Leitsatz (amtlich)
§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG stellt auf den Zeitpunkt der Leistung ab, nicht auf den Zeitpunkt der Erfüllung. Mit der Hingabe eines Schecks ist die Leistung grundsätzlich erbracht.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Der Kläger hat am 31. Dezember 1964 am Kassenschalter seiner Bausparkasse einen Verrechnungsscheck über 5 400 DM abgegeben. Um im Jahr 1965 die Zuteilung des Baudarlehens zu erreichen, mußte er diesen Betrag noch im Jahr 1964 einzahlen. Die Bausparkasse hat diesen Betrag dem Konto des Klägers am 31. Dezember 1964 mit dem Vermerk "E. v. - Eingang vorbehalten" gutgeschrieben. Die Belastung des bezogenen Kontos des Klägers bei der Stadtsparkasse S. ist am 6. Januar 1965 erfolgt.
Der Kläger machte in seiner Einkommensteuer-Erklärung 1965 den Betrag von 5 400 DM als Sonderausgabe geltend. Für das Jahr 1964 hatte er den Höchstbetrag nach § 10 Abs. 3 EStG bereits ausgeschöpft. Das FA war der Meinung, die Zahlung der 5 400 DM habe der Kläger schon im Jahre 1964 geleistet. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des geltenden Bundsrechts. Das FG habe zugegeben, daß ein Scheck im "wertpapierrechtlichen Sinne" keine Leistung darstelle. Entgegen der Ansicht des FG könne aber nicht generell unterstellt werden, daß der Aussteller eines Schecks grundsätzlich glaube, mit Hingabe des Schecks geleistet zu haben. Der Aussteller werde sich vielmehr in der Regel der Möglichkeit bewußt sein, den Scheck sperren zu können. Er, der Kläger, habe in dem bisherigen Verfahren seinen eindeutigen Willen nachgewiesen, den Vermögensabfluß erst im Jahre 1965 erfolgen zu lassen. Im übrigen sei die subjektive Willensrichtung des Ausstellers nicht entscheidend. Nach dem Urteil des BFH VI 20/61 vom 1. Dezember 1961 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 11, Rechtsspruch 31) komme es darauf an, ob die Bausparkasse den Betrag unter "Eingang vorbehalten" oder "vorbehaltlos" gutschreibe. Da in seinem Falle die Gutschrift unter dem Vermerk "Eingang vorbehalten" erfolgt sei, habe die Bausparkasse in der Scheckannahme noch keine Leistung gesehen. Dessen ungeachtet habe die Bausparkasse den Betrag in die Zuteilungsmasse des Jahres 1964 rechnen können, denn im Zeitpunkt der endgültigen Ermittlung der Zuteilungsmasse und der zuzuteilenden Bausparverträge sei naturgemäß die Frage der Einlösung des Schecks geklärt gewesen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Im Verhältnis zu der Bausparkasse hat der Kläger den Betrag von 5 400 DM noch im Kalenderjahr 1964 leisten wollen und durch die Hingabe des Schecks am 31. Dezember 1964 auch geleistet. Zur rechtzeitigen Leistung im bürgerlich-rechtlichen Sinne genügt es, wenn der Schuldner seinem Gläubiger einen Scheck aushändigt. Die Hingabe des Schecks zur Tilgung einer Schuld ist eine Leistung erfüllungshalber (vgl. §§ 362 Abs. 1, 364 Abs. 2 BGB). Für den Zeitpunkt der Leistung kommt es auf die Leistungshandlung an. Davon zu unterscheiden ist der Leistungserfolg, der im bargeldlosen Zahlungsverkehr zeitlich nicht mit der Leistungshandlung zusammenfällt. Es ist seit langem anerkannt, daß es für die Rechtzeitigkeit einer Zahlung genügt, wenn der Gläubiger den Scheck innerhalb der Zahlungsfrist erhält, vorausgesetzt, daß der Leistungserfolg später eintritt. Für den im bargeldlosen Zahlungsverkehr noch bedeutsameren Verrechnungsscheck gilt das gleiche (vgl. Urteil des BGH II ZR 120/63 vom 7. Oktober 1965, BGHZ Bd. 44 S. 178, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 27. Aufl., § 270 Anm. 2c; Baumbach-Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 9. Aufl., S. 351). Die rechtliche Möglichkeit, daß der Scheck gesperrt oder widerrufen wird, wird dabei außer Betracht gelassen. Andernfalls wäre der im Interesse aller Beteiligten liegende bargeldlose Zahlungsverkehr wenig wirkungsvoll. Im bargeldlosen Zahlungsverkehr wird die Hingabe eines Schecks mehr und mehr als Zahlungsmittel angesehen, wenn auch die Möglichkeit, daß der Scheck nicht eingelöst wird, wie gesagt, rechtlich dazu führt, daß die Scheckhingabe zwar als Leistung, jedoch noch nicht als Erfüllung angesehen wird.
Für die Berücksichtigung der vom Kläger eingezahlten 5 400 DM als Sonderausgaben kommt es nach § 11 Abs. 2 EStG auf den Zeitpunkt der Leistung an. Danach wird auch steuerlich nicht auf die Erfüllung, sondern auf die Leistung abgestellt. Die zum Zeitpunkt der Leistung entwickelten Grundsätze des bürgerlichen Rechts sind daher voll anwendbar. In diesem Sinne hat der erkennende Senat auch bereits in dem Urteil VI 20/61 (a. a. O.) entschieden.
Der Kläger hatte, als er seiner Bausparkasse den Verrechnungsscheck übergeben hatte, alles in seiner Macht Stehende getan, um den Beitrag von 5 400 DM zu leisten. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ändert der Buchungsvermerk "Eingang vorbehalten" daran nichts. Auch dem Urteil VI 20/61 (a. a. O.) kann entgegen der Ansicht des Klägers nicht entnommen werden, es komme darauf an, ob der Scheck von dem Empfänger ohne einen Vorbehaltsvermerk angenommen worden sei. Soweit in diesem Urteil von Vorbehalt gesprochen wird, ist nicht lediglich der routinemäßige Vermerk "Eingang vorbehalten" gemeint, der in diesem Zusammenhang unerheblich ist. Denn auch ohne diesen Vermerk würde die Bausparkasse den Buchungsvorgang stornieren, falls sich der Scheck als ungedeckt herausstellen würde. Die Bausparkasse kann insoweit risikolos davon ausgehen, daß der Bausparer im eigenen Interesse nicht mit ungedeckten Schecks arbeitet.
Das Ergebnis (Nichtberücksichtigung der Beitragsleistung bei der Veranlagung für das Jahr 1965) kann auch nicht als unbillig angesehen werden. Wie bereits erwähnt, hat der Kläger die Leistung noch im Jahre 1964 gewollt, um die Zuteilung der Bausparsumme im Folgejahr zu erhalten. Das Vertragsverhältnis zur Bausparkasse hat den Leistungstermin bestimmt, und der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß er zwar im Verhältnis zur Bausparkasse noch im Jahre 1964 habe leisten wollen, diese Leistung steuerrechtlich jedoch erst im Jahre 1965 habe erbringen wollen. Die steuerrechtlichen Folgerungen ergeben sich vielmehr aus dem nach bürgerlich-rechtlichen Gegebenheiten gestalteten Sachverhalt. Die rechtliche Möglichkeit des Klägers, den Scheck sperren zu lassen, kann unberücksichtigt bleiben; mit dieser Maßnahme hätte sich der Kläger der angestrebten Vorteile aus dem Bausparvertrag begeben.
Fundstellen
Haufe-Index 68364 |
BStBl II 1969, 76 |
BFHE 1969, 140 |