Leitsatz (amtlich)
Erstattet ein Hochschullehrer, der nebenher eine freiberufliche Anwaltspraxis betreibt, Rechtsgutachten, die ihrem Wesensgehalt nach mit dem beruflichen Aufgabenkreis eines Anwalts in untrennbarem Zusammenhang stehen, so entfällt die Steuerbegünstigung des § 34 Abs. 4 EStG selbst dann, wenn die Aufträge hierfür von Gerichten erteilt werden.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 4
Tatbestand
Streitig war, ob der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) in seiner Einkommensteuerveranlagung 1965 die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 4 EStG für seine Einkünfte aus selbständiger Gutachtertätigkeit erhält.
Der Steuerpflichtige ist Ordinarius für internationales und ausländisches Recht an der Universität X. Er übt eine nebenamtliche Prüfungstätigkeit aus, ist schriftstellerisch tätig, hält Vorträge und erstattet Gutachten, für die er Aufträge u. a. auch von Gerichten erhält. Er ist als Rechtsanwalt zugelassen. Seine Einkünfte aus der Anwaltspraxis, soweit sie nicht auf die Tätigkeit als gerichtlicher Sachverständiger zurückzuführen sind, betrugen im Streitjahr ... DM. Bei der Veranlagung wies der Revisionskläger (FA) das Begehren des Steuerpflichtigen zurück, ihm die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG für die Einkünfte als gerichtlicher Sachverständiger in Höhe von ... DM zu gewähren. Der Einspruch blieb erfolglos, weil die Sachverständigentätigkeit des Steuerpflichtigen sich nicht von seiner freien Berufstätigkeit als Rechtsanwalt abgrenzen lasse.
Die Klage des Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Die nach § 34 Abs. 4 EStG notwendige Abgrenzbarkeit der Einkünfte aus der begünstigten wissenschaftlichen Tätigkeit von denen aus der sonstigen freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt ergebe sich schon daraus, daß die Gutachten von Gerichten angefordert würden und sich der Steuerpflichtige wegen der ihm nach § 407 ZPO obliegenden Begutachtungspflicht der Erstattung der Gutachten nicht entziehen könne. Die Tätigkeit als gerichtlicher Sachverständiger sei nicht auf Erwerb gerichtet, wie z. B. die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Hochschullehrer oder Rechtsanwalt. Der gerichtliche Sachverständige komme mit der Erstattung von Gutachten einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht nach. Zwar seien die Entschädigungen zu versteuern; sie blieben aber von den übrigen Einkünften abgrenzbar, obgleich sie zu derselben Einkunftsart gehörten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH unterliegen die Einkünfte aus Gutachtertätigkeit dann nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 4 EStG, wenn der Steuerpflichtige einer praktischen wissenschaftlichen Tätigkeit nachgeht, er also z. B. eine Arzt- oder Anwaltspraxis betreibt. In diesen Fällen sind die Einkünfte aus der Gutachtertätigkeit von den übrigen nicht abgrenzbar und deshalb nicht tarifbegünstigt, weil sie im Rahmen der Berufstätigkeit anfallen. Diese Rechtsprechung, an der der Senat auch für den Streitfall festhält, geht davon aus, daß eine Tätigkeit nur dann abgrenzbar ist, wenn sie sich von der hauptsächlich ausgeübten freien Berufstätigkeit in einer Weise abhebt, die sie als nicht mehr zu ihr gehörend eindeutig erkennen läßt. Dabei ist die Abgrenzbarkeit in diesem Sinn nicht etwa numerisch oder buchtechnisch, sondern substantiell zu verstehen. Gehört die gutachtliche Tätigkeit ihrem Wesen nach zum beruflichen Aufgabenkreis des Steuerpflichtigen, so können die Einkünfte aus der Gutachtenerstattung von den übrigen Berufseinkünften jedenfalls nicht mit der erstrebten Begünstigungswirkung ausgeschieden werden (vgl. auch Urteile des BFH IV 150/62 U vom 22. Oktober 1964, BFH 81, 39, BStBl III 1965, 14; IV 192/62 vom 14. Juli 1966, BFH 86, 679, BStBl III 1966, 623).
Wie der Senat im Urteil IV 263/53 U vom 5. November 1953 (BFH 58, 209, BStBl III 1953, 371) ausgesprochen hat, fällt in den Rahmen der Berufstätigkeit eines Anwalts die Beratung und Begutachtung auf allen Rechtsgebieten. Ferner liegende spezielle Rechtsgebiete fallen in den Rahmen dieser Anwaltstätigkeit. Dies gilt auch für die vom Steuerpflichtigen auf seinem Fachgebiet als Hochschullehrer für Gerichte erstatteten Rechtsgutachten. Auch diese gehören substantiell untrennbar ihrem Wesen nach zum Aufgabenkreis eines Anwalts, selbst dann, wenn für die Auftragserteilung das wissenschaftliche Ansehen des Steuerpflichtigen mitbestimmend gewesen sein mag. Der Zuordnung der gutachtlichen Tätigkeit zu der Tätigkeit als Anwalt steht ebensowenig entgegen, daß die Gutachtenaufträge von Gerichten erteilt wurden und sich der Steuerpflichtige der Übernahme dieser Gutachtenaufträge nicht entziehen konnte. Auch hierdurch erfährt der Wesensgehalt der Gutachten, auf den es für die Beurteilung des Streitfalls allein ankommt, keine Veränderung. Da danach eine von seiner Berufstätigkeit sich abhebende wissenschaftliche Nebentätigkeit als gerichtlicher Sachverständiger nicht gegeben ist, entfällt auch die erstrebte Behandlung nach § 34 Abs. 4 EStG, die die Steuerbegünstigung nur für Einkünfte vorsieht, die von den Einkünften aus der Berufstätigkeit abgrenzbar sind.
Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage des Steuerpflichtigen als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 69323 |
BStBl II 1971, 132 |
BFHE 1971, 499 |
NJW 1971, 1383 |