Entscheidungsstichwort (Thema)
Damnum als Werbungskosten bei eigengenutztem Einfamilienhaus
Leitsatz (NV)
Ein Damnum, das vereinbarungsgemäß vor Ansatz des Grundbetrages nach § 21 a EStG durch Zahlung getilgt wird, ist in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar, wenn kein Gestaltungsmißbrauch vorliegt (Anschluß an die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 21a; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, erwarben im November 1981 ein Einfamilienhaus, das sie seit dem 15. Dezember 1981 selbst bewohnen. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahmen sie bei der C-Bank ein Darlehen über 200 000 DM zu einem Auszahlungskurs von 91 v. H. auf. Im Darlehensvertrag ist vereinbart, daß das Damnum von 18 000 DM aus Eigenmitteln bis zum 11. Dezember 1981 bezahlt werden soll. Die Kläger überwiesen das Damnum am 9. Dezember 1981 an den Darlehensgeber. Das Darlehen wurde den Klägern am 8. Januar 1982 mit dem Nennbetrag ausgezahlt.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1981 machten die Kläger das Damnum als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) versagte den Abzug mit der Begründung, das Damnum sei erst mit der Auszahlung des Darlehens am 8. Januar 1982 abgeflossen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Vorverfahren ab. Zur Begründung führte es aus: Finanzierungskosten seien grundsätzlich im Jahr der Zahlung als vorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen. Seien die Einkünfte jedoch nach § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln, gelte das Abflußprinzip nur eingeschränkt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Oktober 1978 VIII R 201/73, BFHE 126, 277, BStBl II 1979, 178) seien Zinsen auf die Zeit der tatsächlichen Nutzung des Einfamilienhauses zu verteilen. Auf den Zeitpunkt der Zahlung oder Verrechnung komme es nicht an. Das gelte entgegen der Rechtsprechung des BFH auch für ein vorab entrichtetes Damnum. Es sei Entgelt für die Kapitalnutzung und deshalb wie Zinsen zu beurteilen. Gemäß § 21 a Abs. 3 EStG und dem dort normierten Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit sei nur der Teil des Damnums in voller Höhe absetzbar, der unter Berücksichtigung der Gesamtlaufzeit des Darlehens bzw. der Dauer der Zinsfestschreibung (im Streitjahr ca. zwei Jahre) auf den Zeitraum bis zur Selbstnutzung des Einfamilienhauses entfalle. Da das Kreditinstitut das Darlehen erst nach Bezug des Einfamilienhauses ausgezahlt habe, entfalle die Kapitalnutzung ausschließlich auf einen Zeitraum, der nach dem Beginn der Selbstnutzung liege.
Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Kläger, mit der sie Verletzung der §§ 9, 11 Abs. 2, 21 Abs. 2 und 21 a Abs. 3 EStG rügen. Das Damnum sei in der Regel nicht laufzeitbezogen und müsse deshalb anders als laufzeitbezogene Zinsen beurteilt werden. Es habe außerdem nach seiner Rechtsnatur nicht ausschließlich Zinscharakter. Das in § 11 Abs. 2 EStG normierte Abflußprinzip werde durch § 21 a Abs. 3 EStG nicht aufgehoben. Da das Damnum innerhalb eines Monats vor Auszahlung des Darlehens gezahlt worden sei, liege kein Rechtsmißbrauch vor.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für 1981 unter Berücksichtigung des Damnums von 18 000 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung und zur Herabsetzung der Einkommensteuer im begehrten Umfang (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG unter Verletzung des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG die Abziehbarkeit des Damnums im Streitjahr verneint hat. Nach dieser Vorschrift sind Ausgaben in dem Kalenderjahr als Werbungskosten abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Beschluß des Großen Senats vom 6. Dezember 1965 GrS 2 /64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 155; Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 173/83, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428, und Urteil des erkennenden Senats vom 3. Februar 1987 IX R 85/85, BFHE 149, 213, BStBl II 1987, 492) kommt es für den Zeitpunkt der Leistung des Damnums auf die bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen der Beteiligten an, sofern sie tatsächlich durchgeführt worden sind. Ein vom Darlehensschuldner vereinbarungsgemäß vor Auszahlung des Darlehens an den Darlehensgläubiger geleistetes Damnum ist danach im Zeitpunkt der Zahlung als Werbungskosten abziehbar. Erfolgt die Zahlung vor Ansatz des Grundbetrages nach § 21 a Abs. 1 EStG, so greift die Beschränkung der Abziehbarkeit nach § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG grundsätzlich nicht ein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn zwischen der Zahlung des Damnums und der Auszahlung des Darlehens kein enger zeitlicher Zusammenhang besteht und deshalb die Vorauszahlung des Damnums rechtsmißbräuchlich ist. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn das Darlehen innerhalb eines Monats nach Zahlung des Damnums ausgezahlt wird (Urteile in BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428, und vom 13. Dezember 1983 VIII R 64/83, BFHE 140, 437, BStBl II 1984, 426; vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 14. Januar 1986 IX R 188 /84, BFH/NV 1986, 280).
2. Der Senat hält an der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die zur vollen Abziehbarkeit eines vereinbarungsgemäß vor dem Ansatz des Grundbetrages gezahlten Damnums führt, fest. Die Vorinstanz weist allerdings zutreffend darauf hin, daß nach der Rechtsprechung des BFH bei Anwendung des § 21 a Abs. 3 EStG nicht stets das Abflußprinzip maßgebend ist. Insbesondere sollen Schuldzinsen, die wirtschaftlich auf die Zeit der Eigennutzung des Einfamilienhauses entfallen, auch dann nur begrenzt abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sie vor dem Bezug des Einfamilienhauses geleistet hat (Urteil in BFHE 126, 277, BStBl II 1979, 178). Die Vorinstanz und ein Teil des Schrifttums (Meyer, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1982, 246; Prinz, Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, Betriebswirtschaftliche Schriften zur Unternehmensführung Bd. 44, S. 412 ff.; Schmidt /Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 21 a Anm. 5 b) wenden sich mit beachtlichen Gründen gegen die unterschiedliche Beurteilung der Abziehbarkeit von Zinsen und Damnum. Der Senat verkennt nicht, daß das Damnum jedenfalls bei langfristigen Krediten zur Baufinanzierung regelmäßig zu einem Rechnungsfaktor zur Ergänzung und Feinsteuerung der Zinsen geworden ist. Zwischen der Höhe des Zinssatzes, der Höhe des Damnums und dem Zeitraum der Festschreibung des Zinssatzes besteht regelmäßig eine wirtschaftliche Verknüpfung derart, daß entweder ein höherer Zinssatz und nur ein geringes Abgeld oder ein geringerer Zinssatz und ein entsprechendes höheres Abgeld vereinbart wird (vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 1964 III 142/61 U, BFHE 79, 85, BStBl III 1964, 264, und vom 21. April 1988 IV R 47/85, BFHE 153, 543; Prass, Betriebs-Berater - BB - 1981, 1058; Brosch, Der Betrieb - DB - 1984, 1696).
Diese Entwicklung zwingt indes nicht dazu, von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Beurteilung des vor Ansatz des Grundbetrages gezahlten Damnums abzuweichen. Der Senat hält es insbesondere deshalb nicht für geboten, von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen, weil der Gesetzgeber selbst von einer Neuregelung der Abziehbarkeit des Damnums und seiner Verteilung auf die Laufzeit des Darlehens Abstand genommen hat (vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen, Steuerentlastungsgesetz 1984 - StEntlG 1984 - Art. 5 Nr. 3 - § 11 Abs. 3 EStG -; BTDrucks 10/336; Stellungnahme des Bundesrates, a.a.O., S. 37). Nach dem Entwurf des StEntlG 1984 sollte es in den Fällen des § 21 a EStG bei der sofortigen Abziehbarkeit eines vor dem Ansatz des Grundbetrages gezahlten Darlehensabgeldes verbleiben (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 4 EStG i. d. F. des Entwurfs des StEntlG 1984). Gegen eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung spricht außerdem, daß § 21 a EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden war (§ 52 Abs. 21 Satz 1 EStG 1987).
3. Das FG hat danach die Abziehbarkeit des Damnums im Streitjahr zu Unrecht verneint. Die Kläger haben es nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bereits am 9. Dezember 1981 und damit vor dem Ansatz des Grundbetrages nach § 21 a Abs. 1 Satz 4 EStG überwiesen. Mit der Überweisung ist das Damnum bei den Klägern abgeflossen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 11. August 1987 IX R 163/83, BFHE 152, 440). Wie das FG ferner festgestellt hat, beruht die Vorauszahlung des Damnums auf der Vereinbarung im Darlehensvertrag, wonach die Kläger es aus Eigenmitteln bis zum 11. Dezember 1981 zahlen sollten. In der Vorauszahlung des Damnums liegt auch kein Rechtsmißbrauch i. S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Der Darlehensgläubiger hat das Darlehen noch innerhalb eines Monats nach der Zahlung des Damnums ausgezahlt.
Fundstellen
Haufe-Index 416103 |
BFH/NV 1989, 223 |