Leitsatz (amtlich)
Der Erwerb eines Grundstückes schenkungshalber unter Vorbehalt des Nießbrauches unterliegt auch nach dem 31. Dezember 1973 der Grunderwerbsteuer unter Zugrundelegung des Wertes des Nießbrauches, wenn die Schenkungsteuer gemäß § 25 Abs. 1 Buchst. b ErbStG 1974 ohne Abzug des Wertes des Nießbrauches berechnet und ganz oder teilweise zinslos gestundet worden ist.
Normenkette
GrEStG Baden-Württemberg § 3 Nr. 2 S. 2; ErbStG 1974 § 25
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Mutter des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und deren Schwester waren Miteigentümer eines bebauten Grundstücks je zur ideellen Hälfte. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 4. April 1975 übertrugen sie dieses Grundstück schenkungshalber auf den Kläger, wobei sie sich den lebenslänglichen Nießbrauch an dem Grundstück vorbehielten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte dem Kläger wegen des Erwerbs einer Grundstückshälfte von seiner Mutter Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 6 des Baden-Württembergischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Den Erwerb der anderen Grundstückshälfte unterwarf das FA der Grunderwerbsteuer. Es setzte auf der Grundlage des hälftigen Wertes des vorbehaltenen Nießbrauchs Grunderwerbsteuer fest. Außerdem setzte es wegen der Schenkung dieser Grundstückshälfte eine Schenkungsteuer fest, die es bis zum Erlöschen des Nießbrauchs zinslos stundete.
Nach erfolglosem Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid hat der Kläger Klage erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides beantragt. Er hat geltend gemacht, daß für die Erhebung der Grunderwerbsteuer kein Raum mehr bleibe, nachdem durch § 25 EibStG 1974 der Abzug der Nießbrauchsbelastung beider Schenkungsteuerfestsetzung weggefallen sei Der Erwerbsvorgang müsse nunmehr gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in vollem Umfang von der Heranziehung zur Grunderwerbsteuer ausgenommen werden.
Das Finanzgericht FG hat die Klage abgewiesen und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Der notariell beurkundete Vertrag vom 4. April 1975 unterliegt der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der Erwerbsvorgang ist gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG teilweise von der Besteuerung ausgenommen. Steuerpflichtig ist er insoweit, als Gegenleistungen i. S. des Grunderwerbsteuergesetzes vorhanden sind. Dies folgt für den Fall, daß eine gemischte Schenkung vorliegen sollte schon daraus, daß im Ausmaß des entgeltlichen Teiles eines Rechtsgeschäftes keine Schenkung vorliegen könnte, auf die § 3 Nr. 2 GrEStG anwendbar wäre.
Sollte eine Schenkung unter einer Auflage vorliegen, so ergibt sich, daß Steuerbefreiung im Ausmaß der Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne nicht eingreift, aus dem Satz 2 des § 3 Nr. 2 GrEStG. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, daß in dieser Vorschrift die Gegenleistung nicht ausdrücklich erwähnt wird. Denn dies beruht auf einem Redaktionsversehen des Jahres 1940. Damals wurde die Formulierung des § 8 Nr. 1 Satz 2 GrEStG 1919 in das Grunderwerbsteuergesetz 1940 übernommen, obwohl mit dem Inkrafttreten des Grunderwerbsteuergesetzes 1940 an die Stelle des Werts des Grundstücks die Gegenleistung als Regelbesteuerungsmaßstab trat (vgl. hierzu im einzelnen das Urteil des Senats vom 17. September 1975 II R 42/70, BFHE 117, 280, 282 ff, BStBl II 1976,126).
Es war das Ziel des § 8 Nr. 1 Satz 2 GrEStG 1919, die Grunderwerbsteuer bei einer Schenkung unter Auflage aus dem Wert der Auflage zu erheben und dadurch grunderwerbsteuerrechtlich die gleiche Behandlung von gemischten Schenkungen und Schenkungen unter Auflage zu erreichen (vgl. hierzu Ott, Grunderwerbsteuergesetz, 3. Aufl., 1927, § 8 Anm. 35, 37/38, 41). An dieser Zielsetzung hat sich durch § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG nichts geändert. Es ist deshalb folgerichtig, die Grunderwerbsteuer in diesen Fällen unter der Herrschaft des Grunderwerbsteuergesetzes 1940 und der entsprechenden Landesgesetze aus der Gegenleistung (vgl. § 26 Abs. 1 GrEStG = § 10 Abs. 1 GrEStG 1940) zu erheben.
Die Grunderwerbsteuer ist bei Grundstücksschenkungen unter Vorbehalt des Nießbrauchs auch dann aus der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung zu erheben, wenn im Einzelfall keine Schenkung unter einer Auflage, sondern eine Schenkung des nießbrauchsbelasteten Grundstücks anzunehmen sein sollte (vgl. das Urteil vom 20. April 1977 II R 48/76, BFHE 122, 355, 357, BStBl II 1977, 676).
Aus allem folgt, daß eine Grundstücksschenkung nur insoweit gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist, als andernfalls wegen des § 26 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1940) die Besteuerung aus dem Wert des Grundstücks einträte.
Daß in allen Fallen hinsichtlich des vorbehaltenen Nießbrauches grunderwerbsteuerrechtlich eine Gegenleistung vorliegt, die nach den Allgemeinen Bewertungsvorschriften zu bewerten ist und deshalb nicht durch den Einheitswert des belasteten Grundstücks begrenzt wird, hat der Senat bereits in den genannten Urteilen in BFHE 117, 280, BStBl II 1976, 126, und In BFHE 122, 355, BStBl II 1977, 76 ausgesprochen.
2. An der bestehenden Rechtslage hat sich nichts dadurch geändert, daß nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 nicht mehr die Möglichkeit besteht, den Wert eines vorbehaltenen Nießbrauches von dem Wert der Bemessungsgrundlage zum Abzug zu bringen und dadurch die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) zu mindern (ebenso die Urteile des FG Düsseldorf vom 28. Juni 1977 III 128/75 Verk, Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S.36 - EFG 1978, 36 - und des FG Münster vom 15. November 1977 VIII-IV 1994/75 GrE, EFG 1978, 185).
Es ist zwar im Grundsatz daran festzuhalten, daß gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG u. a. Grundstücksschenkungen von der Grunderwerbsteuer befreit sind, weil sie der Schenkungsteuer unterliegen und daß insoweit demgemäß die Grunderwerbsteuer zurücktritt (vgl. das Urteil vom 28. April 1976 II R 192/75, BFHE 119, 185, 187, BStBl II 1976, 577). Ebenso gilt aber auch, daß die Vorgängervorschrift § 8 Nr. 1 Satz 2 GrEStG 1919 seinerzeit geschaffen wurde, um zu verhindern, daß Schenkungen auch insoweit von der Grunderwerbsteuer befreit wurden, als sich bei Errechnung der Schenkungsteuer, z. B. wegen einer der Schenkung beigefügten Auflage, keine Bereicherung ergab (vgl. Ott, a. a. O., Anm. 37/38). Denn insoweit bestand keine Veranlassung, die Grunderwerbsteuer gegenüber der Schenkungsteuer zurücktreten zu lassen.
Dies galt auch für den Fall, daß der Steuerpflichtige die Aussetzung der Besteuerung bis zum Erlöschen des Nießbrauchs wählte (vgl. hierzu § 51 ErbStG 1919, § 34 ErbStG 1925, § 31 ErbStG 1959). Zwar konnte in diesem Fall bei der späteren Schenkungsteuerfestsetzung die Nießbrauchsbelastung nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1919, § 14 Abs. 2 ErbStG 1925/1959). Gleichwohl betraf aber diese Steuerfestsetzung den Erwerb des nießbrauchsbelasteten Vermögens (vgl. den Wortlauf des § 14 Abs. 2 ErbStG 1959: ,,gilt die Steuerschuld für den Erwerb des mit dem Nutzungsrecht belasteten Vermögens als mit dem Zeitpunkt des Erlöschens des Nutzungsrechts entstanden"). Es bestand deshalb keine Veranlassung, bei etwaiger Wahl der Aussetzung der Versteuerung die Anwendung des § 8 Nr. 1 Satz 2 GrEStG 1919 (später des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG 1940) zu verneinen, zumal diese Vorschrift nahezu gleichzeitig Gesetz wurde wie § 51 ErbStG 1919, ohne daß § 8 Nr. 1 Satz 2 GrEStG 1919 eine Einschränkung für den Fall der Wahl der Aussetzung der Versteuerung enthielt. Daraus ist zu folgern, daß § 8 Nr. 1 Satz 2 GrEStG 1919 eine Einschränkung der Grunderwerbsteuerbefreiung deshalb anordnete, weil insoweit die Verminderung der Bereicherung durch eine Auflage sich schenkungsteuerrechtlich auswirkte, und zwar entweder durch Abzug von der Bemessungsgrundlage oder durch Aussetzung der Versteuerung mit den entsprechenden Zinsvorteilen.
Es ist nicht erkennbar, daß durch den (umstrittenen) § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 eine grundlegende Änderung in der Beurteilung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG eingetreten sein sollte. Auch wenn nunmehr ein Abzug des Nießbrauchswertes von der Bemessungsgrundlage nicht mehr möglich ist, wird gleichwohl die Steuer, die sich aus § 25 Abs. 1 Buchst. b ErbStG 1974 ergibt, als Steuer auf den nießbrauchsbelasteten Erwerb behandelt. Es kann hier nichts anderes gelten als für Erwerbe, für die die Aussetzung der Besteuerung nach § 25 Abs. 1 Buchst. a ErbStG 1974 in der bis 30. August 1980 geltenden Fassung eintrat. Auch in diesen Fällen wird die später entstehende Steuer weiterhin als Steuer auf den Erwerb des belasteten Vermögens angesehen (vgl. § 9 Abs. 2 ErbStG 1974).
Der Umstand allein, daß die schenkungsteuerrechtliche Auswirkung der Nießbrauchsbelastung bei der Sofortversteuerung seit 1974 geringer ist als vorher, ist nicht geeignet, die Erhebung der Grunderwerbsteuer trotz des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG in diesen Fällen für unzulässig zu erklären. Eine solche einschränkende Auslegung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG würde voraussetzen, daß sich aus der Einführung des § 25 ErbStG 1974 eine entsprechende Änderung des mit § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG verfolgten gesetzgeberischen Zweckes ergäbe. Auch wenn der Bundesgesetzgeber für die Änderung der landesrechtlich geregelten Grunderwerbsteuer seit Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes zuständig ist, so kann gleichwohl nicht ohne weiteres aus der Schaffung des § 25 ErbStG 1974 entnommen werden, daß die landesrechtlichen Befreiungsvorschriften entsprechend eingeschränkt werden sollten. Der Schriftliche Bericht des Finanzausschusses (Bundestags-Drucksache 7/1333 zu § 25) gibt keine Hinweise in dieser Richtung. Ihm kann nur entnommen werden, daß zum Ausgleich für die Nichtabzugsfähigkeit der Lasten die darauf entfallende Steuer bis zum Erlöschen der Lasten zinslos gestundet werden sollte. Die Last wird somit nach dem Willen des Gesetzes durch Stundung der rechnerisch auf die Last entfallenden Steuer berücksichtigt. Insgesamt wurde damit gegenüber dem bisherigen Recht zwar eine Verschärfung der Besteuerung erreicht, aber um, wie der Bundesrat meinte (Bundestags-Drucksache Vl/3418 S. 117 zu § 24), eine größere Steuergerechtigkeit zu gewährleisten und ungerechtfertigte Steuervorteile auszuschließen. Bei dieser Sachlage läßt sich ein auf Einschränkung des § 3 Nr. 2 Satz 2 der einschlägigen Grunderwerbsteuergesetze der Länder gerichteter Gesetzeszweck nicht erkennen.
Nicht zu verkennen ist allerdings, daß im Endergebnis in diesen Fällen der Wert des Nießbrauches sowohl Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer als auch mittelbar (als Folge der Nichtabzugsfähigkeit der Nießbrauchsbelastung) für die Schenkungsteuer ist. Die dadurch eintretende Erhöhung der Schenkungsteuer wird zwar durch die zinslose Stundung gemildert, aber nicht gänzlich aufgehoben. Es gibt indessen keinen Grundsatz, der es dem Gesetzgeber verböte, in Fallen dieser Art im Ausmaß der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung eine Grunderwerbsteuer zu erheben und daneben durch Nichtabzug des Wertes der Nießbrauchsbelastung eine Erhöhung der Schenkungsteuer herbeizuführen. Dies muß jedenfalls in den Fallen gelten, in denen der Gesetzgeber bei der Schenkungsteuer für den nicht abzüglich der Nießbrauchsbelastung einen anderen Ausgleich durch zinslose Stundung der Steuer geschaffen hat. Auch der Hinweis von Fetsch (Der Betrieb 1979, S. 34 - DB 1979, 34-) auf das Urteil des Senats vom 31. März 1976 II R 25/71 (BFHE 119, 82, BStBl II 1976, 532) kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Der dort zur Börsenumsatzsteuer entschiedene Fall liegt anders. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus § 3 Nr. 2 Satz 2 i. V. m. § 26 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG (= § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1940), daß im Ausmaß des Nießbrauchsvorbehaltes ein Grundstückserwerb mit einer Gegenleistung vorliegt. Daß insoweit eine Minderung der Bereicherung eintritt, ist auch für die Schenkungsteuer nicht zweifelhaft. Es ist seit 1974 lediglich eine Besonderheit des Schenkungsteuerrechtes, daß sich diese Nießbrauchsbelastung nicht mehr durch Abzug von der Bemessungsgrundlage, sondern nur noch durch zinslose Stundung der entstandenen Steuer bzw. (für Erwerbe bis zum 30. August 1980) durch Aussetzung der Versteuerung auswirken kann. An der grundsätzlichen Abgrenzung des unentgeltlichen und des entgeltlichen Teiles einer Grundstücksschenkung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne und auch im schenkungsteuerrechtlichen Sinne hat sich dadurch nichts geändert.
3. Es ist auch nicht ersichtlich, daß durch § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG und § 25 Abs. 1 Buchst. b ErbStG 1974 eine Verschärfung der Besteuerung von Grundstücksschenkungen in einem Ausmaße eingetreten ist, daß die Regelung gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstieße (vgl. hierzu auch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 27. Oktober 1975 1 BvR 82/73, Beck'sches Nachschlagewerk der Entscheidungen des BFH, Art. 14 GG Nr. 1, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1976 S. 31 HFR 1976, 31-). Da der Berechnung der Schenkungsteuer der Einheitswert des geschenkten Gundstückes zugrunde zu legen ist, der regelmäßig erheblich hinter dem gemeinen Wert des Grundstückes zurückbleibt, und die Schenkungsteuer darüber hinaus gemäß § 25 Abs. 1 Buchst. b ErbStG 1974 zinslos gestundet wird, läßt sich selbst bei Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer in Höhe von 7 v. H. ein Verstoß gegen das Übermaßgebot nicht erkennen. Im vorliegenden Fall z. B. beträgt die Grunderwerbsteuer wegen des Erwerbs einer Grundstückshälfte 1 501,75 DM, die bis zum Erlöschen des Nießbrauchs gestundete Schenkungsteuer 1 485 DM bei einem Ansatz der Grundstückshälfte mit dem hälftigen Einheitswert von 23590 DM.
Unerörtert bleiben kann, ob etwa gegen § 25 ErbStG 1974 andere verfassungsrechtliche Bedenken zu erheben sind. Denn § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG würde durch diesen Streit nicht berührt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 413444 |
BStBl II 1981, 74 |
BFHE 1981, 532 |