Leitsatz (amtlich)

Eine von einer Organgesellschaft aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrags gebildete Rücklage für Werkserweiterung im Sinne des Abschn. II Nr. 4 des gemeinsamen Ländererlasses betreffend körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Behandlung von Organschaften vom 23. Oktober 1959 (BStBl II 1959, 161) kann bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Organgesellschaft nicht als Betriebsschuld abgezogen werden.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine GmbH, die im Jahre 1964 aus einer Kommanditgesellschaft ausgegliedert wurde und deren alleinige Gesellschafterin die KG ist, mit der ein Organschaftsvertrag und ein Gewinnabführungs- und Verlustausschlußvertrag besteht. Nach dem Ergebnisabführungsvertrag ist die Klägerin berechtigt, im Sinne von Abschn. II Nr. 4 des gemeinsamen Ländererlasses betreffend körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Behandlung von Organschaften vom 23. Oktober 1959 (BStBl II 1959, 161) eine Rücklage für Geschäftserweiterungen zu bilden. Sie hat in ihrer Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1965 unter den Schuldposten eine solche Rücklage für Werkserweiterung in Höhe von 125 000 DM angesetzt. Das FA ließ bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1965 durch den Bescheid vom 1. April 1966 diesen Posten nicht zum Abzug zu, weil er bewertungsrechtlich keine abzugsfähige Schuld darstelle, da die Klägerin nach dem Ergebnisabführungsvertrag in dieser Höhe den Gewinn nicht an ihre Muttergesellschaft abführen müsse. Der Einspruch, mit dem die Klägerin einwandte, die Rücklage stelle steuerlich eine Verpflichtung gegenüber den Gesellschaftern dar und sei bei ihrer Muttergesellschaft als Vermögen erfaßt worden, hatte keinen Erfolg.

Die Klage wurde abgewiesen.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Rücklage für Betriebserweiterung mit einem abgezinsten Betrag von 106 450 DM zum Abzug zuzulassen und den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1965 dementsprechend herabzusetzen. Es wird Verletzung des bestehenden Rechts gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Aus der körperschaftsteuerlichen Behandlung, nach der die der Rücklage für Werkserweiterung zugeführten Gewinnanteile nicht von der Klägerin, sondern von der Organmutter zu versteuern seien, sei zu folgern, daß es sich steuerlich um keine Rücklage, also um Vermögen der Klägerin, handeln könne, sondern um gestundete, d. h. noch geschuldete Gewinnanteile der Organmutter, die in der Steuerbilanz der Klägerin als Verpflichtung auszuweisen wären. Diese Beträge hätten in der Steuerbilanz nicht mehr als Vermögen der Klägerin ausgewiesen werden können. Sonst hätten sie nach der früheren Organschaftsregelung von der Klägerin als eigener Gewinn versteuert werden müssen. Diese Folgerung habe nur dadurch verhindert werden können, daß nicht nur der abgeführte, sondern auch der gestundete Gewinn von der Organmutter habe versteuert werden müssen. Diese Folgerung ergebe sich noch ausgeprägter aus der Neuregelung in § 7a KStG 1968. Die Klägerin habe nach allem kein eigenes Einkommen behalten, folglich habe sie damit auch kein eigenes Vermögen bilden können. Die Versteuerung beim Empfänger sei entgegen der Auffassung des FG keine Fiktion, sondern die Folge logischen Denkens, nämlich die Reinvestierung von abgeführten Gewinnen. Dies sei auch für die bewertungsrechtliche Beurteilung von Bedeutung. Rücklagen, die bei Kapitalgesellschaften mit Ergebnisabführungsverpflichtungen vorhanden seien, unterschieden sich sowohl ihrer Entstehung als auch in ihrer steuerlichen Behandlung wesentlich von sonstigen Rücklagen. Der gesamte Gewinn solle nach dem Wesen des Ergebnisabführungsvertrags an die Organmutter abgeführt werden und verlasse damit zunächst den Verfügungsbereich der Klägerin. Die Organmutter bestimme, ob und in welchem Umfang und in welcher Weise Teile des Gewinnes der Klägerin wieder zur Verfügung gestellt würden. Die körperschaftsteuerliche Behandlung lasse nur den Schluß zu, daß das Wort "Rücklage" nur auf den Verwendungszweck (Finanzierung) hinweise und nicht den wahren Charakter des Postens bezeichne. Die buchmäßige Behandlung des Betrags in der Handelsbilanz als Rücklage könne diese Auffassung nicht entkräften. Es handle sich also bei der sogenannten Werkserneuerungsrücklage um kein Eigenkapital der Klägerin, sondern um Fremdkapital. Die Darlehen der Gesellschafter der Organmutter an die Klägerin stellten keine verdeckten Beteiligungen dar; denn das erforderliche Kapital hätte im Wege der Aufnahme von Fremdmitteln beschafft werden können. Die Schuld sei nach § 14 Abs. 3 BewG unter Zugrundelegung einer tatsächlichen Laufzeit von drei Jahren abzuzinsen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält die Vorentscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß ein Organverhältnis, d. h. die Abhängigkeit einer Kapitalgesellschaft in organisatorischer, wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht von ihrem Organträger, bewertungsrechtlich nicht dazu führt, daß die der Organgesellschaft gehörenden Wirtschaftsgüter dem Betriebsvermögen des Organträgers zuzurechnen sind. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl. z. B. Urteil des BFH III 187/51 U vom 25. Februar 1955, BFH 60, 243, BStBl III 1955, 96). Auswirkungen eines Organverhältnisses treten bei der Einheitsbewertung erst ein, wenn zwischen dem Organträger und dem Organ ein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen wird. Dann sind die sich aus diesem Vertrag ergebenden wechselseitigen Ansprüche und Verpflichtungen bei den Einheitswertfeststellungen des Betriebsvermögens des Organträgers und des Organs zu berücksichtigen. Die Verpflichtung des Organs besteht in der Regel in der Abführung des gesamten Handelsbilanzgewinns. Sie führt dazu, daß der vom Organ erzielte Handelsbilanzgewinn nicht als Eigenkapital des Organs behandelt wird. Ein Ergebnisabführungsvertrag konnte schon nach der bisher in dem gemeinsamen Ländererlaß vom 23. Oktober 1959 enthaltenen Regelung betreffend körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Behandlung der Organschaft auch dann steuerlich anerkannt werden, wenn dem Organ im Ergebnisabführungsvertrag die Bildung von Rücklagen gestattet wurde, die bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet waren. In Abschn. II Nr. 4 des Erlasses wurde als ein Beispiel einer solchen wirtschaftlich begründeten Rücklage eine Rücklage für eine in absehbarer Zeit durchzuführende Betriebsverlegung oder Kapazitätserweiterung bezeichnet. Auch nach § 7a Abs. 1 Nr. 5 KStG 1968 darf die Organgesellschaft Beträge aus dem Jahresüberschuß nur insoweit in freie Rücklagen einstellen, als dies bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist.

Im vorliegenden Fall ist der Klägerin in dem Gewinnabführungs- und Verlustausschlußvertrag vom 23. Juli 1964 die Berechtigung zur Bildung einer Rücklage für Geschäftserweiterung im Sinn des Abschn. II Nr. 4 des gemeinsamen Ländererlasses vom 23. Oktober 1959 eingeräumt worden. Die Bildung dieser Rücklage führt dazu, daß sich die Abführungsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem Organträger entsprechend mindert. Die Abführungsverpflichtung der Klägerin kann daher bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin nur in der Höhe berücksichtigt werden, in der sie tatsächlich besteht. Dagegen liegt in Höhe der Rücklage Eigenkapital der Klägerin vor, das bei der Einheitswertfeststellung als Teil ihres Betriebsvermögens zu erfassen ist.

Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus der in Abschn. IV Nr. 1 letzter Satz des gemeinsamen Ländererlasses vom 23. Oktober 1959 getroffenen Regelung, wonach körperschaftsteuerlich die Beträge, die das Organ unter Beachtung des Abschn. II Nr. 4 des Erlasses zur Bildung von Rücklagen verwandt hat, nicht als eigenes Einkommen des Organs anzusehen sind. Die Klägerin folgert aus dieser Regelung zu Unrecht, daß diese Beträge zumindest wirtschaftlich als Darlehen des Organträgers bzw. der Gesellschafter des Organträgers an das Organ angesehen werden müßten. Das würde voraussetzen, daß hinsichtlich dieser Beträge eine spätere Rückzahlungsverpflichtung des Organs bestände. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn die in die Rücklage eingestellten Beträge sind für eine spätere Betriebserweiterung bestimmt. Werden sie dazu verwendet, so gehen die dabei angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter in das Eigentum des Organs über. Sie können nach der eingangs erwähnten Rechtsprechung nicht als Vermögen des Organträgers angesehen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413006

BStBl II 1972, 111

BFHE 1972, 5

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