Entscheidungsstichwort (Thema)
Mineralölsteuerrechtlicher Begriff "Verheizen"
Leitsatz (NV)
1. Zum mineralölsteuerrechtlichen Begriff "Verheizen" (von Mineralöl).
2. Ein -- nicht steuerbegünstigtes -- "Verheizen" (1.) liegt nicht vor bei Wärmeübertragung auf einen Gegenstand (hier: Abgas), die allein oder hauptsächlich zum Zwecke der Vernichtung desselben erfolgt. Insoweit handelt es sich vielmehr um eine steuerbegünstigte "andere" Verwendung (Bestätigung der Rechtsprechung).
Normenkette
MinöStG 1989 § 8 Abs. 3 Nr. 3; MinöStDV a.F. § 17 Abs. 4
Tatbestand
Im Rahmen der von der Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) betriebenen Ammoniak-Herstellung werden die nach chemisch-technischer Umwandlung entstandenen gasförmigen Zwischenprodukte letztlich einer NH³ -Synthese unter Einsatz von Schwefelwasserstoff unterworfen. Nachgeschaltet sind Verfahren, in denen die bei der Herstellung entstehenden Abgase unter Verwendung von Erdgas zum Umweltschutz und aus betrieblichen Sicherheitsgründen beseitigt (verbrannt) und zum geringen Teil einer Wärmenutzung zugeführt werden, nämlich:
a) Clausanlage (zur Beseitigung von Clausgas durch erdgasbefeuerte Pilotbrenner im Clausofen) -- 1 -- mit thermischer Nachverbrennung von Schadgasen (unter Zugabe von Erdgas zur Aufrechterhaltung einer vorgeschriebenen Feuerraumtemperatur) -- 2 --,
b) Dampfüberhitzer (zur Verbrennung von Abgasen unter sicherheitsbedingter Zugabe von Erdgas, wobei die anfallende Wärme zur Dampftrocknung und zum Überhitzen des verbleibenden Sattdampfanteils zur thermischen Nutzung und zur Erzeugung des erforderlichen Kaminzuges verwendet wird),
c) Fackelanlage mit erdgasbetriebenen Brennern zur Vernichtung anfallender Gase durch Abfackeln.
Den Antrag der Klägerin auf Vergütung der Mineralölsteuer für das in diesem Rahmen verwendete Erdgas lehnte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt -- HZA --) ab, weil keine steuerbegünstigte gewerbliche Verwendung vorliege.
Das Finanzgericht (FG) gab der Verpflichtungsklage hinsichtlich der Erdgasverwendung in den Pilotbrennern des Clausofens (Buchst. a -- 1 --) und in der Fackelanlage (Buchst. c) statt und wies sie im übrigen ab. Im Umfang der Stattgabe sei kein nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) 1989 steuerschädliches Verheizen erfolgt, vielmehr handele es sich um eine sonstige steuerbegünstigte Verwendung (Beseitigung von Gasen). Im übrigen, nämlich im Umfang der Klageabweisung, sei allerdings von einem Verheizen auszugehen. Bei der thermischen Nachverbrennung (Buchst. a -- 2 --) stamme die zur gewünschten thermischen Zersetzung der Schadgase führende Heizwirkung wesentlich aus dem Erdgas; durch die Übertragung der Wärmeenergie werde zudem Dampf mit nicht geringem Druckpotential erzeugt. Als Verheizen stelle sich auch die Verwendung des Erdgases im Dampfüberhitzer (Buchst. b) dar. Mit dem eingesetzten Erdgas würden (mindestens) 10 % der Heizleistung, mit dieser außerdem die weiteren festgestellten Zwecke erreicht. Diese Erdgasverwendung führe somit insgesamt zu einem spürbaren Mindereinsatz anderer Heizenergie und sei nicht nur von untergeordneter Bedeutung. Der Umstand allein, daß Erdgas verbrannt werde, um Produktionsrückstände möglichst umweltverträglich zu beseitigen, vermöge die Steuervergünstigung nicht zu rechtfertigen. Die Voraussetzungen von § 17 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) a. F. lägen nicht vor.
Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligte Revision eingelegt.
1. Revision der Klägerin
Die Klägerin rügt im wesentlichen, das FG habe im Umfang der Klageabweisung zu Unrecht ein "Verheizen" angenommen. Die thermische Nachverbrennung (Buchst. a -- 2 --) diene nicht der Herstellung von Prozeßwärme; die Wärme ergebe sich lediglich als Folge der thermischen Vernichtung der Abgase und müsse aus immissionsschutzrechtlichen Gründen genutzt werden. Ähnlich verhalte es sich bei dem Dampfüberhitzer (Buchst. b), bei dem die Abwärmenutzung gleichfalls nur einen genehmigungrechtlich bedingten Nebenzweck erfülle. Die steuerliche Beurteilung richte sich aber allein nach dem Hauptzweck des Einsatzes von Mineralöl. Der Auffassung, daß ein steuerschädlicher Nutzen der Verbrennungswärme schon dann gegeben sei, wenn die bei der Vernichtung der Schadgase freiwerdende Abwärme einer weiteren Nutzung zugeführt werde, sei nicht zu folgen. Der Stoff, auf den die Verbrennerwärme des Verheizens übertragen werde, müsse selbst Heizmittelqualität haben (Energieträger), was aber bei den Schadgasen nicht zutreffe.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung im Umfang der Klageabweisung aufzuheben, sinngemäß auch, insoweit nach ihrem Klageantrag zu erkennen.
Das HZA beantragt sinngemäß, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Es führt aus, die Gaszersetzung in der thermischen Nachverbrennung werde durch die Heizwirkung der eingesetzten Heizmedien erreicht. Umwelt- und Sicherheitszwecke seien in ihrer Wertigkeit nicht Heizzwecken gegenüberzustellen; sie würden erst durch die Heizleistung erreicht. Gleiches gelte für den Dampfüberhitzer. Maßgebend sei nicht, welchem Zweck die Anlage diene, vielmehr komme es auf den Zweck des Einsatzes des Erdgases an. Letzterer sei allein die gewollte Ausnutzung des Heizwerts durch Übertragung auf die zu vernichtenden Schadstoffe.
2. Revision des HZA
Das HZA rügt, das FG sei, soweit es der Klage stattgegeben habe, von einem zu restriktiv verstandenen Begriff des Verheizens ausgegangen. Dieser Begriff umfasse mineralölsteuerrechtlich grundsätzlich alle Vorgänge, bei denen Mineralöl verbrannt und die dabei freiwerdende Wärme genutzt werde. Auch bezüglich der Pilotbrenner im Clausofen (Buchst. a -- 1 --) und der Fackelanlage (Buchst. c) liege ein Verheizen des Erdgases vor. Auf die Erzeugung von Energienutzen komme es nicht an.
Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist, sinngemäß auch, die Klage insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des HZA zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden (§ 121, § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Revision des HZA (Nr. 2)
Die Revision des HZA ist nicht begründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß das (ermäßigt versteuert bezogene) Erdgas in den Pilotbrennern des Clausofens und in der Fackelanlage in steuerlich begünstigter Weise i. S. von § 8 Abs. 3 Nr. 3 MinöStG 1989, nämlich zu gewerblichen Zwecken, verwendet -- nicht verheizt -- worden ist, mit der Folge, daß das HZA dem Antrag auf Mineralölsteuervergütung (§ 11 Abs. 2 MinöStG 1989, § 39 a MinöStDV a. F.) zu entsprechen hat. Die Vorinstanz hat insoweit den Begriff des -- steuerschädlichen -- Verheizens (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b MinöStG 1989) zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ausgelegt.
Nach dieser Rechtsprechung (zuletzt Urteile vom 25. Oktober 1994 VII R 96/93, BFHE 176, 165, 169, und vom 20. September 1994 VII R 57/93, BFHE 176, 502, 506), an der festzuhalten ist, kennzeichnet sich das "Verheizen" wesentlich durch Wärmeübertragung auf einen bei der Wärmegewinnung als Energieträger (Heizmittel) dienenden Stoff; es liegt nicht vor bei Wärmeübertragung auf einen Gegenstand, die allein zum Zwecke der Vernichtung desselben erfolgt. Letzteres gilt insbesondere bei der Verwendung von Erdgas zur Unterhaltung einer Zünd- und Lockflamme zum Abfackeln betrieblicher Abgase (Urteil in BFHE 176, 502, 506, II Nr. 3 b).
Von einem im wesentlichen entsprechenden rechtlichen Beurteilungsmaßstab ist auch die Vorinstanz ausgegangen, indem sie die der Abgasbeseitigung dienende Erdgasverwendung in der Fackelanlage ohne Nutzung des Heizwerts und den Erdgaseinsatz in den Pilotbrennern des Clausofens zu der die Verbrennung der Abgase einleitenden Zündung nicht als Verheizen, sondern als sonstige -- steuerbegünstigte -- gewerbliche Verwendung (§ 17 As. 2 MinöStDV a. F.) gewertet hat (vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 21. Oktober 1992 4 K 4138/91 VM, Entscheidungen der Finanzgerichte 1993, 413). Dieser Beurteilung ist zuzustimmen. Das gilt auch, soweit bei der Erdgasverwendung für die Clausofen-Pilotbrenner eine (vom FG nicht näher erläuterte) "Ausnutzung des Heizwerts ... von untergeordneter Bedeutung" stattfindet. Selbst wenn darin ein Nebenzweck zu erblicken wäre, so bliebe er mineralölsteuerrechtlich ohne Bedeutung (vgl. auch Urteil in BFHE 176, 502, 506, II Nr. 3 d).
2. Revision der Klägerin (Nr. 1)
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt, soweit das FG die Klage abgewiesen hat -- Vergütung für Erdgasverwendung in der thermischen Nachverbrennung der Clausanlage und im Dampfüberhitzer --, zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur klageantragsgemäßen Verpflichtung des HZA (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Vorentscheidung kann insoweit keinen Bestand haben, da ihr eine nach Ansicht des Senats nicht zutreffende -- zu weite -- Auslegung des Begriffs "Verheizen" zugrunde liegt. Die vom FG getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Entscheidung, daß auch in diesem Umfang eine steuerbegünstigte andere gewerbliche Verwendung vorliegt.
Den Einsatz von Erdgas in der thermischen Nachverbrennung hat die Vorinstanz im Hinblick auf dessen zur thermischen Zersetzung der Schadgase führenden verhältnismäßig hohen "Heizwert" und auf den mit ihm verbundenen "Sekundäreffekt" (Dampferzeugung) als steuerschädliches Verheizen angesehen. Dieser Beurteilung ist nicht zu folgen. Auf den "Heizwert" als solchen kommt es nicht an; entscheidend ist auch hier, daß dieser Heizwert, wenn nicht ausschließlich ("Nachverbrennung"), so jedenfalls primär bezweckt, sich auf Gegenstände auswirkt, die durch die erzeugte Wärme aus Gründen des Umweltschutzes und der Betriebssicherheit vernichtet werden. In einem solchen Falle liegt, wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil in BFHE 176, 502, 506, II Nr. 3 c), eine "andere" Verwendung vor. Gleichfalls ohne Bedeutung bleibt auch in diesem Rahmen der etwaige Nebenzweck ("Sekundäreffekt"), vgl. vorstehend Nr. 1 a. E.
Gleiches gilt im Ergebnis für die Erdgasverwendung beim Betrieb des Dampfüberhitzers. Auch sie hat das FG wegen der Heizleistung des Erdgases (auch zur Aufrechterhaltung der Nennfeuerleistung) sowie der Wärmenutzung im übrigen (zur Trocknung und Überhitzung von Sattdampf und zur Verbesserung des Kaminzuges) und der damit verbundenen Ersparnis an anderer Heizenergie als Verheizen beurteilt. Dieser Wertung kann sich der Senat aus den bereits angeführten Gründen nicht anschließen. Keine Rolle spielt der Gesichtspunkt, in welchem Maße die Erdgasverwendung den Einsatz anderer Energie erübrigt; entscheidend ist auch hier, daß die Verwendung von Erdgas in erster Linie, wie sich der Vorentscheidung entnehmen läßt, der Abgasvernichtung dient, die sich, aus welchen Gründen sie auch immer erfolgt (Umweltschutz, Betriebssicherheit), nicht als Verheizen darstellt (vorstehend Nr. 1). Der weitere, jedenfalls nicht vorrangige mittelbare Zweck, mag er selbst auf ein "Verheizen" gerichtet sein, ist als unschädlicher Nebenzweck anzusehen (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 1988 VII R 119/84, BFHE 154, 286, 288 f.; Urteil vom 2. August 1988 VII R 101/85, BFHE 154, 401, 404; arg. § 17 Abs. 4 MinöStDV a. F.). Dies läßt sich nicht mit der Begründung ablehnen, es fehle an dem insoweit erforderlichen einheitlichen Verwendungsvorgang. In bezug auf das eingesetzte Erdgas ergibt sich ein solcher einheitlicher Vorgang aus den getroffenen Feststellungen (Erdgaseinsatz im Dampfüberhitzer insgesamt). Der Umstand, daß die Klägerin den für die NH³-Synthese erforderlichen Schwefelwasserstoff nicht aus dem Erdgas gewinnt, ist ohne Belang. Abzustellen ist insoweit auf die Nutzung des Erdgases -- so übrigens auch das HZA --, die in einem einheitlichen Vorgang mit der primären Zielrichtung der Schadgasvernichtung erfolgt.
Fundstellen
Haufe-Index 420895 |
BFH/NV 1996, 77 |