ihm fehle der erforderliche eindeutige und spezielle Bezug zu Weihnachten.

Mit der Klage wird insbesondere vorgetragen, das äußere Erscheinungsbild des Artikels (mit ,,Weihnachtsmannmütze", ,,Nikolausstiefel/-socken") zeige dessen weihnachtlichen Bezug eindeutig auf. Der (ungefüllt gelieferte) Artikel eigne sich zur Dekoration einer weihnachtlich geschmückten Wohnung. Seine sackähnliche Ausgestaltung entspreche ,,der traditionellen mitteleuropäischen Weihnachtskultur" (,,Weihnachtsmann mit Sack"). In der Schweiz würden entsprechende Erzeugnisse als Weihnachtsartikel eingereiht, in Frankreich und in den Niederlanden als Spielzeug.

Die OFD führt aus, die Ware könne auch zu anderen Zwecken als zur Gestaltung des Weihnachtsfestes verwendet werden; damit scheide ihre Beurteilung als ,,Weihnachtsartikel" aus. Wegen des extremen Verfremdungseffekts stelle sie sich nicht als ,,Weihnachtsmann" dar. Nur im Hinblick auf die auf ihr befindlichen Kopfbedeckung weise sie das Attribut einer solchen Figur auf. Nach dem Gesamterscheinungsbild könne dieser aber nicht die Eigenschaft zuerkannt werden, daß sie bereits zu früheren Zeiten, nach herkömmlichem Brauch, als schmückendes Beiwerk bei der Feier des Weihnachtsfestes verwendet worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Ware ist nicht als Erzeugnis aus Spinnstoff einzureihen. Sie ist vielmehr zolltariflich als ,,Weihnachtsartikel", nicht aus Glas, anzusehen (Unterposition 9505 1090 KN). Demgemäß ist die OFD unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu einer dem Hauptverpflichtungsantrag entsprechenden Einreihung in einer neu zu erteilenden vZTA zu verpflichten.

Waren des Kapitels 95 gehören nicht zu Abschn. XI KN(Anm.1t zu Abschn. XI; Senat, Urteil vom 21. Januar 1992 VIIK 11/91, BFH/NV 1992, 357). Bei der Figur handelt es sich um eine Ware des Kapitels 95 (Weihnachtsartikel).

Weihnachtsartikel sind Gegenstände, die ,,nach herkömmlichem Brauch" beim Weihnachtsfest verwendet werden, z.B. ,,Weihnachtsmänner" (Erläuterungen Harmonisiertes System zu Position 9505 Rz.04.0). Weihnachtsartikel (articles pour tes de Nol, articles for christmas festivities) müssen nach ihrer Beschaffenheit einen eindeutigen Bezug zum Weihnachtsfest aufweisen; eine beschaffenheitsgegebene Eignung auch zu anderen Zwecken schließt diesen Bezug aus (Senat, Urteil vom 5. August 1981 VIIK3/81, BFHE 134, 72, 74- ,,Gewürzschmuck" -, und vom 14. November 1989 VIIK10/89, BFH/NV 1990, 608 - ,,Strohmobile" -).

Aus der Gestaltung der Figur (,,Weihnachtsmannmütze", im Zusammenhang damit hier auch ,,Stiefel", ,,Socken", gabensackähnliches Behältnis) ergibt sich ein entsprechender Bezug auf das Weihnachtsfest. Sie stellt sich als Weihnachtsartikel (,,Weihnachtsmann") dar. ,,Weihnachtsmänner" gehören, wie die zolltariflichen Erläuterungen bestätigen, ohne weiteres zu den Gegenständen, die ,,nach herkömmlichem Brauch" beim Weihnachtsfest verwendet werden. Die - allerdings starke - Verfremdung, die die Figur erfahren hat (tierkopfähnliches Gebilde), vermag angesichts der Ausgestaltung im übrigen an dieser Bewertung nichts zu ändern. Es ist nicht erforderlich, daß ein Weihnachtsartikel nach Art der in den Erläuterungen ausdrücklich aufgeführten Beispiele in allen Einzelheiten in herkömmlicher Weise gestaltet ist. Auch neuartig oder absonderlich gestaltete Waren kommen insoweit in Betracht. Die tatsächliche Möglichkeit anderweitiger Verwendung (außerhalb der Weihnachtszeit) ist unschädlich. Diese bei vielen Weihnachtsartikeln - etwa einzelnen Krippenfiguren - gegebene Möglichkeit beeinträchtigt nicht den Charakter solcher Waren.

Für Gegenstände, die als solche ohne weiteres den Weihnachtsartikeln zuzurechnen sind, finden die in BFHE 134, 72, 74 entwickelten Grundsätze zur Tarifierung einer Ware, die nicht von vornherein als Weihnachtsartikel anzusehen ist, keine Anwendung.

Zweifel an der entsprechenden Einreihung ergeben sich nicht. Eine abweichende Tarifierung in anderen EG-Mitgliedstaaten ist nicht belegt, die zolltarifliche Einreihung als ,,Spielzeug" jedenfalls nicht näher begründet. Die von der OFD angeregte Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist mithin nicht veranlaßt (vgl. dessen Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs.283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419255

BFH/NV 1993, 762

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